Öko-Winterweizen konnte ertraglich nicht überzeugen
Die ersten Sorten aus Öko-Wertprüfungen stehen im LSV
Nach den sehr guten Erträgen 2015 hat der Winterweizen in diesem Jahr auf allen Versuchsstandorten in Hessen ein deutlich niedrigeres Ertragsniveau erreicht. Bei den Qualitäten zeigt sich ein nicht ganz so einheitliches Bild. An den Standorten in Alsfeld-Liederbach und am Gladbacher Hof sind die Qualitäten 2016 im Vergleich zum Vorjahr besser. Am Standort in Frankenhausen kommen die Qualitäten, trotz des deutlich geringeren Ertragsniveaus, nicht an die Vorjahresergebnisse heran. Reinhard Schmidt vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen fasst die hessischen Öko-Landessortenversuche zu Winterweizen zusammen.

Foto: Schmidt
Gelbrost in diesem Jahr nicht von so großer Bedeutung
Seit 2014 hat der Gelbrost mit seiner neuen wärmeangepassten Rasse „Warrior“ das Sortenspektrum im ökologischen Landbau durcheinander gewirbelt. Sorten, die bis dato als unempfindlich gegen Gelbrost galten, waren auf einmal stark befallen. Seitdem konnte aber auch festgestellt werden, dass Sorten, die zunächst auch auf den neuen Erreger kaum reagiert haben, in den letzten zwei Jahren mehr Probleme mit Gelbrostbefall bekommen haben. Offenbar ist der neue Erreger in der Lage, Resistenzen bei den Sorten zu durchbrechen. Auffällig war in diesem Jahr auch, dass die Gelbrostinfektionen zeitweise zu starkem Blattbefall (gelbe Pusteln) geführt haben, der dann zu einem späteren Termin nicht mehr zu finden war. Offensichtlich haben die diesjährigen Witterungsbedingungen dem Gelbrost nicht so in die Karten gespielt wie in den Vorjahren. In den Vorjahren waren ab März fast durchgehend die gelben Sporenlager zu finden.
Was kann man gegen Gelbrost machen?
Am meisten Probleme mit Gelbrost hatten im aktuellen Jahr die Sorten Lukullus, Estivus, Govelino und Manitou. Gelbrost kann sich nur auf lebenden Pflanzen ernähren und vermehren und ist das ganze Jahr über auf eine lebende Wirtspflanzenkette angewiesen. Sehr wichtig ist daher die konsequente Beseitigung des Ausfallgetreides bis zum Aufgang der Herbstaussaaten. Grundsätzlich sollte nach der Getreideernte eine intensive Stoppelbearbeitung mit anschließender Pflugfurche erfolgen. Auch wenn Resistenzen gebrochen werden können, stellt die Sortenwahl nach wie vor das effektivste Instrument dar, um einem Gelbrostbefall entgegenzuwirken.
Kaltes Frühjahr hat Mineralisation gestoppt
Der Ökologische Landbau verzichtet auf leicht lösliche Düngemittel. Häufig stellen Wirtschaftsdünger aus der betriebseigenen Tierhaltung oder aus Futter-Mistkooperationen die einzige Stickstoffquelle neben dem Anbau von Leguminosen dar. Diese Bewirtschaftungsform ist daher stark von der Bodenfruchtbarkeit und damit von der Stickstoffnachlieferung aus dem Bodenvorrat angewiesen. Kommt diese Nachlieferung nur langsam in Gang, entwickelt sich der Pflanzenbestand auch nur zögerlich. In Frankenhausen wurde Mitte April ein Nmin-Gehalt von 25 kg/ha auf einer Tiefe von 0 bis 90 cm gemessen, wobei in der obersten Schicht (0 bis 30cm), also der Schicht, in welcher sich zu diesem Zeitpunkt die meisten Wurzeln befanden, nur 4 kg N/ha zu finden war. So hat es in FH bis weit in den Mai hinein gedauert, bis die Mineralisation in Gang gekommen ist und der Weizen einen erkennbaren Wachstumsschub bekommen hat. Auch die feuchte Witterung im Juni und Juli hat nicht dazu beigetragen, dass die Weizensorten zufriedenstellende Erträge und Qualitäten entwickeln konnten.
Qualität oder Quantität?
Im ökologischen Landbau ist der Stickstoff häufig der begrenzende Wachstumsfaktor. Die Genetik einer Sorte legt fest, ob der Stickstoff vorrangig in Rohprotein und damit Qualität, oder zunächst in Ertrag umgesetzt wird. Der Landwirt legt somit bei der Sortenwahl die Weichen für Back- oder Futterweizen. Neben der Sortenwahl beeinflussen aber auch Standort, Fruchtfolge, Düngung und die Witterung die zu erzielenden Qualitäten. Die Sortenergebnisse der letzten Jahre zeigen immer wieder, dass meist nur mit Sorten aus der Qualitätsgruppe E gute Backergebnisse zu erzielen sind. Aber selbst aus diesem Sortiment gibt es Sorten, die nur unter guten Wachstumsbedingungen Rohproteingehalte von 11 Prozent und Feuchtkleberwerte von 26 Prozent oder darüber erzielen. Da stellt sich auch so mancher viehlos wirtschaftende Ökobetrieb die Frage, ob die Futterweizenproduktion nicht rentabler ist als die Qualitätsweizenproduktion.
Dazu ein kurzes Rechenbeispiel: Bei einem Backweizenpreis von 39,90 Euro/dt (mehrjähriges Mittel) müsste bei einem Backweizenertrag von 40 dt/ha der Futterweizen 51 dt/ha erzielen (also gut 28 Prozent Mehrertrag), um den gleichen Umsatz zu erreichen, wenn man einen durchschnittlichen Futterweizenpreis von 31,40 dt/ha ansetzt. Die Nachfrage nach Futterweizen wird in den nächsten Jahren voraussichtlich stabil bleiben, da sich derzeit viele viehaltende Betriebe in der Umstellung befinden, die auf Futterzukauf angewiesen sein werden. Der gestiegenen Nachfrage nach Futterweizensorten hat auch das Versuchsesen Rechnung getragen, indem bereits 2014 zwei neue Futterweizensorten (Elixer und Manitou) und 2016 mit Rockerfeller eine weitere C-Sorte mit geprüft wurde. Weiterhin steht mit KWS Livius eine ertragsstarke neue B-Sorte im Sortiment.
Elixer im LSV deutlich ertragsstärkste Sorte
Die Verrechnungssorten (VRS) Butaro, Tobias und Julius erreichen in Alsfeld einen Ertrag von 46,1 dt/ha, in Frankenhausen von 48,9 dt/ha und auf dem Gladbacher Hof von 43,1 dt/ha. Auf den Mittelwert dieser drei Sorten beziehen sich die Relativzahlen der Tabellen, die den Ertrag und die Qualitäten wiedergeben. Bei den mindestens zweijährig geprüften Sorten präsentiert sich Elixer als deutlich ertragsstärkste Sorte, gefolgt von einer weiteren C-Sorte Manitou und der A-Sorte Pionier. Nur wenig schlechter im Ertrag schneiden die Sorten Estivus und Julius ab. Wenig überraschend ist es auch, dass die Qualitätssorten Govelino, Butaro, Lukullus und Tobias im Ertrag deutlich hinter diesen „Massenweizen“ liegen.
Bei den neuen, einjährig geprüften Sorten konnten KWS Livius und Rockefeller auf Anhieb einen guten Ertrag erreichen, der jedoch nicht ganz an das Ertragsniveau von Elixer heranreicht. Graciaro, eine der ersten Sorten die die Öko-Wertprüfung durchlaufen haben und auf Grund der Schwäche bei der Fallzahl nur als B-Sorte zugelassen wurde, erreicht am Standort Alsfeld einen sehr beachtlichen Ertrag, auf den beiden anderen Standorten immerhin noch ein knapp mittleres Ertragsniveau. Bei den Qualitäten liegen die Sorten Govelino und Tobias an der Spitze der mehrjährig geprüften Sorten. Ebenfalls überdurchschnittliche Rohprotein- und Feuchtkleberwerte erreichen Butaro, Lukullus und Axioma. Zu beachten ist, dass viele der oben genannten Qualitätssorten sehr lang sind und daher auf guten Standorten ins Lager gehen können. Ausnahme ist Axioma, der zusammen mit Genius und Manitou zu den kürzesten Sorten im gesamten Sortiment gehört.
– LW 38/2016