Mitten im Leben

Der Arbeits- und Familienalltag ist oft überladen

Egal ob frisch verliebt oder lang verheiratet: Im landwirtschaftlichen Alltag bleibt oft wenig Zeit, die Beziehung zu pflegen. Streit, Entfremdung und keine Zeit für Stunden zu zweit sind häufige Folgen.Konflikte lassen sich im Ehealltag nicht vermeiden, Sprachlosigkeit schon. Ein erfolgreicher Betrieb braucht starke Betriebsleiter und Betriebsleiterinnen, die gut miteinander in Kontakt sind und wissen, wie die Liebe gepflegt und gegen die Angriffe aus dem betrieblichen Alltag verteidigt werden kann. Peter Jantsch, Diplom-Agraringenieur und systemischer Coach, liefert dazu nachfolgend hilfreiche Anregungen.

Wer mit dem Rücken zur Wand steht, kann nicht mehr großzügig sein.

Foto: imago images/Panthermedia

Das Besondere an Familienbetrieben ist die enge Verflechtung von Arbeit und Privatleben. Im Alltag eines Familienbetriebes kann ein und dieselbe Person ständig verschiedene Rollen einnehmen, oft auch mehrere Rollen gleichzeitig. Die unterschiedlichen Rollen können verschiedene Ziele verfolgen oder auch miteinander unvereinbar sein. In dieser Gemengelage besteht ein großes Konfliktpotenzial, nicht nur mit anderen, sondern auch in einem selbst.

In der Summe ist es zu viel

Der Arbeits- und Familienalltag ist oft sehr dicht und überladen, Stress und Zeitmangel sind häufig an der Tagesordnung. Lange Arbeitstage, kaum Freizeit, Mehrfachbelastung Betrieb und Familie, Schwangerschaften und Kleinkind-Phase, alles das fordert seinen Preis. Die hohen Anforderungen an den beruflichen Alltag und die anhaltende Kritik aus Teilen der Gesellschaft können eine negative Grundstimmung erzeugen. Nicht verwunderlich, wenn dann Dauerstress einzieht und die Partnerschaft darunter leidet. Als Team funktioniert man vielleicht noch, aber die zerbrechliche Pflanze Liebe, wie soll die dabei überleben?

Wenn alles zu viel ist und für einen selbst zu wenig übrigbleibt, beginnt ein Kampf um die knappen Ressourcen Zeit und Kraft. Wer mit dem Rücken zur Wand steht, kann nicht mehr großzügig sein. Wird längere Zeit aus der Substanz gewirtschaftet, wird die Situation irgendwann existenziell bedrohlich.

Bedürfnisse und Erwartungen

Wie kann man dann gut für sich sorgen, damit man nicht unter die Räder kommt? Was ist jetzt das Wichtigste? Doch was genau will man denn? Was will der andere? Was erwartet man voneinander?

Über Bedürfnisse und Erwartungen zu sprechen, ist sowieso schon schwierig. Es wird aber zum Spießrutenlaufen, wenn alle das Gefühl haben, nichts mehr geben zu können, weil ständig so viel genommen wird.

Doch genau darin liegt ein Schlüssel, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Nur glückliche und starke Betriebsleiter und Betriebsleiterinnen können dieser Vielfachbelastung standhalten. Es stellt sich daher die Frage: Was genau braucht der Einzelne, um bei bestehender Belastungssituation möglichst glücklich und stark sein zu können? Geht man dieser Frage nach, kämpft man nicht mehr gegeneinander, sondern gemeinsam für eine Verbesserung der Situation, im Wissen: Alle profitieren davon.

Gute Kommunikation

Die Basis für eine lebendige Beziehung ist, miteinander in Beziehung zu stehen. Damit ist gemeint: Man sieht einander, weiß umeinander, kann sich Sorgen von der Seele reden oder Erfreuliches miteinander teilen. Der andere ist aufmerksam und hört zu. Dafür braucht es eine gute Kommunikation.

Im Stress gelingt einem das oft nicht. Wortfetzen, die hin- und hergeworfen werden, entwickeln sich zum Streit. Es herrscht schlechte Stimmung und Unverständnis, statt Harmonie und Nähe, nach der sich beide so sehnen.

Zwischen Ehepartnern, den Generationen oder zwischen Chef und Mitarbeiter – Ausei­nandersetzungen gehören zum Leben. Das ist normal und kein Ausdruck einer schlechten Beziehung. Die Frage ist also nicht, ob streiten – sondern wie. Reden und Zuhören, sich streiten und sich wieder vertragen, gehören zu jeder Beziehung. Das muss gelernt und geübt werden. Außerdem benötigt das Zeit und die gemeinsame Entscheidung, sich und die Beziehung auf der Prioritätenliste ganz nach oben zu stellen.

Beziehung pflegen

  • Jedes Paar braucht exklusive Paarzeiten – ohne Kinder, Handy oder Fernseher.
  • Viel miteinander reden und sich gut zuhören.
  • Respekt, Wertschätzung und Anerkennung äußern. Wertschätzung tut gut: dem, der sie empfängt, und dem, der sie ausspricht.
  • Konstruktiv streiten. Bereit sein zu verzeihen. Nach dem Streiten Zeichen der Versöhnung etablieren.
  • Ein eigenes Leben außerhalb der Partnerschaft und des eigenen Betriebes haben.
  • Wenn es nicht mehr weitergeht: externe Unterstützung holen.
Jantsch, www.veraenderung.jetzt

Männer und Frauen sind verschieden

Neben den Unterschieden zwischen Mann und Frau, die so geschätzt werden, gibt es auch tief sitzende Verschiedenheiten, die das Miteinander manchmal schwierig machen.

Männer reden lieber über Sachthemen als über Gefühle, und das mit insgesamt weniger Worten. Der Mann sieht es oft wertvoller an, Probleme zu lösen, anstatt darüber zu reden.

Frauen geht es oft mehr um die Beziehung als um Ergebnisse. Sie möchte über ein Problem in Kontakt mit ihrem Mann kommen, doch statt gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten, rennt er hinaus, um es zu lösen.

Frauen suchen oft ein klares und standfestes Gegenüber zum Streiten und sich wieder versöhnen, Männer entziehen sich dem aber oft lieber und warten, „bis es vorüber ist“.

Männer und Frauen verhalten sich in Beziehungen verschieden. Aber keiner ist falsch oder richtiger. Man muss darüber reden und zu einer für alle Beteiligten stimmigen Umgangsweise finden.

Werkzeuge für die Pflege der Beziehung

Eine Beziehung will gepflegt werden wie ein Garten. Einmaliges Umgraben und Einsäen reicht nicht aus. Diese Pflege muss gewollt und gegen den Zugriff hunderter wichtiger Dinge geschützt werden. Und das muss erlernt werden.

Erstaunlicherweise gibt es für das korrekte Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln einen extra Schein – und das ist gut so – aber gut zu kommunizieren und so etwas komplexes wie eine Paarbeziehung mit Kindern hinzubekommen, das soll man ohne jede Ausbildung einfach so können? Das ist eine falsche Vorstellung mit fatalen Folgen. Partnerschaft muss man und kann man lernen. Die Schule für die Liebe ist das Leben selbst, egal wie stressig, wenn man nur weiß, wie man die Lektionen lernen muss. Dafür ist es gut, die richtigen Werkzeuge sowie ihren Gebrauch kennenzulernen und einzuüben. Auch dabei gilt: Die Ernte beginnt mit der Saat.

 – LW 45/2019