Muss das sein?

Im Handel werden viele gefärbte Pflanzen angeboten

Bald beginnt der Herbst. Auf Friedhöfen und in Gärten ist dann wieder Besenheidezeit. Zwischen echte erikafarbene Sorten schummeln sich dann auch wieder Pflanzen in Gelb, Blau und Orange. Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Aber muss das wirklich sein? Christine Margraf hat sich zum Thema gefärbte Pflanzen ein paar Gedanken gemacht.

Bald wieder häufiger zu sehen: gefärbte Erikapflanzen.

Foto: imago images

Ist es wirklich so erstrebenswert, jede Blume in jeder Farbe erwerben zu können? Blaue Nelken und Chrysanthemen, Blumen mit Goldglitter zur Weihnachtszeit: solche „Raritäten“ sind heute keine Seltenheit in Blumenfachgeschäften und Gartencentern.

Auch die Züchtung hat ihre Grenzen

Dabei handelt es sich nicht etwa um neue Züchtungen, wie man auf den ersten Blick meinen möchte, sondern hier waren findige Blumenhändler am Werk und haben von Natur aus Unmögliches möglich gemacht.

Pflanzenzüchter, darunter auch Gärtner, haben sich zwar von jeher die Aufgabe gestellt, die von der Natur gebotenen Formen und Farben in der Pflanzenwelt mit dem Ziel zu verändern, noch schönere und je nach Trend größere und auch kleinere Blätter und Blüten in leuchtenderen Farben und mit noch mehr Duft zu züchten. Allerdings sind diesem Streben von Natur aus Grenzen gesetzt, zumindest, was die Farbenvielfalt anbelangt.

Der Natur etwas nachgeholfen

Denn trotz aller erdenklichen Mühen können bei Blüten keine Farbtöne gezüchtet werden, deren entsprechende Erbanlagen (Gene, die bestimmte Farben ermöglichen) nicht vorhanden sind. So fehlt beispielsweise bei Chrysanthemen das Gen für den Farbstoff Blau, weshalb es auch nicht möglich ist, blaue Chrysanthemen zu züchten.

Manchmal kommt man allerdings dem gewünschten Farbton ziemlich nahe. Wo aber alles Bemühen erfolglos ist, hilft man im Blumengroßhandel einfach etwas nach und hat inzwischen verschiedene Methoden entwickelt, die es ermöglichen, Blumen nach der Ernte je nach Wunsch zu färben. Schon sehr lange ist bekannt, dass man Nelken blau färben kann, indem man sie in Wasser stellt, das blaue Tinte enthält. Mit dem Wasser nehmen die Blumen den Farbstoff auf.

Inzwischen hat man auch andere Möglichkeiten entwickelt, da es sehr schwierig sein dürfte, Tinte in den benötigten Mengen zu beschaffen. Im Großhandel werden beispielsweise Saugfarben in vielen farblichen Varianten verwendet, sodass kaum ein Wunsch offen bleiben dürfte. Da gibt es Pulver, das in heißem Wasser aufgelöst wird. Sobald das Wasser bis auf etwa 25 Grad Celsius abgekühlt ist, werden die Blumen in diese Farblösung eingestellt, und je nach gewünschter Farbintensität verbleiben sie dort zehn Minuten bis zehn Stunden. Bei Temperaturen um 20 bis 25 Grad Celsius saugen die Blumen am bes­ten.

Bei der Verwendung von Tauchfarben (anwendbar bei Frisch- und Trockenblumen) wird die Farbe ebenfalls in Wasser aufgelöst. Allerdings müssen Frischblumen vorher erst in einem ebenfalls in Wasser löslichen Netzmittel „entfettet“ werden. Die Blumen werden kurz in diese Flüssigkeit eingetaucht, anschließend mit reichlich frischem Wasser abgespült. Danach wird gefärbt, indem man die Blumen kurz in die Farblösung taucht, sie dann vorsichtig ausschlägt und abtrocknen lässt. Diese Prozedur überstehen natürlich nur Blüten von etwas festerer Konsistenz.

Geeignet sind für alle diese Verfahren besonders weiße und helle Blüten. Bei sehr farbintensiven oder recht dunklen Blumen ist das Färbeergebnis nicht befriedigend oder gar nicht zu sehen.

Die gute alte Spraydose

Neben diesen Färbeverfahren besteht natürlich auch noch die Möglichkeit des Sprayens. Meist ist es Glitterspray in Gold, das während der Weihnachtszeit Weihnachtssterne „ziert“, aber das ganze Jahr über in unterschiedlichen Farben auch auf Chrysanthemen und anderen Pflanzen zu finden ist. Die Haltbarkeit der Gewächse wird durch das Glittermittel vermutlich nicht beeinflusst.

Will man aber zu Hause sprayen – mit dafür geeigneten Sprays – dann achte man auf einen genügend großen Abstand zwischen Spraydüse und Pflanzen! Direkt an der Düse der Sprayflasche entstehen während des Sprayvorgangs sehr niedrige Temperaturen. Diese können die behandelten Pflanzenteile bei zu geringem Abstand zur Dose regelrecht erfrieren. Das gilt übrigens generell für alle Spraydosen, auch solche mit Pflanzenschutzmitteln.

Dank der oben beschriebenen Verfahren kann der Kunde im Fachhandel neben Pflanzen in den natürlichen herkömmlichen Farben also auch orange oder blaue Chrysanthemen, blau gefärbte Erika sowie Schnittnelken oder was das Herz sonst noch begehrt, erstehen. Aber ob durch diese oft sogar noch sehr grellen Farben die Blumen wirklich schöner werden und der Blumenfreund diese Farben bei dem reichhaltigen Angebot an frischen Blumen in jeder Größe und Farbe zu jeder Jahreszeit wirklich braucht, sei dahingestellt. Über Geschmack lässt sich bekanntlich ja nicht streiten. Christine Margraf