Satt und gesund

Rohfaserversorgung bei Sauen wichtig für gute Verdauung

Eine funktionierende Verdauung der Sauen setzt eine gewisse Menge und Qualität an Rohfaser voraus. Die Ballaststoffe sorgen für eine Darmgesunderhaltung und stärken damit die Widerstandskraft, außerdem weiten sie den Darm und legen so den Grundstein für ein gutes Futteraufnahmevermögen in der Laktation. Doch welche Rohfaserträger eignen sich für welchen Einsatz? Die freie Agarjournalistin Angelika Sontheimer, Winsen (Aller), gibt einen Überblick.

Um während der Säugezeit Verstopfung und MMA möglichst zu vermeiden, sollten die Sauen bereits in der Tragezeit mit ausreichend Rohfaser versorgt werden.

Foto: Sontheimer

Laut Schweinehaltungsverordnung müssen tragende Sauen 80 g Rohfaser/kg TS beziehungsweise mindestens 200 g Rohfaser/Sau/Tag bekommen. Dies gewährleistet das Sättigungsgefühl der sonst meist restriktiv gefütterten Sauen, sodass die Herde insgesamt ruhiger wird. Die rohfaserreiche Fütterung in der Tragezeit sichert zudem ein gutes Futteraufnahmevermögen und damit eine gute Milchleistung in der Säugezeit. Bei Aufzuchtferkeln dient die Rohfaser als Darmstabilisierer, der schwankende Energiegehalte im Futter abpuffert, die Sekretion von Verdauungsenzymen anregt und Gifte abpuffern kann.

Quellvermögen bringt Sättigungsgefühl

Qualitativ gute Rohfaser ist die Grundlage für eine gute Darmmotorik in der Schweinefütterung. Die Rohfaserträger sollen ein gutes Quellvermögen (Water Holding Capacity/WHC) haben und genügend bakteriell fermentierbare Substanz beinhalten. Die Rohfaser bringt durch das Aufquellen eine mechanische Sättigung. Einen hohen WHC-Index haben Trockenschnitzel, die 3,4 Liter Wasser pro Kilogramm binden können. Ebenfalls ein hohes Wasserbindungsvermögen haben Sojabohnenschalen mit 2,8 l/kg und Weizenkleie mit 2,4 l/kg. Zum Vergleich: Gerste hat eine Wasserhaltekapazität von 1,3 l/kg. Der Anteil der Rohfaser, die nicht im Dünndarm verstoffwechselt wurde, kann im Dickdarm teilweise von Bakterien zu Fettsäuren abgebaut werden (bakteriell fermentierbare Substanz, BFS), die über die Dickdarmschleimhaut absorbiert werden und so dem Schweineorganismus als Energielieferant dienen. Die erhöhte Dickdarmfermentation hat eine pH-regulierende, leicht saure Wirkung.

Rohfaser ist nicht gleich Rohfaser

Die Vor- und Nachteile verschiedener Rohfaserträger ergeben sich aus ihrer Zusammensetzung, da die Rohfaser ein Gemisch verschiedener Stoffgruppen ist. Unterschied die Weender Futteranalyse die Futtermittel noch in Rohasche, Rohprotein, Rohfett, N-freie Extraktstoffe und eben die Rohfaser, so ist die erweiterte Analyse nach van Soest schon wesentlich genauer. Sie unterscheidet zwischen den Zellinhaltsstoffen Rohasche, Rohprotein, Rohfett, Stärke und Zucker sowie organischem Rest und den NDF-Gerüstsubstanzen. Die NDF- (Neutral Detergent Fibre) Fraktion umfasst die Strukturkohlenhydrate der pflanzlichen Zellwand: Hemicellulose, Pektin (besser verdaulich), Cellulose sowie Lignin (schlecht verdaulich). Die ADF- (Acid Detergent Fibre) Fraktion umfasst Cellulose und Lignin (Lignocellulose). Die Differenz aus NDF und ADF ist die Hemicellulose. Die ADL- (Acid Detergent Lignin) Fraktion ist das Lignin. Dieses ist für den Schweineorganismus unverdaulich.

Klassische Rohfaserträger sind bewährt

Klassische Rohfaserfuttermittel sind Weizenkleie, Haferschälkleie, Luzernegrünmehl oder –pellets, Apfeltrester, So­jabohnenschalen oder Zuckerrüben-Trockenschnitzel, die als Komponenten in das Alleinfuttermittel gemischt werden. Sie unterscheiden sich im absoluten Rohfasergehalt, in der verdaulichen Rohfaser, in der bakteriell fermentierbaren Substanz und im Wasserhaltevermögen. In manchen Betrieben wird Heu oder Stroh zur freien Aufnahme in Raufen zugefüttert. Auch qualitativ gute Maissilage kann eine gute Rohfaserquelle sein.

In einem Versuch auf Haus Düsse der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen wurde ein positiver Einfluss von Apfeltrester beim Verfüttern in der Trage- und Säugezeit ermittelt: Die mit Obsttrester gefütterten Sauen verloren in der Laktation wesentlich weniger an Körpermasse. Sauen, die in der Trächtigkeit ihren Magen-Darm-Kanal mit viel Rohfaser trainiert haben, können in der Laktation mehr Futter aufnehmen und müssen daher weniger auf ihre Körperfettreserven zugreifen. Ein weiterer gesundheitsfördernder Effekt der „vorbeugenden“ Rohfaserfütterung ist, dass durch die gute Darmperistaltik keine Coli-Toxine ins Blut gelangen, die MMA hervorrufen können.

Als erste Kontrolle für eine gut funktionierende Verdauung der gerade abgeferkelten Sau dient der Stiefeltest: Lässt sich der Kot mit dem Stiefel gut verschmieren, dann ist er weich genug. Ist er hingegen hart und bröckelig, dann deutet dies auf Verstopfung und ungenügende Darmarbeit hin.

Konsequenzen für die Ration

Weizen und Mais haben relativ wenig Rohfaser, aber eine relativ gute Rohfaserverdaulichkeit. Roggen gehört zu den energiereicheren aber rohfaserärmeren Getreidearten.

Gerste gilt als Universalfuttermittel in der Schweinefütterung. Sie hat einen relativ hohen Anteil verdaulicher Fasern und einen hohen Anteil der limitierenden Aminosäure Methionin.

Die Hand- oder Stiefelprobe zeigt es: Die Kotkonsistenz um die Abferkelung herum muss bei Sauen leicht breiig sein.

Foto: Sontheimer

Hafer ist der Rohfaserträger unter den Getreidearten. Neben dem hohen Anteil an verdaulicher Faser, hat er viele ungesättigte Fettsäuren und Schleimstoffe, die sich positiv auf die Verdauung auswirken. Allerdings muss die Mycotoxinfreiheit gewährleistet sein, was in der Praxis nicht immer gewährleistet ist. Weizenkleie haben ein sehr hohes Quellvermögen und sind damit gute Sattmacher. Außerdem bringen sie viel bakteriell fermentierbare Substanz in den Dickdarm, bergen aber auch das Risiko von Fusariumbelastungen.

Trockenschnitzel quellen ebenfalls gut auf und weisen eine hohe BFS auf, allerdings ist ihr Ca-P-Verhältnis bei hohen Anteilen problematisch. Auch Grünmehl hat eine hohen Anteil BFS, aber auch einen sehr hohen Ca-Anteil und damit hohe Pufferkapazität, die bei der Auswahl und Zusammensetzung des Mineralfutters berücksichtigt werden muss.

Rohfaserreiche Ergänzer sind die Nebenprodukte aus der Getreideverarbeitung wie Weizenkleie, Weizengrießkleie oder Haferschälkleie.

Rohfaserkonzentrate bieten neue Möglichkeiten

Seit einigen Jahren sind auch Rohfaserkonzentrate auf der Grundlage von unlöslicher Lignocellulose aus der Holzverarbeitung am Markt. Die Hersteller beschreiben deren Hauptvorteile mit der Mycotoxinfreiheit, der geringen N- und P-Ausscheidung und dem hohen Quellvermögen. Durch die konzentrierte Rohfaser gelinge es, Rationen mit höchsten Nährstoffgehalten und gleichzeitig ernährungsphysiologisch sinnvollen Rohfasergehalten zu kombinieren. Die deutlich verbesserte Verdaulichkeit von Protein und Fett sowie die hohe Wasseraufnahme garantiere zudem eine sehr hohe Milchleistung.

Eine Einmischrate von 2 Prozent Lignocellulose ins Tragefutter ist problemlos möglich, wie Versuche an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft vor einigen Jahren zeigten. Die Ration müsse dabei in sich stimmig sein. Futteraufnahme, Tierkondition und Kotkonsistenz sind zu kontrollieren. Von der Verfütterung von Lignocellulose als alleiniger Rohfaserkomponente wird von Seiten der Bayerischen Landesanstalt allerdings abgeraten. Ein Langzeitversuch an der Landesanstalt für Schweinezucht in Forchheim mit einem Lignozelluloseprodukt zeigte eine geringere Umrauscherquote sowie mehr lebend geborene und abgesetzte Ferkel und wird mit einer besseren Sättigung und mehr Ruhe in der kritischen Phase der Einnistung der Embryonen erklärt.

 – LW 38/2014