Vorsicht bei Mutterkornbelastung
Vermehrtes Auftreten des Pilzes beobachtet
Im Verbreitungsgebiet des Landwirtschaftlichen Wochenblattes tritt in diesem Jahr offensichtlich verstärkt Mutterkorn insbesondere im Roggen auf. Das Auftreten des Pilzes Claviceps purpurea (siehe Kasten) im Getreide ist regional aber sehr unterschiedlich und witterungsabhängig. Welche Auswirkungen höhere Konzentrationen der Mutterkorn-Mykotoxine im Schweinefutter haben können, schildert Tierarzt Franz-Josef Koch aus Gießen.

Foto: Koch
Bisher sind rund 80 verschiedene Alkaloide nachgewiesen. Sehr bekannt wurde Ende der 60er Jahre die Halluzinationen auslösende Droge „LSD“ (Lysergsäurediethylamid), die sich aus diesem Pilz gewinnen lässt.
Bereits die Aufnahme von 5 bis 10 Gramm frisches Mutterkorn kann bei einem Erwachsenen Atemlähmung und Kreislaufversagen mit tödlichem Verlauf verursachen. Weitere Vergiftungssymptome sind Darmkrämpfe, Absterben von Fingern und Zehen aufgrund von Durchblutungsstörungen. Der Pilz wird vor allem bei Roggen und Triticale gefunden. Gerade bei feucht-warmer Witterung können aber auch andere Getreide beziehungsweise Gräser befallen sein.
Negativer Einfluss auf die Trächtigkeit
Bei Schweinen muss bereits bei reduzierter Futteraufnahme gefolgt von Unterkonditionierung auch an eine Belastung des Futters mit Mutterkorn gedacht werden. Bei Muttersauen ist außerdem Milchmangel bis zum vollständigen Versiegen der Milchproduktion zu beobachten. Das rührt daher, dass schon bei niedriger Giftkonzentration die Freisetzung von Prolactin (Hormon für Milchbildung und Freisetzung) gehemmt wird. Die Ferkel können an der Sau kümmern oder sogar verhungern, ohne dass die bekannten Symptome einer MMA-Erkrankung zu beobachten sind.Durch das Gift wird die Bildung von Progesteron (Schwangerschaftsschutzhormon) negativ beeinflusst. Die Folgen können eine verkürzte Trächtigkeitsdauer (Abort), Totgeburten, geringe Wurfgrößen und die Geburt lebensschwacher Ferkel sein. Auch unregelmäßige Umrauscher können auftreten sowie völlige Unfruchtbarkeit (Dauersterilität) und vermehrte Gebärmutterentzündungen.
Eine Vergiftung mit Mutterkorn äußert sich auch im Zusammenziehen der sogenannten „glatten Muskulatur“ (zu finden in der Wand der Gebärmutter und von Arterien). Dies hat verschiedene Auswirkungen:
Kontraktion (Wehentätigkeit) der Gebärmutter mit der Folge des Geburtseintritts und bei zu frühem Zeitpunkt eines Aborts.
Durch die Anspannung der Arterienwand kommt es zur Gefäßverengung in Verbindung mit einer Schädigung der Gefäßinnenauskleidung und zu einer Erhöhung des Blutdrucks, sowie zu erhöhter Herz- und Atemfrequenz. Es kann zu einer Minderdurchblutung kommen, die bis zum Absterben der Haut an Schwanzspitze oder Ohren führen kann. Diese Kontraktion der Arterien hat auch das Absterben der Früchte im Mutterleib zur Folge. Relativ typisch sind abgestorbene Früchte bei voll oder nahezu voll ausgetragenen Würfen durch Verengung kleiner Gefäße, die so die Blutversorgung der Ferkel in der Gebärmutter beeinträchtigen.
Zu nennen ist auch die „nervöse Form“ der Mutterkornvergiftung, die bis zu Krämpfen oder Lähmungen führen kann. Es kann auch zu vermehrten Aggressionen zwischen den Tieren führen und dem gehäuft auftretendem „Kanibalismus“.
Bei Mastschweinen kann auch eine höhere Durchfallneigung beobachtet werden, da Mutterkorn eine Fettsäure ähnlich dem Rizinusöl enthält.
Sauen und Saugferkel sind besonders empfindlich
Grundsätzlich sind Sauen und vor allem Saugferkel deutlich empfindlicher als Mastschweine. Bei Sauen können bereits 0,1 Prozent Anteil Mutterkorn in der Ration zu den beschriebenen Symptomen führen. Neben einer mengenmäßigen Erfassung (Zählung der Körner) zur groben Orientierung einer möglichen Bedeutung des „Mutterkorns“ bei entsprechenden Symptomen, ist aber eine Bestimmung des Giftes zur Bewertung in einem Labor notwendig, denn die Art und Toxizität der Giftzusammensetzung (verschiedene Alkaloide) kann je nach Witterung und Wirtspflanze erheblich schwanken.Gesetzliche Grundlagen für eine Reduzierung von Mykotoxinen im Futter sind die Futtermittel-Verordnung (seit 1. September 2010 in Kraft) und die Futtermittel-Hygiene-Verordnung (Stand 2006) auch als „Kontaminations-Vermeidungs-Verordnung“ bezeichnet. Es wird gefordert, dass das Futter „unverdorben sowie zweckgeeignet ist und handelsübliche Beschaffenheit“ besitzt. Es darf keine schädliche Auswirkung auf das Tier (Tierschutz) haben.
Vorbeugung und Maßnahmen
Getreide von offensichtlich stark belasteten Flächen sollte grundsätzlich nicht zur Verfütterung an Tiere gegeben werden. Bei Befall ist eine mehrfache mechanisch-technische Reinigung über Siebe zur Reduzierung des Toxingehaltes in einer Futtermühle dringend zu empfehlen. Im Falle das bereits kontaminierte Futterchargen im Stall, sollten diese möglichst nur an Mastschweine verfüttert werden, da Sauen und Saugferkel deutlich empfindlicher reagieren. Der Einsatz von sogenannten Toxinbindern in ausreichender Dosierung ist zu überlegen.
Auf einen Blick
Grenzwerte beachten!
Mutterkorn entsteht durch eine Infektion des Getreides mit dem Pilz Claviceps purpurea während der Blüte. Der Befall wird durch feucht-nasse Witterung begünstigt. Anstelle eines Getreidekorns wird ein Pilzmycel gebildet. Dieses Pilzzellgewebe kann gesundheitsschädliche Mutterkornalkaloide enthalten. Am anfälligsten für Befall sind Roggen und Triticale, aber auch Weizen und Gerste können betroffen sein. Im Futtermittelrecht ist ein Höchstgehalt für Mutterkorn festgeschrieben. Dieser liegt bei 0,1 Prozent Mutterkorn in Futtermitteln, die ungemahlenes Getreide enthalten. Dies entspricht 1000 ppm beziehungsweise 1 g/kg Getreide (mit 88 Prozent Trockensubstanz).
Der Gehalt im Getreide wird durch Auslesen und Abwiegen der Mutterkörner ermittelt. Besonders empfindlich reagieren Sauen auf verunreinigtes Futter: Milchmangel und verringerte Futteraufnahme sind die Folge, auch Fruchtbarkeitsstörungen sind möglich. An tragende und säugende Sauen sollte kein belastetes Getreide verfüttert werden. Ferkel und Mastschweine zeigen als erstes Symptom eine verringerte Zunahmeleistung.
Dagmar Schmitz, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen