Sorgenvoller Blick auf Berlin und Straßburg

Als im Grunde konservativer Mensch und als langfristig denkender und von stabilen Verhältnissen abhängiger Unternehmer schaut der Landwirt mit großer Sorge auf Berlin und Straßburg. Hier ist es nicht sicher, ob die große Koalition nach dem Rückzug von Andrea Nahles und wegen der quälenden Orientierungssuche der SPD Bestand haben wird. Dort sind nach den Verlusten der konservativen und christdemokratischen Parteien und der Sozialdemokraten bei der Europawahl die Mehrheiten im EU-Parlament schwieriger zu organisieren. In beiden Fällen hat die Sorge vor allem in dem Erstarken der Grünen und der von ihnen getragenen Politik ihre Ursache. Im Bund haben sie bei Umfragen teilweise eine höhere Zustimmung als die Union. Für die Landwirtschaftspolitik wird dies Folgen haben. Denn auch wenn die SPD im Regierungsboot bleiben sollte, so nimmt der Druck zu, Themen, mit denen derzeit fast nur die Grünen punkten, noch stärker zu berücksichtigen. Das betrifft vor allem den Klimaschutz, aber auch die Umwelt- und Tierschutzpolitik, die zudem aus Sicht der Grünen stärker in die Ausgestaltung der künftigen Gemeinsamen Agrarpolitik einfließen sollen.

Beim Klimaschutz ist der Druck besonders hoch, weil hier weite Bevölkerungsteile schnelle Entscheidungen und einschneidende Maßnahmen wünschen. Mit dem Argument, dass diese auch irgendwie wirtschaftsverträglich sein müssen und sie nur im internationalen Gleichschritt funktionieren, kann man derzeit nicht bestehen. Es herrscht deshalb auch die Sorge, dass eine Politik ohne Rücksicht auf Verluste die Oberhand gewinnt.

Sorge besteht aber auch, dass dringend nötige Entscheidungen in Berlin durch die auseinandertriftende Koalition weiter auf sich warten lassen. Das betrifft beispielswiese die Verordnung zum Kastenstand, zu der Landwirtschaftsministerin Klöckner jetzt endlich einen Entwurf vorgelegt hat, oder die von der EU-Kommission geforderte Verschärfung der Düngeverordnung. Eine entscheidende Frage ist, ob die heimische Landwirtschaft bei den zunehmenden Anforderungen wettbewerbsfähig bleiben kann oder sich die Erzeugung von Lebensmittel ins Ausland verlagert.

Cornelius Mohr – LW 23/2019