Schwälbchen behauptet sich gut

Berz-List: Branche wegen der Milchkrise im Crashtest

Die Schwälbchen-Molkerei hat sich im Geschäftsjahr 2015 gut behauptet. Der Umsatz ging zwar – preisbedingt – um 13,5 Prozent auf 91,8 Mio. Euro zurück, der Jahresüberschuss nach Steuern lag jedoch fast auf dem Vorjahresniveau bei 1,72 Mio. Euro. Wie Firmenchef Günter Berz-List dem LW vergangene Woche in einem Gespräch erläuterte, zahlte die Molkerei ein Milchgeld von im Schnitt 30,3 Cent je Liter bei 4 Prozent Fett und 3,4 Prozent Eiweiß. Sie lag damit nach eigenen Angaben über dem Umfeld in der Region. Im vergangenen Jahr verarbeitete Hessens größte Privatmolkerei 135,8 Mio. Kilogramm Milch. Sie wird von über 300 Erzeugern beliefert.

Schwälbchen setzt auf Regionalität und intensives Marketing. Das neueste Produkt aus dem Hause ist die Grüne Soße, die laut Unternehmenschef Günter Berz-List sehr gut vom Handel aufgenommen wurde.

Foto: Mohr

Berz-List führt das gute Geschäftsjahr auf die seit Jahren verfolgte, konsequente Sortimentsarbeit zurück. Ziel ist es dabei, höchstmögliche Wertschöpfung aus der verarbeiteten Milch zu erzielen. Diese Strategie, die zum Teil mit hohem Werbe- und Marketingaufwand gestützt wird, basiert nach seinen Worten auf vier Säulen:

  • die Grüne Linie, in der insgesamt 70 Milch-, Sahne-, Schmand-, Quark- und andere Frischeprodukte in grüner Verpackung mit regionalem Bezug vermarktet werden,
  • die Caffreddo Milchkaffee-Produkte, die überregional vertrieben werden und den Lifestyle junger Menschen ansprechen,
  • ethnische Produkte wie den türkischen Joghurt und Ayran, die ein wachsendes Segment bedienen und keineswegs nur von türkischstämmigen Verbrauchern nachgefragt werden
  • und schließlich der Großverbraucherbereich mit Milchfrischeprodukten in großen Gebinden. Diese werden durch die Frischdienst GmbH Mainz, die zur Schwälbchen-Unternehmensgruppe gehört, vertrieben. Der Vorteil: die Schwälbchen-Produkte werden direkt an den Endkunden verkauft, die Handelsspanne bleibt im Konzern: „Da haben wir die vertikale Wertschöpfungskette im Griff“, sagt Berz-List.

Der Umsatzanteil der Produkte aus diesen vier Säulen ist weiter gestiegen und liegt laut Berz-List bei rund 70 Prozent. Die restlichen Milcherzeugnisse werden im Lebensmitteleinzelhandel auch unter den Handelsmarken verkauft. Ein Teil geht auf den Spotmarkt.

98 Prozent der Verarbeitungsmilch kommt von eigenen Erzeugern. „Das schafft Glaubwürdigkeit in unserer auf Regionalität ausgerichteten Strategie“, sagt der Molkereichef. Es gebe auch Qualitätsvorteile gegenüber Zukaufsmilch, weil die Milch von eigenen Erzeugern bei zweitäglicher Abholung schneller in der Verarbeitung sei und der S-Klasse-Anteil bei 90 Prozent liege.

Wettbewerbsfähige Auszahlung

„Das Unternehmen hat die Milcherzeuger im vergangenen Geschäftsjahr auf die gute Reise mitgenommen“, sagt Berz-List. Aufgrund des großen Milchangebots und des hohen Preisdrucks ist allerdings auch das Milchgeld der Schwälbchen-Molkerei rückläufig. Im April lag es bei 27 bis 28 Eurocent. Das sei zwar unbefriedigend, im Vergleich mit anderen Molkereiauszahlungspreisen aber noch gut, sagt Berz-List. Auch er sieht, wie viele andere Marktbeobachter, derzeit keine Signale für eine Marktbesserung. Anders als die große Krise im Jahr 2009 dauere die derzeitige schon über ein Jahr an. „Auch die nächsten Monate werden schwer. Das wird ein Crashtest für die Branche“, befürchtet der Unternehmenschef.

Sorgen bereiten ihm insbesondere die großen Milchmengen (-äquivalente) aus dem Ausland. Allein in Irland habe die Milchmenge im vergangenen Jahr um 17 Prozent zugenommen, im ersten Quartal 2016 wurden sogar 34 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal mehr produziert. In der Schwälbchen-Molkerei hat die Milchmenge im ersten Quartal 2016 um 1,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zugenommen. Das sei noch beherrschbar, sagt Berz-List.

Wertschöpfung erhöhen, Sortiment fortentwickeln

Der Diplom-Kaufmann will weiter die Wertschöpfung erhöhen und das Sortiment entsprechend fortentwickeln. Ein Coup ist dem Unternehmen mit der seit September auf dem Markt befindlichen Grünen Soße gelungen. Sie sei schnell und sehr breit vom Handel aufgenommen worden. Grüne Soße, die Grüne Linie und Regionalität, das passe gut zusammen. Das Milchgetränk Caffreddo (ein Fünftel Espresso, vier Fünftel Milch), das wegen des Koffeingehalts nur für Erwachsene geeignet ist, bekommt außerdem mit Cioccolata ein schokoladenhaltiges Pendant, dass auch von Kindern konsumiert werden kann.

„Das einzige Manko bei den Produkten ist die Wetterabhängigkeit“, sagt Berz-List. Caffreddo und Ayran würden besonders stark dann nachgefragt, wenn es heiß ist. „Der Sommer vergangenen Jahres war hervorragend.“ Den kalten April allerdings habe er zu spüren bekommen. Aufgrund des Einflusses der Saison auf den Mengenabsatz und damit auf die Verwertung, könnte sich Berz-List eine temporäre freiwillige Anpassung der Milchanlieferung durchaus vorstellen. Eine Kompensation für den Erzeuger könnte sich gegebenenfalls günstiger gestalten, als der Verkauf der Milch zu niedrigen Preisen auf dem Spotmarkt.

Unterdessen setzt Schwälbchen weiter auf die Verbesserung von Produktionsabläufen und der Qualität. Dafür werden in diesem Jahr 1,7 bis 1,8 Mio. Euro investiert, beispielsweise in Prozesstanks. Demnächst steht eine Tourenoptimierung für die Milchwagen an, die sich an die Entwicklung der Milchmengen in den Regionen anpasst. Diese haben sich in den letzten Jahren im Schwalm-Eder-Kreis, Waldeck-Frankenberg und Werra-Meißner erhöht, während die Anlieferung aus dem Taunus, Westerwald und Vogelsberg etwas schwächer geworden ist.

CM – LW 19/2016