Unbezahl(t)bar – Frauen in der Landwirtschaft
Wie leben Frauen in landwirtschaftlichen Betrieben?
Bäuerin, Landwirtin, mitarbeitende Familienangehörige, Landfrau – genauso vielfältig wie die Bezeichnungen sind auch die Positionen von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland. Über ihre Lebensentwürfe, Wünsche und Sorgen war bisher jedoch nur wenig bekannt, schreibt das Thünen-Institut zur Vorstellung des Forschungsprojektes.

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Bedeutende Leistungen der Frauen auf den Betrieben
Die erste gesamtdeutsche Studie zur Lebens- und Arbeitssituation von Frauen in der Landwirtschaft seit der Wiedervereinigung zeigt, wie bedeutend die Leistungen der Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben sind und welche unterschiedlichen Rollen sie dort bekleiden. Die Studie verdeutlicht auch, dass Gleichstellung aller Geschlechter auf den landwirtschaftlichen Betrieben noch nicht erreicht ist.
Statistiken belegen, dass nur 11 Prozent der Betriebe von Frauen geleitet werden. Bei der vorgesehenen Hofnachfolge liegt der Frauenanteil bei rund 18 Prozent. Damit rangiert Deutschland im europäischen Vergleich auf einem der letzten Plätze. Die im Projekt durchgeführten Befragungen ergaben, dass es in der Landwirtschaft erhebliche Zugangsbarrieren für Frauen gibt. Veraltete Geschlechterbilder und traditionelle Vererbungspraxen stellen noch immer strukturelle Hindernisse für Frauen dar. Die soziale Absicherung der Frauen fürs Alter oder im Falle von Scheidung, Trennung oder Tod der Betriebsleitung sind unsicher. Auch in der Gesundheitsvorsorge zeigen sich Schwachstellen.
Aufklärungsarbeit in Berufsschulen
Es gibt allerdings auch Anlass zu vorsichtiger Hoffnung. So zeigt sich etwa eine leichte Tendenz zu mehr weiblicher Hofnachfolge. Auch nimmt der
Anteil von Frauen zu, die eigenständig landwirtschaftliche Betriebe gründen. Janna Luisa Pieper vom Lehrstuhl für Soziologie Ländlicher Räume der Universität Göttingen sagt hierzu: „Damit mehr Frauen Höfe übernehmen und leiten, ist ein grundlegender Wandel der landwirtschaftlichen Traditionen erforderlich, gepaart mit mehr Aufklärungsarbeit an landwirtschaftlichen Bildungseinrichtungen. Wichtig dabei ist: Diese Aufklärungsarbeit sollte sich nicht nur an Frauen richten. Eine geschlechtergerechte Landwirtschaft geht alle an.“
Und Zazie von Davier vom Thünen-Institut für Betriebswirtschaft ergänzt: „Frauen verstehen sich oft als (Mit-)Unternehmerin, auch wenn sie nicht rechtlich am Betrieb beteiligt sind. Für ihre vielfältigen Leistungen und Verantwortlichkeiten auf den landwirtschaftlichen Betrieben sollten sie eine gleichwertige und unabhängige Alterssicherung einfordern.“
Eine umfangreiche Fotodokumentation mit Porträts von 15 Frauen aus der Landwirtschaft, ausgewählte Studienergebnisse und journalistische Interviews mit Frauen aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands sowie den gemeinsamen Policy Brief der Universität Göttingen und des Thünen-Instituts für Betriebswirtschaft gibt es auf der Projektseite: www.studie-frauen-landwirts...
– LW 39/2022