Obst richtig erziehen

Tipps zum Gehölzschnitt

Obstgehölze fruchten auch ohne Schnitt. Der Ertrag ist mehr von günstigen Bestäubungs-Verhältnissen wie passenden Pollenspendern, Bienenbestand und gutem Wetter abhängig als vom Schnitt. Dennoch trägt das regelmäßige Auslichten zum Erhalt eines gesunden Gehölzbestandes und zur Qualitätsverbesserung bei.

Steile, schwache und nach innen wachsende Triebe werden entfernt.

Foto: Himmelhuber

Der Schnitt ist unter anderem zur Erziehung junger Kronen, zur Verjüngung alter Gehölze oder zur Behandlung natürlicher Verletzungen nötig und die wichtigste Pflegearbeit an den Gartengehöl­zen. Anders als die Bäume und Sträucher in freier Natur, die keine Pflege bekommen und deshalb oft nicht die ideale Gestalt haben oder vorzeitig vergreisen, lassen sich Gartengehölze optimal erziehen und in Form halten.

Der optimale Schnitt hält gesund

Das gilt sowohl für Obstbäume als auch für Beerensträucher, die durch den Schnitt zudem ertragreich bleiben. Genau wie Gehölze in der Natur Schäden durch Windbruch, Frost oder Wildverbiss vertragen und selbst heilen, nehmen auch Gartengehölze Verletzungen hin. Allerdings sind Verletzungen immer schädlich, weil sie Kraft kosten und Eintrittspforten für Krankheiten darstellen. Deshalb sind nötige Schneidarbeiten rechtzeitig zu erledigen, um die Schnittwunden möglichst klein zu halten.

Durch gezielte Eingriffe in den ersten Jahren nach der Pflanzung und regelmäßigen Pflegeschnitt in den Folgejahren können große Verletzungen vermieden werden.Gut erzogene und gepflegte Gehölze sind außerdem stabiler und gesünder als willkürlich wachsende und ungepflegte. So lässt sich durch das rechtzeitige Ausschneiden steiler Triebe deren späteres Ausschlenzen (Ausbrechen) verhindern. Sie würden sich sonst zu steilen Ästen entwickeln und sogenannte Zwisteln (Astgabeln) ausbilden, wo sich Schnee und Regenwasser sammelt. Das hat mit der Zeit Fäulnis und das Ausschlenzen zur Folge.

Durch das rechtzeitige Ausschneiden zu eng stehender Zweige lassen sich auch die Kronen und Büsche licht halten. Dadurch trocknen sie nach Regen rasch und sind weniger empfindlich für Pilzinfektionen. Krankes Holz ist ohnehin zu beseitigen. Außerdem ist das Auslichten gut für die Verjüngung. Insbesondere fördert das gelegentliche Entfernen einiger störender oder zu eng stehender Äste die Entwicklung brauchbarer junger Triebe.

Anders als im Obstbau, wo die Bäume durch den Schnitt zu Höchstleistungen getrieben werden, geht es im Garten darum, schöne gesunde und vor allem naturnahe Kronen und Büsche zu erziehen und zu bewahren.

Die Erziehung in den ersten Jahren

Die Erziehung richtet sich bei Beachtung der natürlichen Wuchseigenschaften nach der gewünschten Kronenform. Hier oder schon bei der Pflanzenwahl werden die größten Fehler begangen. Denn selbstverständlich gelingt es auf Dauer nicht, einen kräftig wachsenden Baum durch den Schnitt klein oder einen wuchernden Strauch kompakt zu halten. Jedes Gehölz muss langfristig für den bestimmten Platz passen und auswachsen dürfen. Eine wesentliche Grundregel besagt: Je stärker der Rückschnitt, umso kräftiger der Austrieb. Das heißt also, je mehr ein Baum oder Strauch zurückgeschnitten wird, umso stärker treibt er wieder aus.

Eine andere Regel, die insbesondere bei der Erziehung beachtenswert ist, weist auf die Reaktion der beschnittenen Zweige hin und zwar: Das obers­te Auge bringt den kräftigsten Trieb hervor. Das heißt, die oberste Knospe an der Schnittstelle treibt am kräftigsten aus. Die Kronenentwicklung beziehungsweise die Entwicklung einzelner Äste lässt sich so steuern, zumal auch die Richtung durch einen gezielten Schnitt festgelegt wird.

Beim Schnitt über einem Außenauge, einer Knospe also, die nach außen weist, bringt diese einen nach außen wachsenden Trieb hervor. Das kommt der Erziehung sehr entgegen. Denn eine Krone oder ein Strauch soll licht und offen sein. Durch den Schnitt auf Außenaugen wird dies gefördert. Nach innen, also in die Krone wachsende Triebe, sind unerwünscht, denn sie stören erhaltenswerte Äste und behindern die Entwicklung lichter Kronen oder Büsche.

Besondere Beachtung findet der senkrechte Mitteltrieb, der sogenannte Mittelleittrieb, der die Hauptachse bildet und den Stamm nach oben verlängert. Er sollte in der Regel durchgehend sein und von Jahr zu Jahr weiter gerade nach oben wachsen. Störende Konkurrenztriebe, die den Gipfel behindern, sind zu beseitigen, zumal sie Zwisteln bilden und später leicht ausschlenzen. Erhaltenswerte mehr oder weniger waagrecht abstehende Seitentriebe, die für den Ausbau der Krone gebraucht werden, bleiben stehen und werden durch den Schnitt auf Außenaugen möglichst waagrecht gelenkt.

Durch den Rückschnitt des Gipfeltriebes lässt sich die Verzweigung fördern. Die oberste Knospe bringt wieder einen kräftigen neuen Gipfeltrieb hervor, während die nachstehenden Knospen mehr oder weniger steile Triebe bilden. Sie lassen sich für den Ausbau der obersten Seitentrieb-Etage nutzen.

Erziehung schon beim Pflanzschnitt

Die Erziehung beginnt bereits mit dem Pflanzschnitt. Ein junger Obstbaum sollte eine gleichmäßig garnierte Krone haben. Sie besteht aus dem geraden Mittelleittrieb, an dem drei oder vier kräftige Seitentriebe rundherum verteilt möglichst waagrecht angeordnet sind. Beim Pflanzschnitt wird nun der Gipfeltrieb etwa um die Hälfte zurückgeschnitten und zwar knapp über einer Knospe, die danach eine gerade Stammverlängerung hervorbringt.

Die Seitentriebe werden ebenfalls etwa um die Hälfte zurückgeschnitten und zwar jeweils über einer Außenknospe. Hier sollten die Endknospen aller Triebe etwa in der gleichen Höhe sitzen. Nach dem Rückschnitt überragt der Gipfeltrieb die Seitentriebe, sodass sich eine pyramidale Krone ergibt. Alle übrigen Triebe werden weggeschnitten. Diese pyramidale Kronen-Erziehung hat sich gleichermaßen bei Hochstämmen (160 bis 180 Zentimeter Kronenhöhe), Halbstämmen (100 bis 120 Zentimeter), Niederstämmen (80 bis 100 Zentimeter) und Buschbäumen (40 bis 60 Zentimeter) bewährt und zwar bei allen Obstbaum-Arten. Die gelegentlich gebräuchliche Trichterkrone kommt dem natürlichen Wuchs nicht entgegen.

Infolge des Pflanzschnitts bringt die oberste Knospe am Gipfeltrieb einen kräftigen senkrechten Trieb hervor. Die nachfolgenden Knospen treiben weniger stark. Diese Triebe dienen im nächsten Jahr zur Ausbildung der obersten Seitentrieb-Etage. An den Seitentrieben bringen ebenfalls die Endknospen jeweils die kräftigsten Triebe hervor. Sie dienen zur Weiterentwicklung der Seitenleitäste. Dazu werden sie wiederum an einer Außenknospe eingekürzt.

Apfelbaum vor dem Schnitt ...

Foto: Himmelhuber

... und nach dem Schnitt.

Foto: Himmelhuber

Aus den nachfolgenden Knospen treiben mehr oder weniger stark wachsende Seitentriebe. Hier bleiben günstig stehende Triebe erhalten, die möglichst nach außen weisen sollten. Auch sie werden an Außenknospen eingekürzt. Alle nach innen wachsenden, steilen und überkreuzten Triebe werden weggeschnitten. Beim Erziehungsschnitt in den nächsten Jahren wird die pyramidale Krone weiter ausgebaut. Die mehrjährigen Zweige im Kroneninneren nehmen an Umfang zu und entwickeln sich zu Ästen. Ebenso wird der Stamm zunehmend kräftiger. Die zwei- bis dreijährigen Zweige setzen Fruchtholz an (je nach Obst-Art). Das Fruchtholz ist an dicken Knospen oder Fruchtkuchen erkennbar. Es bleibt erhalten und wird nicht geschnitten. Von den jungen Endtrieben bleiben die erhaltenswerten stehen. Sie werden wie vorher auf ein Außenauge abgelenkt.

Pflegeschnitt: auslichten, ordnen, entfalten

Gut erzogene Bäume und Sträucher sind recht einfach in Form zu halten. Gewöhnlich genügt es, die weitere Entfaltung zu fördern, indem jeweils der Gipfeltrieb von Konkurrenztrieben befreit und – falls nötig – gerade gerichtet und gestäbt wird. Zudem ist das bereits gut geordnete Seitenastwerk weiter auszubauen. Dazu schneidet man steile Spitzentriebe – das sind die jungen Endtriebe an den Seiten­ästen – jeweils auf ein Außenauge zurück oder spreizt sie ab, sodass sie waagrecht stehen.

Zu eng stehende, nach innen wachsende oder zu steile, unbrauchbare Triebe werden entfernt. Bei Veredelungen müssen die Wildtriebe, die sich oft unterhalb der Veredelungsstelle aus dem Stamm entwickeln, immer wieder beseitigt werden. Bei Sträuchern genügt es, gelegentlich einige zu eng stehende Zweige direkt am Boden oder an einer Gabel abzuschneiden, sodass sie locker und luftig bleiben.

Wunden behandeln, Krankheiten verhindern

Schnittstellen sind offene Wunden. Um die Wundabschottung zu fördern, ist beim Schnitt einiges zu beachten. Wesentlich ist, dass jeweils an der richtigen Stelle geschnitten wird. Störende Äste und Zweige werden vorzugsweise „am Astring“ abgetrennt. Der „Astring“ ist ein bei den meisten Gehölzen deutlich sichtbarer Wulst, der den Ast oder Zweig direkt an der Austriebstelle umringt. Hier ruhen teilungsfähige Gewebezellen, die aktiv werden und die Schnittstelle zügig überwallen, wenn der Ast unmittelbar an dieser Stelle abgetrennt wird. Der „Astring“ darf dabei selbst nicht verletzt werden.

Dicke Äste trennt man zunächst mit der Säge ab und schneidet die Schnittstelle dann mit einem Messer nach. Damit der Ast nicht ausschlenzt, wird er am besten stückweise abgeschnit­ten und erst am Astring abgetrennt. Auch bei Gehölzen, die keine deutlichen Astringe bilden, ist der Schnitt knapp an der Austriebstelle günstig. Zapfen oder Stummel dürfen nicht stehen bleiben, weil sie die Wundüberwallung verhindern.

Die Behandlung mit einem Wundverschlussmittel wird von professionellen Baumpflegern abgelehnt. Es kann vorkommen, dass der Wundverschluss auch Schadpilze mit einschließt, die dann weiter wuchern. Ein Wundverschlussmittel darf nur dann aufgetragen werden, wenn dürres Holz gründlich ausgeschnitten wurde. Dann kann es bei großen Schnittstellen einen Schutz vor Rissen durch Austrocknung bieten, bis die Schnittstellen nach mehreren Jahren mit Wundholz überwallt wurden.

Winterschnitt – Sommerschnitt

Der Schnitt in den Wintermonaten hat sich seit Jahrhunderten bewährt. In den unbelaubten Kronen und Büschen ist das Kronengerüst und Zweigwerk gut überschaubar. Dadurch lassen sich störende Triebe leicht erkennen. Im Winter ist außerdem das Klettern in den Kronen besser möglich. Es hat sich gezeigt, dass die Wundholzbildung besonders im Spätwinter zügig erfolgt. Bei Frost sollte natürlich nicht geschnitten werden, weil das Holz dann leicht splittert. Der Grünschnitt ist besonders dazu geeignet, störende Triebe schon während ihrer Entwicklung zu beseitigen. Das ist im Frühsommer einfach durch das Ausbrechen möglich. Die kleinen Wunden wachsen dann noch während des Sommers zu. Peter Himmelhuber

Beerenobst
schneiden

 
Bei den Beerenobststräuchern beschränkt sich der Erziehungsschnitt auf das Ausschneiden von schwachen, überkreuzten und zu eng stehenden Trieben und den Rückschnitt der erhaltenswerten Triebe etwa um ein Drittel ihrer Länge. Auch bei Sträuchern ist eine pyramidale Form anzustreben. Die Haupttriebe in der Mitte sollten die außenstehenden Triebe überragen.
Johannisbeere vor dem Schnitt...

Foto: Himmelhuber

... und nach dem Schnitt.

Foto: Himmelhuber