Vor lauter Tierwohl die Ökonomie nicht vergessen

Schweinehalter wurden 2016 mit vielen Diskussionen in Bezug auf die Tiergerechtheit kon­frontiert. So ging es um die be­täu­­bungslose Ferkelkastration, die bis Januar 2019 umgesetzt werden muss. Zwar stehen hierfür Methoden wie die Betäubung mit Isofluran, die Injektionsnarkose, die Impfung mit Improvac oder die Ebermast zur Verfügung, alle haben jedoch deutliche Nachteile. Auch das Schwänzekürzen war ein Thema, wofür es zwar noch keinen Ausstiegstermin gibt, allerdings auch keine praxisreife Alternative. Zudem wird seit einiger Zeit diskutiert, ob die Haltung säugender Sauen im Ferkelschutzkorb ak­zep­tabel ist oder auf Bewegungsbuchten übergegangen werden sollte. Fast jeder Buchtenhersteller hatte auf der Eurotier dazu ein Konzept parat.

Aktuell beschäftigt die Sauenhalter die Diskussion um die Kas­tenstandhaltung im Besamungsstall. Nach einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise dem vorangegangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt reicht die bislang als tiergerecht akzeptierte Standbreite nicht mehr aus. Das Urteil soll mit sofortiger Wirkung gelten. Was das konkret für die Betriebe bedeutet, ist bislang unklar. Der Hessische Bauernverband verlangt von der Politik Rechtssicherheit, Bestandsschutz für vorhandene Ställe und Investitionsfördermittel für die Umsetzung zusätzlicher Vorgaben. Das derzeitige Klima sieht dagegen so aus: Investitionsentscheidungen werden verschoben, weil unklar ist, ob die jetzt eingebaute und von den Behörden genehmigte Technik auch in fünf Jahren noch akzeptiert wird.

Schweinehalter sind immer zu Verbesserungen mit dem Ziel eines höheren Tierwohls bereit. Das zeigt sich daran, dass sich bei der Initiative Tierwohl deutlich mehr Betriebe angemeldet hatten als zunächst aufgenommen werden konnten. All diese zusätzlichen Tiergerechtheitsanforderungen eint jedoch, dass sie höhere Investitionskosten verursachen. Diese müssen durch steigende Erzeugererlöse ausgeglichen werden, sonst wird der Trend der sinkenden Zahl an Betrieben sich weiter verstärken: im Mai 2016 waren es nur noch 24 500 schweinehaltende Betriebe und damit 1 400 Betriebe weniger als im vorangegangenen Jahr.

Marion Adams – LW 51/2016