Pseudotuberkulose bei Ziegen und Schafen im Fokus

Hygiene- und Infektionsschutzprogramm in Rheinland-Pfalz

Die Pseudotuberkulose ist eine chronisch verlaufende, bakterielle Infektionskrankheit, die Ende der 1980er-Jahre in den Niederlanden und in Großbritannien entdeckt wurde und mittlerweile weltweit verbreitet ist. In Südamerika sind 80 Prozent der Ziegen betroffen, in Australien und Neuseeland hat sie zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten geführt. Auch im gesamten Bundesgebiet gewinnt die Pseudotuberkulose in den Schaf- und Ziegenbeständen immer mehr an Bedeutung. Zuchtverbände, Schaf- und Ziegenhalter sind sehr daran interessiert, die Erkrankung in ihren Beständen durch einheitliche Monitoring- und Sanierungsprogramme zu überwachen und zu bekämpfen. Elke Herborn, Tiergesundheitslotsin beim Tiergesundheitsdienst am Landesuntersuchungsamt in Koblenz, gibt einen Überblick.

Kennzeichnend für die Pseudotuberkulose sind Lymphknotenschwellungen. Abszess Buglymphknoten

Foto: Dr. Udo Moog, Tiergesundheitsdienst Thüringen

Die Pseudotuberkulose wird durch das Bakterium Corynebakterium pseudotuberculosis verursacht. Infektionen treten überwiegend bei Schafen und Ziegen, seltener auch bei Rindern, Schweinen, Pferden, Wildwiederkäuern und beim Menschen auf. Das Bakterium kann durch direkte Sonneneinstrahlung innerhalb von 24 Stunden, Temperaturen über 70° C sowie alle gebräuchlichen Desinfektionsmittel abgetötet werden. In der Umwelt bleibt der Erreger jedoch Wochen bis Monate überlebensfähig. Die Pseudotuberkulose äußert sich durch Abszessbildung in oberflächlichen und inneren Lymphknoten sowie in Organen. Bei der Ziege sind überwiegend die äußeren Hautlymphknoten befallen, beim Schaf eher die inneren Lymphknoten und die Organe. Die Krankheit verläuft chronisch und ist unheilbar. Hat sich ein Tier einmal angesteckt, bleibt es ein Leben lang infiziert. Die Krankheit führt bei Schafen und Ziegen zu Milchrückgang, Leistungsabfall, Abmagerung bis hin zum Tode und somit zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden.

Lymphknotenschwellung ist ein typisches Erkennungsmerkmal

Kennzeichnend für die Erkrankung ist eine einseitige Schwellung der paarig angelegten oberflächlichen Lymphknoten, vor allem im Bereich des Kopfes (Ohrspeicheldrüsen- und Unterkieferlymphknoten), der Schulter (Buglymphknoten), der Kniefalte sowie des Euters. Betroffen sind meist Ziegen ab einem Alter von 1 bis 2 Jahren. Die Umfangsvermehrungen reichen von Haselnuss- bis Faustgröße und können mit einer Abszessbildung einhergehen, die sich etwa zwei bis sechs Monate nach der Infektion entwickelt. Der in den Abszessen gebildete Eiter ist grau-weiß bis gelblich-grün, geruchslos, von breiiger bis fester Konsistenz, zeigt einen zwiebelartig geschichteten Aufbau und ist von einer Kapsel umgeben. Entsprechend dem Aussehen des Eiters wird die Krankheit auch „verkäsende Lymphadenitis“ genannt. Ein Großteil der infizierten Tiere zeigt keine Symptome, wodurch die Pseudotuberkulose häufig unerkannt bleibt. Hierin besteht ein hohes Infektionsrisiko für die restliche Herde. Beim Befall der inneren Lymphknoten und Organe leiden die Tiere an Schluck- und Atembeschwerden, Verdauungsstörungen sowie anderen Organfunktionsstörungen.

Ansteckung erfolgt hauptsächlich über Eiter

Brechen die Abszesse auf oder werden im Rahmen von Behandlungen gespalten, tritt massenhaft hochinfektiöser Eiter aus. Durch direkten Kontakt mit dem Eiter von Tier zu Tier, über Hautverletzungen (zum Beispiel Schur, Tätowieren, Hornstöße, Ohrkennzeichnung) oder über kontaminiertes Futter und Stalleinrichtungsgegenstände erfolgt die Infektion mit dem Erreger. Als Übertragungswege gelten zudem Körpersekrete, Milch und Kot sowie beim Lamm der Nabelstumpf. Selten kann es auch beim Mensch durch Kontakt mit infizierten Tieren zu einer Entzündung der Lymphknoten insbesondere an Hals, Achsel und Leiste kommen.

Mutterkuhhaltung:

Unfallgefahr reduzieren

Ratschläge für einen sicheren Umgang mit Rindern in der Weide- und Laufstallhaltung hat die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) veröffentlicht. Wie der Bundesträger dazu vergangene Woche in einer Presseverlautbarung betonte, birgt insbesondere die Mutterkuhhaltung eine hohe Unfallgefahr. Da der Kontakt zwischen Tier und Mensch hier weit weniger intensiv ausfalle als im Milchviehstall, reagierten die Tiere scheuer, ängstlicher und abweisender. Grundsätzlich dürfe eine Mutterkuhherde daher nur in Begleitung mindestens einer weiteren erfahrenen Person und nie ohne entsprechende Vorkehrungen betreten werden. Ein besonderes Risiko bestehe zudem, wenn ein Bulle in der Herde mitlaufe. Um Unfallgefahren einzuschränken, riet die SVLFG dazu, Weide und Laufstall mit Tieren nur in dringenden Fällen zu betreten und durch einen Zaun oder ein Absperrgitter als Barriere die notwendige Sicherheit vor plötzlichen Attacken zu schaffen. Fluchtmöglichkeiten in erreichbarer Entfernung, wie beispielsweise ein Schlepper auf der Weide und eine ausreichende Zahl an Personendurchschlupfmöglichkeiten, sollten unbedingt eingerichtet werden. Tränken und Futterstellen seien nach Möglichkeit von außen zu befüllen. Würden Kälber behandelt, müsse das Muttertier so abgetrennt werden, dass es keine Angriffsmöglichkeit bekomme (www.svflg.de).

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Das Abtasten der Lymphknoten bietet einen sicheren Nachweis

Die vorrangig durchgeführte Untersuchungsmethode ist das Abtasten der oberflächlichen Lymphknoten an Kopf, Schulter, Knie und Euter. Werden Abs­zesse festgestellt, kann eine bakteriologische Untersuchung von Abszessmaterial zum Nachweis des Erregers erfolgen. Um in einer Herde mit Infektionsgeschehen den Befund bei unauffälligen Tieren abzusichern, besteht die Möglichkeit, zusätzlich eine Blutuntersuchung auf Antikörper gegen den Erreger Corynebakterium pseudotuberculosis durchführen zu lassen. Der Befall der inneren Lymphknoten und Organe wird meistens erst bei der Schlachtung festgestellt.

Eine wirksame Therapie gibt es nicht

Die Pseudotuberkulose ist eine unheilbare Krankheit; eine wirksame Therapie gibt es nicht. Die den Abszess umgebende Kapsel verhindert, dass Antibiotika den Erreger erreichen. Eröffnung und Spülung der Abszesse bergen immer ein hohes Infektionsrisiko und sollten vermieden werden. Ist diese Behandlungsmethode jedoch unumgänglich, muss der Eiter aufgefangen werden und anschließend eine gründliche Desinfektion erfolgen. Der Einsatz von stallspezifischen Impfstoffen hat bisher keinen durchgreifenden Erfolg gezeigt.

Merzung infizierter Tiere ist einzige Bekämpfungsmethode

Die einzig effektive Behandlungs- beziehungsweise Bekämpfungsmethode liegt im Erkennen infizierter Tiere, deren Absonderung und Merzung aus der Herde. Weiterhin sind die Kontrolle des Tierverkehrs, umfangreiche Hygienemaßnahmen sowie die ständige Überwachung des gesamten Bestandes in Bezug auf das Auftreten von Lymphknotenschwellungen von äußerster Wichtigkeit. Da die Infektion vom Muttertier auf das Lamm beziehungsweise Kitz übertragen werden kann, sollte eine mutterlose Aufzucht angestrebt werden.

Monitoringprogramme haben sich bewährt

In einigen Bundes- und Nachbarländern werden bereits sogenannte Monitoring- und Sanierungsprogramme angewendet. Ziel der Programme ist der Aufbau von Pseudotuberkulose-unverdächtigen Beständen. Die Programme basieren hauptsächlich auf Bestandsuntersuchungen mittels Abtasten und stichprobenartigen Blutuntersuchungen in festgelegten zeitlichen Abständen sowie entsprechenden Sanierungsmaßnahmen bei positiven Befunden (Absonderung, Ausmerzung, Kontrolle Tierverkehr, mutterlose Aufzucht, Hygienemaßnahmen, Überwachungsuntersuchungen).

In Rheinland-Pfalz werden im Rahmen eines Hygiene- und Infektionsschutzprogrammes (CAE, Pseudotuberkulose, Paratuberkulose) von der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz Beratungsgespräche in Verbindung mit Betriebsbesuchen angeboten, die von der Tiergesundheitslotsin Elke Herborn ( 0261/9149-390), durchgeführt werden. Schaf-/Ziegenhalter und -züchter, die ihre Herden vor Infektionskrankheiten schützen und an den Programmen teilnehmen möchten, melden sich bitte bei dem Zuchtleiter Rainer Wulff, 0261/ 91593-231.

 – LW 7/2015