Ohne Pflanzenschutz schließen auch Ökowinzer ihre Tore

Demo in Mainz gegen Pflanzenschutzverbot

Rund 100 Traktoren waren früh am Mittwochmorgen vergangener Woche in die Stadt Mainz gefahren, bestückt mit Plakaten, auf denen die Landwirte ihre Sorgen um die Existenz ihrer Betriebe niederschrieben. Aufgerufen hatten Land schafft Verbindung RLP und die Bauern- und Winzerverbände. Denn Frans Timmermanns, der EU-Klimakommissar in Brüssel, fordert in einem Verordnungsvorschlag den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten zu verbieten und auf den übrigen Flächen um 50 Prozent zu reduzieren.

Gegen das Pflanzenschutzmittelverbot in Schutzgebieten machten sich in Mainz stark (v.l.): CDU-BundestagsabgeordneterJan Metzler, CDU-Landtagsabgerodneter Johannes Zehfuß, LSV-Vorsitzender RLP Thilo Ruzycki, BWV-Präsident Eberhard Hartelt und BWV-Hauptgeschäftsführerin Andrea Adams.

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„Auch wir wollen den Pflanzenschutz reduzieren und haben in vielen Bereichen bereits gute Erfolge vorzuweisen“, sagte Eberhard Hartelt, der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd in Mainz. Der Gesetzesvorschlag sei unrealistisch und führe in ganzer Konsequenz zur Aufgabe vieler landwirtschaftlicher Betriebe, vor allem im Obst- und Weinbau sowohl in der ökologischer als auch konventioneller Produktion.

Pflanzenschutzmittel werden reduziert

Dass in der Praxis Pflanzenschutzmittel reduziert werden durch moderne Gebläsetechnik und durch kulturspezifische Prognosemodelle sei ein Weg des Erfolgs, den die Landwirte gerne weiterhin gehen wollen. Dies bestätigte sich in zahlreichen Gesprächen mit betroffenen Landwirten am Mittwochmorgen. Arno Knobloch führt mit seinem Bruder in Oberflörsheim ein Öko-Weingut, das bereits die Eltern im Jahr 1988 als Pioniere umgestellt haben. „Von Schutzgebieten sind wir nur gering betroffen. Doch wenn wir keine Pflanzenschutzmittel mehr einsetzen dürfen, dann müssen wir unsere Hoftore schließen. Denn ohne Pflanzenschutz kann auch der Ökowinzer nichts mehr ernten“, betonte Knobloch. Sie liefern ihre hochwertigen Weine an den Fachhandel, ein aufwendiges Geschäft, das Zertifikate und immer mehr Zeit für die überbordende Bürokratie erfordert.

Robert Hamm zeigt den Ingelheimer Spätburgunder, Lage Flugsanddüne, den es beim Pflanzenschutzverbot in Schutzgebieten nicht mehr geben wird.

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Robert Hamm vom Weingut Hamm in Ingelheim kommt mit einem Weinkarton zur Demo, darin eine Flasche Ingelheimer Spätburgunder Kalkflugsanddüne. „Diesen Wein wird es nicht mehr geben, wenn wir in Schutzgebieten keinen Pflanzenschutz mehr anwenden dürfen“, sagte Hamm. Denn die Lage Kalkflugsanddüne mit 3 ha liegt in einem FFH-Gebiet. Insgesamt bewirtschaftet das Weingut 15 Prozent ihrer Fläche in Schutzgebieten. Dass die Familie dort auch in Neuanlagen investiert hat, die 35 000 Euro/ha kosteten, das sei bei der aktuellen Diskussion auch zu bedenken. Hamm selbst war bereits Jungwinzer des Jahres und ist vor einigen Jahren in den Betrieb der Eltern eingestiegen. „Wir wollen auch weiterhin die verschiedenen Lagen unserer Weinberge in unseren Weinen schmecken und hochwertige Weine produzieren – ohne Pflanzenschutz wird das nicht gehen.“

Ohne Pflanzenschutz geringere Lebenserwartung

Thomas Heidberg ist Ackerbauer und kam mit zahlreichen Kollegen aus dem Hunsrück nach Mainz gefahren, um gegen die neuen Vorschläge aus Brüssel zu demonstrieren. „Ohne Pflanzenschutz können wir nicht garantieren, dass in unserem Getreide kein Mutterkorn oder kein Fusarium enthalten ist. Warum werden die Leute heutzutage so alt? Das sind auch die Verdienste des Pflanzenschutzes, der Pilzkrankheiten verhindert“, sagte Heidberg, der sich nicht vorstellen kann, dass die Landwirtschaft in Deutschland aufgegeben werde, um die Abhängigkeit von Importen zu steigern.

Klaus Harm aus Oberflörsheim bemerkte, dass keiner bedenke, was für ein Wertverlust mit dem Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten einhergehe. Rund um Oberflörsheim liegt das Vogelschutzgebiet Höllenbrand, das einen Wertverlust von 150 Mio. Euro erfahren würde, wenn die Weinberge aufgegeben werden müssen. In dem 600 ha großen Vogelschutzgebiet, das seit über 120 Jahren als Weinberg genutzt wird, kommen seltene Vogelarten vor. Sie brauchen die gepflegte Kulturlandschaft des Menschen und die Wärme des Südhangs. Ohne Pflanzenschutzmittel, vor allem Fungizide, würden diese Arten ihren Lebensraum verlieren.

Die LSV Rheinland-Pfalz-Organisatoren Thilo Ruzycki, Carsten Dietz und Markus Puder betonten, dass die EU-Vorschläge abgelehnt werden und dass die rheinland-pfälzischen Landwirte zu ihrem Versorgungsauftrag stehen. Man wolle auch zukünftig der Bevölkerung gesunde, umweltverträgliche und heimische Lebensmittel anbieten. Mit dem EU-Vorschlag werden jedoch viele Betriebe in ihrer Existenz bedroht.

38 Prozent der rheinland-pfälzischen Landwirtschaftsfläche liegt in einem Schutzgebiet und ist vom Pflanzenschutzmittelverbot betroffen, sagte Hartelt. Wer dies höre, denke sich, sei doch klar, dass man in einem Schutzgebiet keine Pflanzenschutzmittel anwendet.

BWV-Vizepräsident Johannes Zehfuß fragte, wer zahlt den Mehraufwand der Produktion ohne Pflanzenschutzmittel?

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Kulturlandschaft und Artenvielfalt benötigt Pflege

Die Schutzgebiete in Deutschland stellen jedoch keine Naturschutzreservate wie in den USA oder Neuseeland dar, es sind seit Jahrhunderten bewirtschaftete Flächen – Kulturlandschaft. Die Tier- und Pflanzenvielfalt habe sich mit der Kulturlandschaft entwickelt. Sie benötigen die Pflege und Bewirtschaftung, um weiterhin zu existieren. Hartelt rief die Landwirte und Winzer auf, an einem Strang gegen die unrealistischen Vorschläge vorzugehen.

Es sprachen zudem noch Marco Weber vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau, Kreisvorsitzender der Vulkaneifel; Michael Frisch von der AfD sowie Johannes Zehfuß, Landtagsabgeordneter der CDU. Letzterer wies darauf hin, dass die Menschen in Deutschland die hochwertigsten und sichersten Lebensmittel dieser Welt konsumieren, dass die deutschen Bauern als Werbeträger für den Lebensmitteleinzelhandel dienen, die Aktionen in den Supermärkten selbst dann aber zunehmend aus Importen bedient werden.

Zehfuß sprach sich dafür aus, dass der LEH seine Forderungen auch bezahlen müsse angesichts steigender Produktionskosten, hoher Ernteausfälle aufgrund des Klimawandels und zunehmend unkalkulierbarer Marktentwicklungen.

zep – LW 36/2022