Erhebliche Anstrengungen in der Öffentlichkeitsarbeit notwendig

Rhein-Pfalz-Kreis sieht Defizite in Kommunikation

Nicht wie gewohnt in Mutterstadt, sondern im virtuellen Raum fand erstmals die Jahreskreisversammlung Rhein-Pfalz im Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd statt. Kreisvorsitzender Johannes Zehfuß begrüßte Werner Schwarz, den Vizepräsidenten des Deutschen Bauernverbandes aus Schleswig-Holstein. Er sprach zum Thema „Hört das denn nie auf? Wie gehen wir mit der Dauerkritik um?“

Knapp 60 Teilnehmer haben sich zur BWV-Jahreskreisversammlung Rhein-Pfalz über Webex zugeschaltet. Werner Schwarz (oben Mitte) referierte über den Umgang mit der Dauerkritik.

Foto: Setzepfand

„Ein Jahr Corona – das hat viele Vorgänge auf den Kopf gestellt. Für uns auf den Betrieben war die Sorge um die Verfügbarkeit der Saisonarbeitskräfte immens“, sprach Zehfuß den Teilnehmern aus dem Herzen. Die Erweiterung der 70-Tage-Regelung auf 115 Tage habe die Lage entspannt. Die Betriebe seien außerordentlich professionell an die Corona-Bewältigung herangegangen und haben die Hygienemaßnahmen und Unterkunftsregeln umgesetzt. Unter der Plattform „Daslandhilft.de“ seien auch branchenfremde arbeitswillige Bürger in die Betriebe gekommen, die neben der Arbeitserledigung einen Einblick in „unser“ Lebensumfeld erhielten.

Drei trockene Sommer – Bewässerung läuft

Ein herzliches Dankeschön richtete Zehfuß an den Beregnungsverband der Vorderpfalz, der auch im dritten Trockenjahr für eine funktionierende Bewässerung sorgte. „Dass wir hier in der Vorderpfalz auch nach der Binnendifferenzierung keine Reduktion der Roten Gebiete erzielen konnten, das war vorhersehbar“, bemerkte Zehfuß. Neben der Düngeverordnung drücke die Insektenschutzverordnung, die einer faktischen Enteignung gleichkomme, auf die Schultern der Landwirte. Zwar habe man Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner an seiner Seite, die das Thema zur Ländersache delegierte, doch ob dies hilfreich sein werde, bleibt abzuwarten.

Schließlich habe sich die rheinland-pfälzische Landesregierung in Schweigen gehüllt beim Thema Insektenschutzverordnung, ganz im Gegensatz zum Grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg oder dem SPD-Ministerpräsidenten Stephan Weil in Niedersachsen. Noch habe die Landesregierung unter Minister Wissing Zeit, sich hier auf Landesebene positiv für die heimischen Landwirte einzusetzen.

Das Thema Insektenschutz zeige auch, dass erhebliche

Anstrengungen in der Öffentlichkeitsarbeit notwendig sind, um die Verbraucher und Bürger mitzunehmen. Eine Gelegenheit ergebe sich in Corona-Zeiten ständig, wenn Bürger auf den Wirtschaftswegen unterwegs sind und sich sportlich betätigen. „Auch hier gilt: mit gegenseitiger Rücksicht ist der Weg breiter“, betonte Zehfuß. Es habe viele Kollegen geärgert, dass die höheren Kosten durch Corona in keiner Weise an den Lebensmitteleinzelhandel (LEH) weitergegeben werden konnten, dass im Gegenteil manche Händler noch mit Preisnachlässen reagiert haben. „Das ist unfassbar“, so Zehfuß.

Margen bei Fleisch auf 22 Prozent gefallen

Auch die Aktion von Lidl, für ein Kilogramm Schweinefleisch, ein Euro mehr von den Verbrauchern zu verlangen, wurde bald eingestellt, mit der Begründung, dass dies von den Verbrauchern nicht angenommen wurde. „Wie weit müssen wir noch fallen? Von 1950 bis 1954 haben Landwirte an einem Kilogramm Fleisch 66,8 Prozent verdient. Im Jahr 2018 waren es noch 22 Prozent. Von solchen Margen kann keiner langfristig leben. Die Grenzen der Belastung sind erreicht“, sagte Zehfuß. Zwar würden nun mit den UTP-Richtlinien Lösungen gesucht, doch nur durch eine mediale Kampagne könne die Gesellschaft mitgenommen werden.

„Hört das denn nie auf? Wie gehen wir mit der Dauerkritik um?“ fragte Schwarz und gab gleich die schonungslose Antwort: „Nein, es wird nicht aufhören!“ Die Kritik an der Haltung der Tiere, am Pflanzenschutz und an der Düngung zeige, dass die Gesellschaft andere Themen nicht beschäftige, wie Hunger. „Wir leben in einer Gesellschaft, die laut nach Tierwohl und Naturschutz schreit, aber stets auf der Suche nach den billigsten Produkten ist. Doch wir können uns die Gesellschaft, in der wir leben nicht aussuchen. Daher müssen wir die Frage umformulieren: Wie gehen wir richtig mit der Dauerkritik um?“ argumentierte Schwarz.

Einst war Landwirtschaft eine Geschichte des Kreislaufes. Der Landwirt lebte in Symbiose mit Pflanzen und Tieren und bot beiden Schutz, dafür bekam er die Nahrungsmittel. Dass die Menschen in den Städten die Zusammenhänge der Natur nicht mehr kennen, zeigt, wie erfolgreich die Landwirte gewirtschaftet haben. „Der Bürger hat den Erfolg geerntet, indem er heute nur noch 10 Prozent seines Einkommens für Lebensmittel ausgeben muss und nicht wie einst 60 Prozent“, so Schwarz. Es werde immer Bürger geben, die stets Kritik üben und solche, mit denen sachlich diskutiert werden kann. „Auch wir Landwirte haben über die Jahrzehnte mit mancher technischen Entwicklung die Achtung und den Respekt vor der Natur verloren. Wir haben Defizite. Und wir wollen mehr für Tier- und Wasserschutz tun“, bekräftigte Schwarz. Doch jeder Landwirt erzielt sein Einkommen aus Lebensmitteln, die viel zu billig sind, sodass keine Mittel mehr für Tier- und Wasserschutz zur Verfügung stehen, sodass Höfe aufgeben müssen.

Die Natur achten und respektieren

„Es geht nicht ohne uns, doch wie geht es mit uns?“ fragte Schwarz. Er zeigte sich überzeugt, dass die Zukunftsdiskussion darum gehen müsse: Wie sieht die richtige Anwendung von Pflanzenschutzmitteln aus, um den Artenschutz einzuhalten? Wie sieht die richtige Düngung aus, um das Wasser zu schützen? Das sei kein leichter Weg, so Schwarz, aber es sei ein gangbarer Weg. Der Niedersächsische Weg führe zu mehr Naturschutz und mehr Erlösen auf den Betrieben, das sei zu verbinden. Auch das Borchert-Papier hält Schwarz für eine sehr gute Grundlage, die eventuell auch auf andere Bereiche in der Landwirtschaft zu übertragen ist. Dass NGOs, Landwirtschaft und die Politik gemeinsam einen Weg finden möchten, dass sei einzigartig.

Dem Landwirt auf seiner Scholle riet Schwarz: „Niedrige Kosten und das frühzeitige Erkennen von Marktchancen bleiben Erfolgsfaktoren.“ Die Diskussion werde bleiben. Als Teil des natürlichen Kreislaufes müsse der Landwirt die Natur achten. Dann könne jeder Betrieb auch mit der Natur bei den Verbrauchern punkten. „Und schließlich müssen wir anfangen unsere Geschichten selbst zu erzählen.“

Dem stimmten die Landwirte mit applaudierenden Symbolen am Bildschirm zu. Hartmut Magin aus Mutterstadt regte an, dass man auch in den Sozialen Medien Agrarscouts einführen sollte, die die Diskussionen leiten. Martin Steig aus Mutterstadt bemerkte, dass die Landwirtschaft viel zu lange den Discountern die Kommunikation überlassen habe. Georg Riede regte ein Revival der CMA an. Schwarz sieht das Borchert-Papier, den Deutschland-Bonus und eine Werbung für deutsche Produkte als Lösungsansätze: „Der Deutsche Bauernverband startet gerade die Branchenkommunikation Milch, das könnte dann auch auf andere Produkte übertragen werden.“

WAHLEN

In den Kreisvorstand wurden gewählt

Bei der Wahl der Hälfte des Kreisvorstandes wurden auf vier Jahre gewählt: Rainer Holzwarth aus Mutterstadt, Armin Kreiselmaier aus Hochheim, Jürgen Langenstein aus Bobenheim-Roxheim, Steffen Ott aus Kleinniedesheim, Georg Riede und Peter Roß aus Frankenthal sowie Tim Ballreich aus Dudenhofen.

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zep – LW 9/2021