Schädlinge und Foulspiele im Zuckerrübenanbau

Landwirte schildern Politikern in der Südpfalz die Probleme

Die Zuckerrüben im Südwesten sind krank. Von Insekten verursachte viröse und bakterielle Vergilbungskrankheiten breiten sich im Zuge des Klimawandels rasant aus. Kurz vor der Zuckerrübenkampagne trafen sich am Montag dieser Woche Landwirte, Vertreter des Zuckerrübenanbauverbandes und der Industrie sowie Politiker zu einem Hofgespräch über aktuelle Themen rund um den Rübenanbau auf dem Betrieb von Stefan Bohlender in Steinweiler, Landkreis Germersheim.

Landwirt Stefan Bohlender zeigte das Ausmaß der Schädigung in den Zuckerrüben in diesem Jahr. Blattläuse haben das Vergilbungsvirus übertragen und den Blattapparat geschädigt. Eine dreimalige Insektizidbehandlung konnte den Befall nur bedingt eindämmen. Für das nächste Jahr, wenn die Düngeverordnung greift und er 20 Prozent unter Bedarf düngen muss, weil sich die Flächen im Roten Gebiet befinden, sieht er schwarz: „Dann werde ich nur noch kranke Rüben auf dem Feld haben.“

Foto: Imke Brammert-Schröder

Stefan Bohlender ist einer der fünfzehn Landwirte, auf deren Zuckerrübenfeldern im NIKIZ-Projekt des Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauverbandes nach Lösungen für alte und neue Krankheitserreger und Insekten geforscht wird. Der Landwirt aus Steinweiler machte deutlich, dass die Zuckerrübe ein zentrales Element in der Fruchtfolge auf seinem 150 ha großen Acker- und Weinbaubetrieb ist. „Die Preissituation bei Zuckerrüben ist in den vergangenen Jahren immer schlechter geworden, und nun müssen wir seit dem Verbot der neonicotinoiden Beizen auch mit deutlichen Ertragseinbußen rechnen, weil die Rüben krank sind“, sagte er.

SBR-Erkrankung verursacht enorme Ertragsverluste

Auf seinen Feldern sind die Schäden durch Blattläuse und Schilfglasflügelzikade deutlich zu sehen: Die Blätter sind gelb und teilweise vertrocknet. Trotz Insektizideinsätzen sind die Schäden enorm. Bohlender rechnet mit einem Ertragsverlust von wenigstens 10 Prozent, außerdem wird erwartet, dass der Zuckergehalt aufgrund der SBR-Erkrankung deutlich geringer ausfällt. „Wir brauchen dringend Lösungen. Wir stehen mit dem Rücken an der Wand. In unserem Betrieb gibt es keine Alternative zur Zuckerrübe“, machte der Landwirt deutlich. Wenn die Rübe nicht mehr rentabel sei, gefährde das den ganzen Betrieb.

Dr. Georg Vierling vom Geschäftsbereich Zucker/Rüben der Südzucker AG prognostizierte, dass Trockenheit und Schädlingsbefall auf die Rübenerträge durchschlagen. Er erwartet Erträge deutlich unter dem Schnitt für einige Regionen im Anbaugebiet der Südzucker.

Foulspiel im Wettbewerb

Auf den Zuckerrübenfeldern sind die Schäden der Blattläuse und der Schilfglasflügelzikade deutlich zu sehen: Die Blätter sind gelb und teilweise vertrocknet. Trotz des Einsatzes von Insektiziden sind die Schäden enorm.

Foto: Imke Brammert-Schröder

„Die Hersteller von Rübenzucker und die Landwirte befinden sich seit dem Wegfall der Zuckerquoten in einem scharfen Wettbewerb“, erklärte er. Vierling verwies auf die Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU durch die Zahlung von gekoppelten Flächenprämien für den Rübenanbau. Hinzu kämen unterschiedliche Regelungen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.

„Wir fühlen uns gefoult“, sagte Vierling im Hinblick auf die unterschiedlichen Spielregeln. In vielen EU-Ländern sind inzwischen Notfallzulassungen für neonicotinoide Beizen für die Rübe erlassen worden – in Deutschland aber nicht. „Diese unterschiedlichen Regelungen sind nicht fair und eine echte Bedrohung für den Rübenanbau in Deutschland und damit auch für die hiesigen Zuckerfabriken.“

Nur noch fünf Wirkstoffe gegen Schadinsekten

Hinzu kommt, dass in Deutschland gerade in der Zuckerrübe viele Pflanzenschutzmittel weggefallen sind. „Für die Bekämpfung von Schadinsekten stehen nur noch fünf Wirkstoffe zur Verfügung, von denen vier eine ähnliche Wirkweise haben, was die Vorbeugung von Resistenzen erheblich erschwert“, sagte Frank Gemmer, Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands Agrar (IVA). „Wir brauchen aber einen gut gefüllten Werkzeugkasten für die Herausforderungen der Zukunft.“ Wenn die Zuckerrübe nicht mehr wirtschaftlich angebaut werden könne, fehle eine wichtige Frucht für vielfältige Fruchtfolgen. „Wir brauchen die Zuckerrübe für die Biodiversität“, mahnte Gemmer. Ansonsten würden Kulturen wie Mais, die einen geringen Pflanzenschutzaufwand benötigen, an Attraktivität gewinnen und die Fruchtfolgen würden enger statt weiter.

Freilandlabor für Folgen des Klimawandels

Mareike Schwind, Mitarbeiterin im NIKIZ-Projekt, demonstrierte, wie Schilfglasflügelzikade und Blattläuse den Blattapparat der Rübe beeinträchtigen.

Foto: Imke Brammert-Schröder

Südwestdeutschland sei das größte Freilandlabor für die Folgen des Klimawandels in Deutschland, erläuterte Dr. Christian Lang, Geschäftsführer des Verbandes der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer. „Wir haben hier im Südwesten in den vergangenen drei Jahren einen Anstieg der Durchschnitts­temperatur um 2 bis 3 °C zu verzeichnen. Das verursacht mindestens 50 Prozent mehr Schäden durch Insekten.“ Dieses Bild zeige sich jetzt auch auf den Zuckerrübenfeldern. Blattläuse und Zikaden würden in einem nie dagewesenen Ausmaß Viren und Bakterien übertragen, da sie bei den warmen Temperaturen gut überwintern und gleichzeitig ihre Vermehrung begünstigt werde.

Lang koordiniert auch das NIKIZ-Projekt, in dem seit Anfang des Jahres innerhalb eines Netzwerkes neue Lösungen für die Bekämpfung von Krankheiten und Schädlingen untersucht und erprobt werden. „Wir haben mit NIKIZ erstmals hervorragende Daten und Fakten. Aber wir brauchen noch mehr Zeit und Forschungsförderung, damit wir den Kampf um die Rübe gewinnen können“, sagte er.

Auf Poster-Darstellungen und im Zuckerrübenfeld von Stefan Bohlender konnten die NIKIZ-Mitarbeiter den interessierten Gästen aus Politik und Gesellschaft die Ursachen der Vergilbung der Zuckerrübenblätter anschaulich erläutern. Der Ertrag wird dadurch um bis zu 45 Prozent vermindert, je nach Stärke des Schädlingsbefalls.

Andy Becht, Staatssekretär im Mainzer Landwirtschaftsministerium, sagte: „Wir brauchen eine vernünftige Strategie, um auf die Krankheitssymptome in den Rüben zu reagieren.“ Der FDP-Politiker machte keinen Hehl daraus, dass er über das Verbot der Neonic-Beizung des Zuckerrübensaatguts nicht glücklich ist. Sein Ministerium unterstütze die Notfallzulassung einer insektiziden Beizung in Zuckerrüben. Und auch die anderen Politiker, die Bundestagsabgeordneten Johannes Steininger (CDU) aus Bad Dürkheim und Thomas Hitschler (SPD) aus Hainfeld, sowie der SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Alexander Schweitzer, sagten ihre Unterstützung für die Anliegen der Zuckerrübenanbauer zu.

ibs – LW 39/2020