Pfälzer Obstbautag auf der Suche nach nachhaltigen Lösungen

Obstbau liefert, was die Gesellschaft möchte

„Wir müssen den Obstbau neu positionieren“, sagte Dr. Günter Hoos, der Leiter des DLR Rheinpfalz in Neustadt an der Weinstraße anlässlich des Pfälzer Obstbautages Ende Januar. Der Klimawandel ist angekommen, er müsse auch in die Beratung einfließen: Bei der Sortenwahl, den Erziehungssystemen, dem Pflanzenschutz und der Ernte. Dazu werde die Beratung ihren Teil beisteuern. Aufgrund der knappen personellen Besetzung, vermehrt auch mit digitalen Instrumenten.

Gerade die Strukturvielfalt mit vegetationsfreien Baumstreifen und blühenden grünen Gassen dazwischen ist für viele Tierarten eine existenzielle Kombination. Für den Menschen sind die Obstanlagen eine Augenweide zur Blüte und ein Leckerbissen zur Ernte.

Foto: Setzepfand

Hoos forderte die Obstbauern auf, ihre Beobachtungen über Veränderungen in den Anlagen dem DLR Rheinpfalz zu melden, damit die praxisorientierte Forschung betrieben werden kann, sie sei ein wichtiger Parameter, um Lösungen für den zukünftigen Obstbau zu finden.

Hohe Biodiversität, schöne Landschaften, gesunde Früchte

Jörg Hilbers, Geschäftsführer des Berufsverbandes deutscher Erwerbsobstbaubetriebe, sprach zum Thema „Wo steht der deutsche Obstbau, wie läuft die gesellschaftliche Debatte und welche Handlungsoptionen haben wir?“ Hilbers startete sein Amt Anfang vergangenen Jahres, unternahm eine Tour von einem Betrieb zum anderen, um festzustellen, dass der Obstbau in Deutschland in einer Krise steckt. 5 500 Obstbaubetriebe gibt es noch in Deutschland, diese bewirtschaften 0,5 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Angesichts einer starken europäischen Ãœberproduktion an Obst, vor allem aus den osteuropäischen Ländern, den Folgen des Klimawandels mit Hagel, Hitze, Trockenheit und neuen Schaderregern sowie den Repressalien durch den Handel sehen die Betriebsleiter nur wenig Spielraum für ihre Betriebe.

Da kann die Kostenführerschaft nur aufrecht erhalten werden, wenn die ganze Familie zusammensteht, wenn die Logistik, wenn die Anbaubedingungen und die Vermarktungsform stimmen. Die Nische Bioanbau ist derzeit bedient, viel mehr gebe der Markt gerade nicht her. Die Direktvermarkter kommen am besten durch die Krise, bemerkte Hilbers. Wer jedoch weder Bio, noch die Möglichkeit der Direktvermarktung habe, der widme sich dem geregelten Ausstieg. „Und auch dies muss möglich sein, dass die Betriebsleiter erhobenen Hauptes aussteigen können“, betonte er. Dass dies im Grunde genau entgegen dem Wunsch der Gesellschaft nach mehr Biodiversität und Artenvielfalt läuft, dass der Verbraucher Ökologie fordert, jedoch nichts dafür bezahlen möchte, dass die Volksbegehren zum Insektenschutzprogramm führten ist für die Obstbauern umso bitterer, da sie selbst mit ihren Obstanlagen zu einer sehr hohen Biodiversität beitragen. „Unsere Obstanlagen bieten, den Lebensraum, die ökologische Vielfalt, die vom Verbraucher gefordert wird“, erklärte Hilbers, dies bestätigen mittlerweile zahlreiche Studien. Doch durch das Umweltpaket von Klöckner und Schulze könnten 34 Prozent aller Obstbauflächen in Rheinland-Pfalz nicht mehr bewirtschaftet werden. Sie liegen in Schutzgebieten, in denen dann kein Pflanzenschutz mehr betrieben werde.

Es sei klar, dass die 33 000 Arten in Deutschland um ein Drittel zurückgegangen sind. Der Anspruch der Gesellschaft nach Biodiversität und sauberem Grundwasser sei berechtigt, doch das müsse mit den Landwirten möglich sein. „Es braucht mehr Forschung, mehr belastbare Daten“, sagte Hilbers. Eine Untersuchung verglich Obstbauflächen, die nach dem Integrierten Pflanzenschutz bewirtschaftet werden, mit biologisch bewirtschafteten Flächen. Es zeigten sich gar keine Unterschiede in der Biodiversität. Dennoch werden die Anforderungen stets gesteigert, entweder von der Politik oder vom Handel. „Wir stehen beim Pflanzenschutz mit dem Rücken an der Wand“, sagte Hilbers. Wie sehr, das führte Uwe Harzer in seinem Vortrag „Chemischer Pflanzenschutz unter Druck – wie kommt der Obstbau damit zurecht?“ aus.

Jörg Hilbers, Geschäftsführer des Berufsverbandes deutscher Erwerbsobstbaubetriebe

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Da das UBA die Pflanzenschutzzulassung der vergangenen Jahre stark geprägt hat, haben sich die Obstbauern direkt an das UBA gewandt und eine Delegation des UBA hat daraufhin das Pfälzer Obstanbaugebiet besucht. Man habe die Obstanlage der Familie Becker in Neustadt besichtigt. Vier Hektar Pfirsichanbau, befallen von der Maulbeerschildlaus und kaum Möglichkeiten, diese zu bekämpfen. Es brauche das Mittel Movento. Uwe Harzer klagte nicht nur über eine zu geringe Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln, sondern auch über zunehmende Schaderreger, die ihre Lebensräume mit dem Klimawandel gen Norden ausbreiten. Dazu gehören zahlreiche Wanzenarten sowie Schildläuse. Jüngstes Beispiel für den Wegfall von PSM ist das Mittel Calypso. Der Wirkstoff Thiacloprid verliert seine Zulassung Ende April 2020, der Abverkauf endet am 30. Oktober 2020 und die Aufbrauchfrist am 3. Februar 2021. Der Wirkstoff ist reproduktionstoxisch, und somit durch das Cut off-Kriterium endgültig aus der Nutzung. Harzer fragte: „Wie kompensieren wir Calypso?“ Für viele wirtschaftlich bedeutende Schaderreger gebe es nur noch Notfallzulassungen. Die Fachgruppe Obstbau hat bereits 17 Anträge für das Jahr 2020 gestellt und fragte, wie man zukünftig Sägewespe, Gallmücken und Rüsselkäfer bekämpfen solle. Das Insektizid Insegar habe man noch bis 2022. „Dann muss uns auch etwas einfallen gegen die Wicklerarten“, weiß Harzer. Positiv sei, dass das PSM Minecto One die Zulassung im Kernobst erhalten hat. Gegen die Kirschfruchtfliege brauchen die Steinobstanbauer unbedingt eine 100-prozentige Lösung. Noch sei Mospilan gegen saugende und beißende Insekten vorhanden. In der Notfallzulassung stehe dann nur noch Exirel zur Verfügung. Bleibt das totale Einnetzen, was sehr aufwendig ist. Leider hat die Lebensmitteleinzelhandelskette Kaufland nun das Akarizid Milbeknock auf die Schwarze Liste gesetzt, sodass dieses Mittel in Chargen, die zu Kaufland gehen, nicht angewandt werden darf. „Solche Einschränkungen erschweren noch dazu das Resistenzmanagement“, schloss Harzer.

Dass zum besseren Image des Pflanzenschutzes auch eine bessere technische Applikationstechnik beitragen kann, das erklärte Felix Ruppert vom DLR RNH aus Bad Kreuznach. Stichproben haben gezeigt, dass der Obstbau, was abdriftmindernde Technik angehe bereits Vorreiter sei. Dennoch wies Ruppert darauf hin, dass alle Obstbauern zukünftig nur noch abdriftmindernde Sprühgeräte von mehr als 90 Prozent aus der JKI-Liste kaufen sollten. Er empfahl auch so großtropfig wie möglich zu applizieren, die Luftleistung an den Baumbestand anzupassen und niemals in der Nähe von Oberflächengewässern oder mit Kanalisationszufluss zu reinigen. Versuche haben gezeigt, dass eine zu hohe Gebläseleistung kontraproduktiv ist und zu hoher Abdrift führt. An sehr neuralgischen Punkten, wie Gemüse neben einer Obstanlage, empfahl Ruppert eine vertikale Seitenabschirmung aufzustellen, um Abdriftschäden zu verhindern.

Uwe Harzer, Pflanzenschutzberater Obstbau am DLR Rheinpfalz

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Jürgen Zimmer vom DLR Rheinpfalz aus Klein-Altendorf nahm sich dem Thema „Neueste Entwicklungen bei den Alternativen zur chemischen Unkrautregulierung“ an. Da der Herbizideinsatz im Baumstreifen immer umstrittener wird, suchen Obstbauern wirksame Alternativen. Dazu gehören Mulchfolien, Infra-Plus-Geräte, Mulchabdeckung mit Miscanthus, Sandwichsystem und mechanische Bodenbearbeitung. Während bei Mulchfolien ein starker Mäusebesatz die gute Wirkung zunichte machen kann, ist beim Infra-Plus-Gerät eine geringe Flächenleistung, eine schnelle Regeneration der Vegetation und eine hoher Energieverbrauch beim Abflämmen zu beklagen. Positiv sei die Tatsache, dass die Blutlaus vermindert werde. Dies sei auch beim Sandwichsystem hervorzuheben.

Herbizideinsatz im Baumstreifen bleibt effizienteste Lösung

Zur mechanischen Bodenbearbeitung zählt der GrassKiller der Firma Caffini, der das Unkraut mit einem 1 000 bar Wasserstrahl beseitigt. Nachteil sei der hohe Wasserverbrauch und die Auswaschung. Eine besondere Methode ist auch der Elektroherb der Firma Zasso. Hier wird Hochspannung erzeugt, die vom Spross in die Wurzel fließt und die Pflanze zum Absterben bringt. Der Einsatz von Unterstockräumern bedeutet einen höheren Zeitbedarf, bindet Arbeitskräfte, führt zu höheren Kosten, kann Wurzelverletzungen hervorrufen, was Wurzelschosser

fördert, kann vermehrt zu Stammverletzungen führen und wirkt verdunstungshemmend. Positiv an den Unterstockräumern ohne Taster ist, dass sie mit dem Mulcher mitgeführt werden können, wie die Rollhacken und mit 10 bis 15 km/h durch die Gassen gefahren werden können. Sind Taster am Unterstockräumer kann nur mit 3 bis 4 km/h gefahren werden. Arbeiten die Unterstockräumer 5 cm tief im Boden, dann empfiehlt sich, die Bäume tiefer zu pflanzen als normal, um Wurzelverletzungen zu vermeiden. Fadengeräte arbeiten oberflächig und führen zu einer Zerkleinerung der Blätter, was zu schnellem Laubabbau führt. Eine Beobachtung der Berater ist, dass sich beim Einsatz von Fadengeräten der Grasanteil im Baumstreifen erhöht. Bei zweiseitiger mechanischer Bodenbearbeitung liegen die Kosten inklusive 15 Stunden Arbeit mit der Handhacke bei 709 Euro/ha und Jahr. Die drei Herbizidspritzungen im Jahr verursachen Kosten von 302 Euro/ha.

Zum deutlich aufgewerteten Anwenderschutz, der mit den Anwendungsbestimmungen nun bußgeldbewehrt zur Reduktion von Direktzahlungen sowie zur CrossCompliance-Relevanz führen kann, informierte Dr. Adrian Engel von der Landwirtschaftskammer NRW, hierzu hatte das LW in Ausgabe 4, Seite 10, einen Artikel.

Hilbers warb für die Teilnahme aller Obstbauern an der Apfelverteilaktion am 7. März in Fußgängerzonen: „Wir müssen verdeutlichen, dass unser heimisches Obst klimaneutral ist.“

zep – LW 9/2020