Stallbesuch vom Sofa aus

Agrarbloggerin Lena Hennig informiert über Landwirtschaft

Seit gut zweieinhalb Jahren informiert Agrarbetriebswirtin Lena Hennig aus Großenlüder (Kreis Fulda) Interessierte über das Leben und Arbeiten auf dem Bauernhof – und zwar über ihren Agrarblog. Das LW hat sich mit ihr über ihre Erfahrungen als Agrarbloggerin unterhalten.

Für ihren Blog sind Lena Hennig anschauliche Bilder und kurze erklärende Texte wichtig.

Foto: privat

LW: Frau Hennig, Sie betreiben auf der Homepage des landwirtschaftlichen Betriebes Ihres Partners einen Stall-Blog. Wie sind Sie auf das Bloggen gekommen?

Lena Hennig: Meinem Partner Michael Faust und mir war es wichtig, Öffentlichkeitsarbeit in Bezug auf unseren landwirtschaftlichen Hof zu betreiben. Wir wollten Interessierten zeigen, wie ein Ferkelerzeugerbetrieb funktioniert, was es bedeutet Landwirt zu sein, wie auf einem Hof gearbeitet und gelebt wird. Über Facebook wollten wir dies zunächst nicht tun. Wir hatten den Eindruck, dass hier eher Privates gepostet wird.
Uns war es anfangs wichtig, eine gute Homepage mit vielen fachlich fundierten Informationen zu entwickeln. Wir führen zwar auch immer wieder Feldrandgespräche mit Verbrauchern, aber die reichen oftmals nicht aus, um schwierige oder auch mal brenzlige Themen in ihrer Komplexität zu erklären. Wir haben erfahren, dass die Gemüter dabei manchmal so erhitzt sind, dass wir auf keine gute Kommunikationsebene kommen konnten. An dieser Stelle können wir jetzt auf die Homepage verweisen und sagen: `Machen Sie sich ein eigenes Bild von unserer Arbeit! Wenn noch etwas unklar ist, sprechen Sie uns noch einmal an!´
Außerdem kann man auf einem Schweinebetrieb aus hygienischen Gründen nicht spontan Interessierte gruppenweise durch den Stall führen. Über unsere Homepage können wir in Bildern, Videos und mit Texten zeigen und erklären, wie es bei uns aussieht und was wir machen. Das ermöglicht quasi den Stallbesuch vom Sofa aus.

LW: Bieten Sie denn auch Hofbesuche an?

Hennig: Ja, das machen wir auf Anmeldung. Es kommen aber wenig Anfragen, und die sind dann in der Regel von Gruppen oder Vereinen aus der näheren Umgebung. Niemand nimmt weite Wege in Kauf, um sich einen Stall von innen anzusehen. Aber abends vom Sofa aus, wenn man sowieso im Internet ist, klickt man auch schon mal auf die Informationen im Blog.

LW: Haben Sie einen Ãœberblick, wie viele das nutzen?

Hennig: Wir haben keinen Klickzähler installiert. Aber wir wissen, dass das Angebot mehr genutzt wird, wenn wir die Seite auf Veranstaltungen aktiv bewerben oder an anderen Stellen darauf hinweisen. Wir verkaufen ja keine Produkte über unsere Seite. Es geht nur um unser Image.

LW: Mittlerweile gibt es drei Teile in Ihrem Blog, und zwar Tierhaltung, Ackerbau und Märkte. War das von Anfang an so?

Hennig: Nein, das war ein Prozess. Die Webseite habe ich alleine aufgebaut, ohne große IT-Vorkenntnisse.

LW: Wie kamen sie dennoch damit zurecht?

Hennig: Ich habe mir viele ähnliche Seiten im Netz angeschaut und aus dem, was mir gefallen hat, ein eigenes Konzept kreiert. Einfach, übersichtlich und gradlinig – das war mir dabei wichtig. Ich habe mit einem allgemeinen Blog angefangen. Als ich den Eindruck hatte, es wird zu unübersichtlich, kamen Schritt für Schritt die Untergliederungen.

LW: Worauf kommt es beim Agrar-Bloggen an?

Hennig: Es ist hilfreich, dass ich ursprünglich nicht aus der Landwirtschaft komme. Mein Freund liefert den fachlichen Input und ich versuche diesen dann, einfach und verständlich für jeden, herunterzubrechen. Man bewegt sich ansonsten zu sehr im fachlichen Jargon, den der Verbraucher nicht versteht.
Mein Tipp: Was man geschrieben hat, sollte man immer jemandem zum Gegenlesen geben, der nicht aus der Landwirtschaft kommt. Derjenige muss alles verstehen, ansonsten heißt es: umformulieren, bevor man dies online stellt!

LW: Wie wichtig sind Bilder?

Hennig: Es geht nur mit vielen Bildern. Wir versuchen das Verhältnis Text zu Bild möglichst gleich zu halten. Was besonders gut ankommt, sind Bilder, auf denen auch Text steht.

LW: Wie sind Sie beim Bloggen vorgegangen?

Hennig: Anfangs haben wir versucht, den Blog regelmäßig mit Inhalten zu füllen. Da stößt man dann aber irgendwann an Grenzen. Wir wollten kontrovers diskutierte und anspruchsvolle Themen präsentieren. Die hat man nach einer gewissen Zeit abgedeckt. Daher haben wir uns dann doch entschieden, auch zu Facebook zu gehen. Anfangs nur, um auf die Webseite aufmerksam zu machen. Aber über Facebook erreichen wir auch die jüngeren Generationen. Daher poste ich nun regelmäßig über diesen sozialen Kanal. Dabei ist unser Ziel, über Facebook ein gutes Gefühl zu verkaufen.

LW: Das bedeutet?

Hennig: Wir sind auf Facebook gar nicht mehr so fachlich unterwegs – dafür haben wir ja die Blogeinträge auf der Webseite –, sondern wir liefern ansprechende Bilder aus dem Stall, von den Tieren und auch von uns.
95 Prozent der deutschen Verbraucher reicht es aus, wenn sie ein gutes Gefühl in Bezug auf den Landwirt haben, der die Produkte letztendlich für sie produziert. Den kritischen Rest sprechen wir auf unserem Blog an.

Betrieb Faust

Landwirtschaftlich geführter Familienbetrieb mit 350 Zuchtsauen und Ferkelaufzucht sowie Ackerbau in Großenlüder (Kreis Fulda). Der Betrieb wird von Senior-Betriebsleiter Martin und Junior-Betriebsleiter Michael Faust geführt. Zusätzlich ist eine Arbeitskraft in Vollzeit beschäftigt. Mithilfe auf dem Betrieb durch Ehefrau Marita Faust und Lebensgefährtin Lena Hennig (30, Agrarbetriebswirtin), die Teilzeit beim Amt für Umwelt, Naturschutz und ländlichen Raum in Gelnhausen arbeitet.

Jährlich werden ein bis zwei Lehrlinge auf dem Betrieb zum Landwirt ausgebildet.

Adresse zum Stall-Blog auf der Website: www.danzucht-faust.jimdo.com/stall-blog

Facebook: www.facebook.com/DanzuchtFaustFerkelerzeuger

LW: Was sind typische Themen in Ihrem Blog?

Hennig: Themen, die von der Gesellschaft oftmals kritisch beäugt werden, wie das Kupieren der Ferkelschwänze, das Kastrieren oder die Kastenstandhaltung. Ich blogge auch über das, was wir über das Normalmaß hinaus an Tierwohl machen, beispielsweise wenn wir Heuraufen mit einbinden. Auch das Thema regionale Vermarktung ist uns wichtig, damit der Verbraucher sieht, für wen wir eigentlich produzieren.

LW: Gibt es kritische Stimmen?

Hennig: Kritik gibt es auch. Das gehört wohl dazu. Die bezieht sich aber nicht auf uns persönlich, sondern dabei geht es grundsätzlich um die Haltung von Schweinen. Man wird durchaus mit schwarzen Schafen über einen Kamm geschoren, mancher lässt seinen Frust bei uns ab oder man hat es mit Tierschutzaktivisten zu tun, die überhaupt nicht bereit sind, zu diskutieren. Aber es gibt Strategien, mit denen man diese Kritik aushebeln kann. Auf diese sind wir schnell gekommen.
Wir stellen uns nicht hin und sagen, dass bei uns alles super ist und wir nur das Beste machen. Sondern wir schauen uns die Themen und die Produktion selbstkritisch an und können dann beispielsweise damit argumentieren, dass es so, wie es jetzt ist, Standard ist und wir im Moment nur das leisten können. Wir sagen, dass wir auch Kompromisse eingehen müssen, um letztendlich Politik, Gesellschaft und unserem eigenen Leben gerecht zu werden. So vorgegangen, stoßen wir auf fast keine Widersprüche. Wir werden verstanden.

LW: Wie viel Zeit kostet das Bloggen und Posten?

Hennig: Es ist wichtig, schnell gute und ansprechende Fotos machen zu können. Das fällt mir zum Glück leicht. Für den Blog auf der Internetseite investiere ich etwa fünf Stunden in der Woche. Für Posts auf Facebook, wenn schon Ideen da sind, benötige ich eine Stunde in der Woche. Das geht schnell.

LW: Sind Sie gut vernetzt?

Hennig: Ja. Vernetzung finde ich sehr wichtig – und zwar nicht nur nach außen, sondern auch in den eigenen Reihen unter den Bloggern. Durch Erfahrungsaustausch erarbeiten wir uns diesen Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und was dabei alles möglich ist. Gerade Seiten wie `Bauernwiki – Frag doch mal den Landwirt´ sind schon sehr bekannt. Anfangs hat uns Bauernwiki mal vorgestellt und die Klickzahlen gingen auf unserer Webseite immens hoch. Davon profieren alle in puncto Öffentlichkeitsarbeit.
Außerdem gibt es mittlerweile ein jährliches Agrarbloggertreffen, das wir für Austausch und Weiterentwicklung nutzen.

LW: Ihre Tipps für Einsteiger ins Bloggen!

Hennig: Man sollte sich viele vorhandene Beispiele ansehen und daraus eine eigene Philosophie fürs Bloggen entwickeln. Außerdem hilft eine gute Vernetzung, damit man sich bei Schwierigkeiten von anderen Hilfe und Unterstützung holen kann.

LW: Haben Sie vor, Ihre Öffentlichkeitsarbeit auch noch auf andere Kanäle, zum Beispiel Instagram, auszuweiten?

Hennig: Ich hatte schon mal über Instagram nachgedacht. Aber das ist eine reine Bildsprache. Landwirtschaftliche Bilder ohne Text finde ich persönlich schwierig. Deshalb bleiben wir zunächst bei den beiden sozialen Medien Webseite und Facebook. Wie sich das weiterentwickelt, müssen wir abwarten. Wir wollten anfangs ja auch nichts auf Facebook machen und sind dort jetzt doch regelmäßig aktiv.
Wichtig ist uns, vor Ort Öffentlichkeitsarbeit zu machen, noch wichtiger als im World Wide Web oder deutschlandweit unterwegs zu sein. Das ist gut für die Vernetzung, aber wichtig ist die Öffentlichkeitsarbeit vor der eigenen Haustür.

LW: Was unternehmen Sie vor Ort?

Hennig: Zum einen das Angebot der Stallbesichtigung oder dass wir bei der Aktion Pflanzenschützer mitmachen und jedes Jahr am Feld ein Hinweisschild aufstellen zu dem, was wir machen. Zum anderen informieren wir beispielsweise die betreffenden Haushalte in der Zeit des Mähdruschs darüber, wann wir dreschen und dass man Türen und Fenster besser geschlossen halten sollte, da es staubig werden könnte. Dazu werfen wir entsprechend bedruckte Postkarten in die Briefkästen. Das kommt gut an, auch wenn es dann immer noch mal jemanden gibt, der kritisiert, warum wir vor seiner Haustür noch mit dem Mähdrescher fahren müssen.

Die Bloggerin schaut nach den Tieren und zeigt, wie es im Stall aussieht.

Foto: privat

LW: Ihr bisheriges Fazit zu Ihrer Art der Öffentlichkeitsarbeit?

Hennig: Über den Blog und über Facebook erreichen wir Interessierte rund um die Uhr und konnten schon viele Fragen beantworten und Dinge klarstellen. Aber eine Homepage kann noch viel mehr. Sie ist ein Alleskönner, also nicht nur, um damit Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Wir nutzen die Seite auch zur Mitarbeiter- oder Lehrlingswerbung. Ein Interessierter kann sich jederzeit ein Bild davon machen, wo er künftig arbeiten würde. Auch wenn wir mit Firmen in Kontakt sind, geben wir gerne die Homepageadresse weiter. Die Firmen können sich dann vorab informieren, was sie bei uns erwartet oder welches Stallsystem wir haben.

LW: Raten Sie anderen, auch zu bloggen?

Hennig: Öffentlichkeitsarbeit in der Landwirtschaft ist ein sehr wichtiges Thema in der heutigen Zeit. Das haben schon viele, aber noch nicht alle, Landwirte erkannt. Aber niemand sollte sich Stress machen und denken, ohne Facebook oder Stall-Blog ginge es nicht. Nicht jeder Betrieb muss eine Webseite haben oder auf Facebook posten. Wer sich nicht damit auskennt, wer sich vor dem Aufwand scheut, selbst eine Seite aufzubauen, oder wer sich selbst nicht in den sozialen Medien zeigen möchte, kann sich mit anderen vernetzen oder bestehende Netzwerke, die gute Öffentlichkeitsarbeit betreiben, unterstützen. Es gibt beispielsweise das Young Farmers Forum (youngfarmersforum.de/) für junge Landwirte. Das zielt darauf ab – mit dem Beitrag, den man dort leistet (50 Euro/Jahr) – das `Forum Moderne Landwirtschaft´ zu unterstützen. Ähnlich hat früher die CMA Öffentlichkeitsarbeit betrieben.
Gute Öffentlichkeitsarbeit vor Ort funkioniert nach wie vor über Gespräche mit Verbrauchern, über Hoffeste und Hofbesuche. Und das machen viele Landwirte. Es gibt also viele Chancen für den Berufsstand, mit den Verbrauchern ins Gespräch zu kommen. Wir müssen sie nur nutzen.
Das Interview führte Stephanie Lehmkühler – LW 39/2017