Perspektiven und Innovationen Motto des FLV-Ackerbautages

Einblick in die Strategien der Pflanzenzüchter gegeben

Ökologisierung der Landwirtschaft, Pflanzenschutz-Neuerungen sowie Züchtungsprobleme bei Getreide und Zuckerrüben waren die Vortragsthemen des diesjährigen Ackerbautages des Frankfurter Landwirtschaftlichen Vereins (FLV). „Wir haben schon immer auf Veränderungen reagiert, was wir jedoch derzeit benötigen, ist Planungssicherheit, um betrieblichen Wandel erfolgreich durchführen zu können“, betonte FLV-Vorsitzender Michael Schneller bei der Begrüßung der Referenten und der rund 60 Veranstaltungsteilnehmer.

FLV-Vorsitzender Michael Schneller, der die Diskussion beim Ackerbautag leitete, hier mit dem Weizenzüchter Dr. Ibrahim Kazman (r.).

Foto: Rühlemann

Klimawandel, Umweltschutz, Biodiversität, Digitalisierung und Flächenfraß seien die fünf großen gesellschaftlichen Herausforderungen, die gegenwärtig den landwirtschaftlichen Betrieben gegenüberständen, so Axel Wirz vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frankfurt am Main. Die Ausweitung des Ökolandbaus und eine ökologisch optimierte, integrierte Produktion seien wesentliche Beiträge für eine erfolgreiche Lösung dieser und weiterer zukünftiger Herausforderungen.

2018 waren 12 Prozent der Betriebe in Deutschland Ökobetriebe, die 9 Prozent der Fläche bewirtschafteten, in Hessen 13,5 Prozent mit 14,5 Prozent der Fläche, in der Wetterau 6,2 Prozent mit 3,3 Prozent Fläche. Als Zielgröße sollten nach dem Klimaschutzplan 2030 bundesweit 20 Prozent der Fläche, in Hessen 2025 nach Vorstellungen der Politik 25 Prozent Ökofläche sein. Die Buchführungsergebnisse der BLE-Testbetriebe weisen niedrigere betriebliche Erträge und Erlöse der Ökobetriebe aus, bei niedrigeren betrieblichen Aufwendungen, außer bei den Personalkosten, dank höherer Direktzahlungen aus Agrarumweltmaßnahmen aber sogar etwas höhere Gewinne je Hektar LF.

In der Gegenüberstellung von Stärken und Schwächen von je 40 konventionell und ökologisch bewirtschafteten Pilotbetrieben mit vergleichbaren Standortbedingungen zeigten sich bei den Ökobetrieben insbesondere geringere Treibhausgasemissionen, Vorteile bei der Humusbilanz bei Gemischtbetrieben, besserer Gewässer- und Bodenschutz, aber niedrigeres Ertrags- und Leistungsniveau. Als sogenannte Knackpunkte der Ökobetriebe zählte Wirz insbesondere bei der Herausforderung Ertragssteigerung die Zunahme reiner Ackerbaubetriebe, keine ausreichende Futter-Mist-Kooperationen und Diskussion über Gärreste auf, bei der Herausforderung Nährstoffkreisläufe, Humusabbau und fehlende Innovationen für reduzierte oder pfluglose Bodenbearbeitung (Unkrautdruck) und bei der Tierhaltung und -züchtung bisher fehlendes Zuchtmaterial und Weiterentwicklung von Haltungssystemen auf. Der Umsatz an Bio-Lebensmitteln lag 2018 bei 10,9 Mrd. Euro, davon 6,3 Mrd. durch den Lebensmitteleinzelhandel, was einer Zunahme um gut 5 Prozent entsprach. Es werde mit weiteren Zunahmen gerechnet, wobei die Discounter Treiber bleiben und künftig Nachhaltigkeitsstandards und Produktionsweisen bestimmen werden. Alle großen Firmen stiegen in vegan und vegetarisch ein. Auch deshalb ist Wirz überzeugt, dass der Ökolandbau in vielen Bereichen Impulsgeber für andere Produktionsweisen sein kann. Wissenschaftliche technische Innovationen in verschiedenen Bereichen böten das Potential für eine Verbesserung des Ökolandbaus und eine Ökologisierung der gesamten Landwirtschaft. Wichtig bei der weiteren Entwicklung sei es nach wie vor, der Bevölkerung klar zu machen, dass die Landwirtschaft weiter gebraucht wird.

Pflanzenschutz weiterhin unabdingbar

Die Zunahme der Weltbevölkerung bei gleichzeitiger Abnahme der Ackerfläche mache Pflanzenschutz zur Abwehr von Ertragsverlusten durch Krankheiten und Schädlinge unabdingbar, so Dr. Phil Lane zu Beginn seines Vortrages über neue Trends und Perspektiven im Pflanzenschutz. Drei Pflanzenschutztechniken stünden zur Verfügung: Chemikalien, biologische Verfahren, sogenannten Biologicals, und gentechnische Veränderungen der angebauten Pflanzen.

Unabhängig von der Wirksamkeit der verschiedenen Techniken ist die Einsatzmöglichkeit von der gesellschaftlichen Beurteilung abhängig. Man meine, alles Natürliche sei gut für die Verbraucher, vor allem für Lebensmittel, und alles Synthetische nicht. Dabei nähme die Tendenz zu Polarisierung und Kategorisierung zu – man sei entweder dafür oder dagegen, meint der Leiter des Instituts für Phytopathologie der Uni Gießen. Obwohl hier mit weiteren Herbizid- oder Insektizid-toleranten Kulturen zu rechnen und auch eine Kombination mit anderen Techniken denkbar sei, lasse öffentlicher Widerstand eine Anwendung nicht erwarten. Das betreffe sogar Gene Editing mit CRISPR/CAS, obwohl dies kein herkömmliches gentechnisches Verfahren sei. Das werde von den Gegnern nicht verstanden und sie behaupten weiter, dies sei schädliche Gentechnik.

Da der erhöhte gesellschaftliche und regulatorische Druck auf chemischen Pflanzenschutz trotz dessen hoher Wirksamkeit sowie ausgereifter und bewährter Technik weiter bestehe, nehme das Interesse auch von großen Pflanzenschutzfirmen an biologischem, genauer mikrobiologischem Pflanzenschutz zu. Dieser Einsatz vor allem pilzlicher Stoffe und pheromonischer Methoden sei anwendbar, wenn der Einsatz von Chemikalien nicht möglich sei (Nematoden) und lasse auch Kontrollen in der Erntezeit von Obst und Gemüse zu. Hierbei sieht der Referent jedoch noch hohen Forschungsbedarf. Zusammenfassend stellte Lane fest, dass der chemische Pflanzenschutz zunächst noch die dominierende Technologie bleiben werde. Helfen nicht nur gegen die gesellschaftlichen Vorbehalte könnten jedoch Methoden des Präzisionsackerbaues. So lasse eine Bestimmung des spezifischen Schädlingsbefalles auch für kleine Flächen in Verbindung mit variabler Anwendungstechnik eine Verringerung der Chemikalienmenge erwarten. Dann sei bei Kosteneinsparung auch eine bessere gesellschaftliche Akzeptanz zu erwarten.

Bis vor kurzem sei Weizen weltweit die mengenmäßig größte Getreideart gewesen. Doch mittlerweile übertreffe ihn der Mais und der Reis folge bald. Zudem sei in Europa und auch Deutschland ein nicht ausreichend hoher Ertragsfortschritt festzustellen. „Wie können wir dem Weizen als wichtigster Brotfrucht helfen, der Landwirtschaft weiter zu dienen?“

Perspektiven für die Züchtung bei Getreide

Diese etwas provokative Frage stellte der Weizenzüchter Dr. Ibrahim Kazman aus Hadmersleben zu Beginn seines Vortrages über Züchtungs- und Forschungsfragen für die Getreidezucht. Da die Ertragssteigerungen der weltweiten Nachfrage nach Weizen nicht standhalten, steht die Weizenzüchtung unter Druck. Daraufhin wurden starke internationale Initiativen, sogenannte Pro-Weizen-Projekte gestartet. Während von 1952 bis1993 die Ertragssteigerungen je zur Hälfte durch Züchtung und Anbauverbesserungen erzielt wurden, erhöhte sich der Anteil züchterisch verursachter Ertragssteigerungen zu Ende des untersuchten Zeitraumes auf nahezu vier Fünftel.

Allerdings mache es der Weizen den Züchtern nicht leicht: Er sei hexaploid, habe „eine der kompliziertesten Genomzusammensetzungen der Welt“, so dass die klassische Kreuzungszüchtung vornansteht, wobei aber im Gegensatz zu Soja, Mais oder Reis kaum mathematische und schematische Zuchtprogramme einsetzbar wären. Gleichwohl biete das Weizengenom durch seine enorme Anpassung und Rekombinationsmöglichkeiten – der Weizen sei wie eine Kopiermaschine – Potentiale zu hohen Ertragssteigerungen. Wenn die Einnahmen der Züchter aber weiter abnähmen bei gleichzeitigen Kostensteigerungen, dann seien „tiefgreifende Strukturveränderungen in der Züchtungs- und Saatgutwirtschaft zu befürchten“. Am Ende besteht die Gefahr, befürchtet Dr. Kazman, dass die Züchtungsfortschritte bei anderen Kulturen den Weizen in den Hintergrund drängen und dieser nur noch als Nischenfrucht bearbeitet wird – amerikanische Verhältnisse.

Das theoretische Ertragspotential für Zucker sieht Dr. Carsten Stibbe bei 25 bis 35 Tonnen je Hektar, was aber durch limitierende Faktoren wie Wasser und Nährstoffangebot und reduzierende Faktoren wie Unkräuter, Krankheiten und Schädlinge schließlich zu einem wesentlich niedrigeren realisierten Ertrag führt.

Perspektiven der Zuckerrübenzüchtung

Das wichtigste Ertragspotential ist für den Leiter von Agro Science International KWS Einbeck der Genotyp, dem die jeweilige Zuckerrübensorte zuzuordnen ist. Bei der Betrachtung der limitierenden Faktoren stehen die im Vordergrund, die durch den Klimawandel zu erwarten sind. Die durch Wasserverknappung ausgelösten Ertragsschwankungen stuft Stibbe mit rund fünf Prozent bei Zuckerrüben als wenig bedeutend ein. Für die Pflanzenzüchter stehen als Antwort auf limitierende Faktoren die Zuchtziele Trockenheitstoleranz, Hitzetoleranz, Stresstoleranz und Ertragsstabilität im Vordergrund.

„Das Wissen um die Ertragsfaktoren ist entscheidend für die Produktivität“, so der Referent. Eine Gegenüberstellung des Produktivitätswachstums in den vergangenen Jahrzehnten verdeutlicht, dass Mehrertrag durch Input-Intensivierung, also Mehrertrag durch mehr Nährstoffeinsatz beispielsweise, seit den 1980er Jahren nachlässt. Seitdem wird die agronomische Kompetenz immer wichtiger. Dazu gehöre vor allem die Beachtung der Bodenfruchtbarkeit und das Wissen um die Art des Einsatzes von Produktionsmitteln. So müsse der Boden „in kürzester Zeit mehr Nährstoffe und mehr Wasser zur Verfügung stellen“, damit die Hochleistungssorten die ihnen möglichen Ertragssteigerungen realisieren können.

An den vier Beispielen Unkrautkontrolle, Vergilbungsviren, SBR und Cercospora zeigte Stibbe, welche Auswirkungen die veränderten Anforderungen auf die Zuckerrübenzüchtung haben. Von KWS sei mit hohem Einsatz von rund zwanzig Jahren ein Herbizid entwickelt worden, das auch in heißen und kontinentalen Klimaten die Kontrolle eines breiten Unkrautspektrums einschließlich schwer bekämpfbarer Unkräuter ermöglicht. Seit drei Jahren in 24 meist europäischen Ländern eingeführt, wird die Zulassung in diesem Jahr auch in Deutschland erwartet. Als mögliche Szenarien werden Flächenapplikation mit niedriger Aufwandsmenge oder Bandapplikation mit höherer Aufwandsmenge erwartet.

Hohe Ertragsverluste verursachen Vergilbungskrankheiten, die durch Viren verursacht werden. Nach dem Wegfall der Neonicotinoide verbleiben einmal chirurgische Eingriffe gegen übertragende Blattläuse mit verbliebenen Insektiziden, deren Einsatz zeitlich präzise erfolgen muss, und zum anderen die Züchtung virusresistenter Rübensorten. Dabei ist hoher Zeitaufwand zur intelligenten Kombination und Vernetzung der verschiedenen Ansätze erforderlich. Ähnliche Symptome mit Vergilbungen, kleineren Herzblättern sowie kleineren Rüben mit gebräunten Gefäßen und der Folge verminderten Zuckergehaltes zeigt SBR (Syndrome Basses Richesses). Ausgelöst wird die Krankheit durch Proteobakterien, die Schilfglasflügelzikaden übertragen.

Als eine der größten Herausforderungen für den Zuckerrübenanbau wird Cercospora (CR) angesehen. Für KWS wären CR-tolerante Sorten schon immer ein Thema gewesen, heißt es. Allerdings korreliert hohe CR-Resistenz negativ mit dem Zuckerertrag. Deshalb komme der Züchtung von Sorten mit höchster Resistenz und gleichzeitig höchster Ertragsleistung als neue Dimension bei KWS besondere Aufmerksamkeit zu. Mit hohem Aufwand werde bei unterschiedlichem Befallsdruck in den verschiedenen europäischen Rübenanbaugebieten am Fungizideinsatz geforscht. Dabei sei gutes Management erforderlich, um die Resistenz der Sorten lange zu erhalten

Rü – LW 5/2020