Stress für Kälber minimieren

Zukunft Milch fand in Alsfeld statt

Um die Kuh- und Kälberfütterung, Zucht und optimale Tierbetreuung von Rindern ging es bei der Tagung Zukunft Milch, die vorvergangene Woche in der gut besetzten Hessenhalle in Alsfeld stattfand.

Welche genetischen Voraussetzungen eine Kuh mitbringt, dazu kann die genomische Zuchtwertschätzung wichtige Informationen liefern. Die Daten können auch zur Optimierung des Managements des jeweiligen Tieres genutzt werden.

Foto: landpixel

Tipps rund um die Erzeugung und Fütterung von Maissilage gab Dr. Frank Loof, Pioneer Deutschland. Für die Senkung der Futterkosten solle man den Blick auf solche Futtermittel in der Ration richten, die je kg einen hohen finanziellen Wert haben und gleichzeitig in großen Mengen eingesetzt werden, sagte er. „Die kleinen Säckchen mit Zusatzfuttermitteln machen nicht den entscheidenden Kostenblock aus, sondern Massenfuttermittel wie Mais- und Grassilage.“

Den richtigen Erntezeitpunkt finden

Ziel sei es deshalb, einen hohen TS-Ertrag bei Mais vom Feld zu holen und dabei eine hervorragende Futterqualität durch ausgereifte Kolben bei vitaler Restpflanze zu erreichen. „Häckseln Sie den Mais erst, wenn kein Stärkezuwachs mehr zu erwarten ist“, sagte er. Bis zu 250 Euro je ha Verlust entstünden durch entgangenen Stärkezuwachs bei vorzeitiger Silierung. Wichtig bei der Ernte sei der Aufschluss des Maiskorns. „Je mehr Maissilage in der Ration ist, je höher die Milchleistung und damit Futteraufnahme im Betrieb ist und je stärker der Mais im Feld abgereift ist, desto besser muss die Körnerzerkleinerung sein“, sagte Loof. Die Hülle des Maises müsse in mindestens vier Teile geteilt oder besser zerrieben werden, damit die Stärke gut verdaut werden kann. „Bestehen Sie darauf, dass der Häcksler langsam fährt und die Körner richtig zerkleinert, sonst verlieren Sie viel Geld“, riet er. Er erläuterte in diesem Zusammenhang die Vorteile des weicheren Zahnmaises im Vergleich zum Hartmais. Ersterer lasse sich aufgrund der Weichheit vom Häcksler besser cracken und die mehlige Stärke im Zahnmais sei im Pansen zudem schneller verdaulich als die glasige Stärke des Hartmaises. Für die Fütterung von Rationen mit sehr hoher Verdaulichkeit sei zudem die Kenntnis der Abbauraten von Kohlehydraten, Rohprotein und der Faserfraktion unerlässlich. Was in vielen Betrieben noch zu kurz ausfalle, sei die Silierdauer. „Sie liegt idealerweise bei sechs Monaten“, so Loof. Die Silierdauer übe einen wesentlichen Einfluss auf die Stärkeverdaulichkeit im Pansen aus, diese steige mit zunehmender Silierdauer.

Genomische Zuchtwertschätzung bringt Zuchtfortschritt

Ein großer Fortschritt in der Rinderzucht war 2009 die Einführung der genomischen Zuchtwertschätzung für die Bullenselektion in Deutschland. „Die Sicherheit des Verfahrens konnte mittlerweile stark gesteigert werden, von 30 auf aktuell 70 Prozent“, berichtete Dr. Dierck Segelke, Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung (VIT) in Alsfeld. Ein kostenintensives Bullentestprogramm sei damit nicht mehr notwendig und das Generationsintervall sei halbiert worden. 2016 wurde dann das Programm Kuh Vision gestartet, bei dem die Milchviehhalter weibliche Tiere typisieren lassen können. Dadurch soll nicht nur eine Kuh-Lernstichprobe aufgebaut und die Entwicklung neuer genomischer Zuchtwerte für Gesundheitsmerkmale ermöglicht werden. „Die gewonnenen Daten können sehr gut auf betrieblicher Ebene eingesetzt werden“, so der Referent. In den USA würden je Monat bereits 20 000 Proben analysiert, um das Herdenmanagement gezielt zu verbessern.

Selektionsentscheidungen früh zu treffen, spart Aufzuchtkosten

In Deutschland nehmen bislang 680 Betriebe an Kuh Vision teil, 99 davon hätten ihre gesamte Herde typisieren lassen. Die Untersuchungskosten liegen laut Segelke bei 49 Euro pro Tier. „Durch die Typisierung weiblicher Tiere im Kalbesalter kann schon dann eine Selektionsentscheidung getroffen werden. Die schlechtesten können Sie so sehr früh erkennen, was die Aufzuchtkosten minimiert“, sagte Segelke. Eigenleistungs- oder Töchterinformationen dieses Tieres müssten nicht abgewartet werden. Der Zuchtfortschritt in der Herde werde mit der Typisierung rascher gesteigert.

Genomische Werte für Management nutzen?

Wichtig ist für Erzeuger, ob die genomischen Werte durch die späteren Leistungen der Kühe bestätigt werden. „Die schlechtesten Tiere nach den genomischen Zuchtwerten haben auch die schlechtesten phänotypischen Ergebnisse“, sagte Segelke, zum Beispiel bei den Merkmalen Milchleistung und Zellzahl. Im Management seien die genomischen Werte nützlich, um individuelle Stärken und Schwächen zu berücksichtigen und gezielt Maßnahmen ergreifen zu können. „Wenn ich eine Kuh aufgrund der insgesamt guten Zuchtwerte im Bestand halten will, jedoch durch die genomische Zuchtwertschätzung bekannt ist, dass sie eine Macke beim Kalbeverlauf hat, kann ich das Tier schon bei der ersten Kalbung gezielter beobachten und bessere Vorsorgemaßnahmen ergreifen.“ Mit dem Wissen, dass die Zuchtwerte dieser Kuh gut sind, könne man zudem im Hinblick auf eine mögliche Selektionsentscheidung entspannter sein. Die Teilnahme an dem Programm Kuh Vision bedeute zwar einiges an Aufwand, man werde jedoch von den Zuchtorganisationen – in Hessen der ZBH, in Rheinland-Pfalz der RUW – gut unterstützt. „Die Teilnehmer erhalten neben den Zuchtwerten umfassende Rückberichte zur Verbesserung der Herdengesundheit“, so Segelke. Bei Anpaarungsentscheidungen könnten zudem genetische Besonderheiten und nicht sichtbare Merkmale berücksichtigt werden. Die Analyse genomischer Proben dauere etwa sechs bis acht Wochen.

Kälbergesundheit gut unterstützen

Dr. Christian Koch vom DLR Westpfalz, Lehr- und Versuchsanstalt Hofgut Neumühle, referierte über die Gesunderhaltung von Kälbern. Er veranschaulichte die Situation des Kalbes direkt nach der Geburt. „Ein aus immunologischer Sicht empfindliches Tier wird mit dem Maul direkt in den Misthaufen geboren.“ Die entscheidende Maßnahme, um dem Kalb trotzdem einen gesunden Start ins Leben zu ermöglichen und damit Atemwegs- und Durchfallerkrankungen vorzubeugen, sei eine frühe und hohe Kolostrumaufnahme.

Mehr Kolostrum für Kälber

Die Kälberverluste in den Betrieben sind in den letzten 40 Jahren im Schnitt der Betriebe konstant bei 10 bis 15 Prozent geblieben. „Bei 100 Kalbungen sind das zehn bis 15 tote Kälber. Das ist zu viel“, sagte er. Man mache sich die große Zahl nicht bewusst, weil die Verluste über das Jahr verteilt auftreten. „Eine wichtige Ursache für Kälberverluste ist die zu geringe Kolostrumversorgung.“ Dass diese sich eher verschlechtert hat, zeigt eine Studie der Universität München aus dem Jahr 2015. So seien nur 40 Prozent der Kälber in den untersuchten Betrieben ausreichend mit Biestmilch versorgt gewesen, 2004 waren es noch 60 Prozent. „Dabei ist Kolostrum das billigste und beste Futtermittel“, sagte Koch. Auch die Transitmilch sollte für fünf Tage weiter an die Kälber verfüttert werden, statt diese Milch so früh wie möglich an die Molkerei zu liefern, lautet seine Empfehlung.

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