Vorsorgemaßnahmen in Ökobetrieben gegen Kontaminationen
Sperrige Bürokratie oder sinnvolle Sensibilisierung?

Foto: Cypzirsch
Im zweiten Schritt werden daraus angemessene Vorsorgemaßnahmen abgeleitet, um die Risiken zu minimieren. Viele dieser Maßnahmen waren bereits gemäß der alten Verordnung VO (EG) 834/2007 umzusetzen, sollen nun aber stärker betont werden. Sie werden im Rahmen des Art. 28 Abs. 1 im betrieblichen Vorsorgekonzept gebündelt und von den Kontrollstellen geprüft.
Was sind angemessene Maßnahmen?
Die Verordnung selbst schreibt jedoch keine konkreten Einzelmaßnahmen vor, sondern lässt dies bewusst im Verantwortungsbereich der Unternehmer. Daher soll der Artikel einen Überblick verschaffen und eine Hilfestellung für ein betriebliches Vorsorgekonzept bieten. Die Risikobereiche für Einträge und Kontaminationen können in drei Kategorien eingeteilt werden:
- Sie liegen vollständig im Einflussbereich des Unternehmers
- Eine Einflussnahme ist bedingt möglich, zum Beispiel über Vereinbarungen wie Subunternehmerverträge oder Reinigungsprotokolle
- Sie liegen außerhalb seines Einflussbereichs und sind rein durch das Handeln dritter bestimmt.
Mit dieser Kategorisierung verbunden sind auch die Begriffe angemessen und verhältnismäßig. Eine Maßnahme ist dann verhältnismäßig, wenn die Nachteile nicht völlig außer Verhältnis zu den positiven Wirkungen stehen. Eine Überbelastung soll vermieden und nicht eingefordert werden.
Einfach gesagt: Eine Wareneingangskontrolle ist verhältnismäßig und angemessen und vom Unternehmer gut umsetzbar, da sie in seinem Einflussbereich liegt. Die Anlage von Pufferstreifen zu konventionellen Flächen zur Verminderung des Risikos des Eintrags von Pflanzenschutzmitteln ist jedoch mit hohem Aufwand (u.a. Verlust von produktiver Anbaufläche) verbunden und in der Praxis zum Teil schwierig umsetzbar (v.a. in Raumkulturen). Hier würde der Bio-Unternehmer zudem für etwas in die Pflicht genommen, was der Sorgfaltspflicht des Anwenders der Pflanzenschutzmittel obliegt.
Was ist mit Einträgen und Kontaminationen gemeint?
Die EU-Öko-Verordnung beschreibt die ökologische Erzeugung als Prozess innerhalb definierter Betriebseinheiten, also den landwirtschaftlichen Unternehmen, die durch Öko-Kontrollstellen in ihrer Tätigkeit überwacht werden. Der Prozess der landwirtschaftlichen Erzeugung ist gekennzeichnet durch bestimmte Produktionsvorschriften.
Besondere Stellung nehmen dabei Regelungen zu zulässigen Dünge-, Pflanzenschutz und Futtermitteln sowie Saatgut und Reinigungs- und Desinfektionsmittel ein. Im Idealbild erfolgt die Erzeugung innerhalb eines geschlossenen Betriebskreislaufs. Häufig wird daher auch von der Integrität der ökologischen Erzeugung gesprochen. Dieses System hat durch den Bezug von Betriebsmitteln oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen Schnittstellen nach außen, wodurch ein gewisses Eintragsrisiko unzulässiger Stoffe und Betriebsmittel gegeben ist.
Das betriebliche Vorsorgekonzept
Ausgangspunkt des betrieblichen Vorsorgekonzepts ist, dass der Betrieb und die in ihm laufenden Prozesse auf diese Schnittstellen hin untersucht werden. Dabei ist zunächst die Frage zu klären, ob noch konventionelle Produktionseinheiten vorhanden und wie diese zu den ökologischen Einheiten abzugrenzen sind. Dies gehört nicht nur in das Vorsorgekonzept, sondern auch in die Betriebsbeschreibung im Rahmen des Kontrollverfahrens.
Sinnvoll ist es, dabei eine UnterÂgliederung für jeden ProduktionsÂbereich vorzunehmen. So wäre zum Beispiel in einem Gemischtbetrieb jeweils für Getreidebau, Futterbau, Rinderhaltung und die Legehennen im Hühnermobil ein eigenes Vorsorgekonzept zu erstellen.
Weiterhin ist es zielführend, sich in dem Vorsorgekonzept an der Produktions- beziehungsweise Erzeugungskette zu orientieren. Die Darstellung des Vorsorgekonzepts in Tabellenform ist der Übersichtlichkeit wegen zu empfehlen (s. Kastentext zu möglichen Hilfen und Vorlagen).
Sorgfalt bei Eingang und Warenbestellung
Beim Bezug von Betriebsmitteln handelt es sich klar um einen Bereich, der vollumfänglich in der Verantwortung des Unternehmers liegt, und dem daher eine besondere Bedeutung zukommt. Im ersten Schritt sollte bei der Bestellung von Betriebsmitteln darauf geachtet werden, dass diese im ökologischen Landbau zulässig sind. Dies gilt insbesondere für Dünge- und Pflanzenschutzmittel.
Als wichtiges Hilfsmittel kann hier die FiBL-Betriebsmittelliste für den ökologischen Landbau genutzt werden (www.betriebsmittelliste.de). Da diese jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und auch keine rechtsverbindliche Aussage trifft, sind letzten Endes immer die Anhänge der VO (EU) 2021/1165 mit den im ökologischen Landbau zulässigen Betriebsmitteln als Grundlage zu betrachten. Im Zweifel sollten man bei der Öko-Kontrollstelle oder der Fachberatung nachfragen.
Im zweiten Schritt ist in allen Bereichen eine Wareneingangskontrolle durchzuführen. Dabei sind folgende Punkte, so weit möglich, zu prüfen:
- Sind die Erzeugnisse korrekt ausgewiesen, zum Beispiel über die Angaben auf Etiketten, Sackanhängern oder Warenbegleitblättern? Ist der Hinweis auf Zulässigkeit im ökologischen Landbau in Zusammenhang mit einer Kontrollstellennummer gegeben?
- Stimmt die tatsächliche Liefermenge mit der ausgewiesenen überein? (natürlich nur das, was auch erfassbar, zählbar oder messbar, ist.)
- Sind die Angaben auf Lieferschein und Rechnung korrekt? Stimmen die Produktbezeichnungen zwischen Rechnung und Etikett oder Produktdatenblatt überein?
- Liegen die gültigen Öko-Zertifikate gemäß Art. 35 VO (EU) 2018/848 des Händlers vor?
- Bei Saat- und Pflanzgut: Handelt es sich um konventionelles Material, für das eine Einzelgenehmigung oder Allgemeinverfügung notwendig ist? Die Genehmigung beziehungsweise der entsprechende Auszug aus der Saatgutdatenbank organicxseeds (www.organicxseeds.de) gehören zwingend mit zu den Unterlagen.
- Bei Tierzukauf: Sollen bei Nichtverfügbarkeit ökologischer Tiere konventionelle Tiere zugekauft werden, ist vorab eine entsprechende Ausnahmegenehmigung bei der zuständigen Behörde einzuholen und den Unterlagen beizufügen. Das Angebot ökologischer Tiere kann in der Tierdatenbank www.organicxlive stock.de abgerufen werden.
- Bei Bezug von (konventionellen) Wirtschaftsdüngern und Gärresten: Vom abgebenden Betrieb sind entsprechende Konformitätsbescheinigungen auszustellen, aus denen hervor geht, dass sie nicht aus einer so genannten „industriellen Tierhaltung“ stammen und dass keine gentechnisch veränderten Organismen (GVO) verwendet wurden. Hierzu gibt es Vorlagen der Öko-Kontrollstelle.
Kontrollstelle stellt Vorlagen und Formulare
Generell empfiehlt es sich, bei der Öko-Kontrollstelle anzufragen, ob und welche Vorlagen und Formulare diese bereitstellt. Das betrifft nicht nur das betriebliche Vorsorgekonzept, sondern auch Reinigungsprotokolle oder Subunternehmerverträge.
Umfassendere Informationen rund um den Art. 28 und das betriebliche Vorsorgekonzept stellt das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) zur Verfügung: orgprints.org/id/eprint/ 42876/. Das Kompetenzzentrum ökologischer Landbau (KÖL) Rheinland-Pfalz hat ebenfalls Vorlagen für betriebliche Vorsorgemaßnahmen erstellt (www.oekolandbau.rlp.de)
CypzirschWareneingangskontrolle dokumentieren
Die erfolgte Wareneingangskontrolle muss dokumentiert werden. Dies kann mit einem professionellen Stempel für Wareneingangskontrollen erfolgen. So wird direkt auf den betreffenden Dokumenten und damit auch für die Öko-Kontrollstelle ersichtlich vermerkt, dass eine Prüfung stattgefunden hat. Der Stempel sollte Auskunft geben über Datum der Prüfung sowie Vollständigkeit der Lieferung und Begleitdokumente und mit einer Unterschrift versehen sein. Ein einfacher „Ok“-Stempel ist nicht ausreichend und kann zudem zum einfachen abstempeln verleiten.
Einen besonders sensiblen Bereich im Wareneingang stellen lose gelieferte Futtermittel dar. Hier sollte ein ReinigungsÂprotokoll des Lieferfahrzeugs ausgehändigt sowie – bereits praxisüblich – ein Rückstellprobe genommen werden. Die Vollständigkeit der Dokumente zum Wareneingang sollte jederzeit gegeben sein.
Häufig werden Belege jedoch zu Steuerberatern oder Buchstellen gegeben und sind dann im Falle einer Kontrolle nicht verfügbar. In solchen Fällen sind vor Abgabe gemachte Kopien der Belege eine Selbstverständlichkeit.
Dienstleistungen durch Dritte
In einem dritten Schritt gilt es, mögliche weitere Eintragsquellen zu identifizieren, bei denen es sich vorrangig um die Inanspruchnahme von Dienstleistungen handelt. In landwirtschaftlichen Betrieben sind dies häufig:
- Drillen/Legen durch Lohnunternehmer oder andere Landwirte (Beizrückstände, konventionelles Restsaatgut)
- Mähdrusch durch Lohnunternehmer oder Landwirte
- Abtransport des Ernteguts
- Aufbereitung des Ernteguts durch Dritte (wie Reinigung und Trocknung von Getreide)
- Bereitung von Mischfuttermitteln durch mobile Mahl- und Mischanlagen
- Inanspruchnahme von Dienstleistungen über Subunternehmerverträge. Hierbei handelt es sich meistens um Verarbeitungsschritte. Gängige Praxis ist schlachten, zerlegen und wursten durch konventionelle Metzgereifachbetriebe.
Das Hauptrisiko liegt in diesen Fällen in Doppelnutzungen von Maschinen, betrieblichen Vorrichtungen oder Räumlichkeiten. Die konventionelle Nutzung überwiegt meist deutlich, so dass Reinigungsmaßnahmen ergriffen werden müssen, mit denen konventionelle Restmengen minimiert und somit Vermischungsrisiken deutlich reduziert werden können. Auf die Bereiche Mähdrusch, vor allem aber mobile Mahl- und Mischanlagen, wird bereits besonders geachtet. Zwei Optionen bieten sich hier an:
- Die gründliche Reinigung vor dem Einsatz im Bio-Betrieb
- Das Durchführen einer Spülcharge vor dem Einsatz.
Beides ist zu dokumentieren. Viele Öko-Kontrollstellen halten dazu Formulare bereit. Bei einer Spülcharge ist deren Verbleib zu klären. Hier kommt in der Regel nur eine Abgabe an konventionelle Betriebe in Betracht. Bei mobilen Mahl- und Mischanlagen ist zudem darauf zu achten, dass wenn Öl zur Staubbindung eingesetzt wird, dieses entsprechend bio-zertifiziert ist.
Eine Restentleerung ist das Mittel der Wahl, wenn ein Mähdrescher von einer konventionellen Fläche in einen Öko-Bestand wechselt. Moderne Mähdrescher behalten mittlerweile vergleichsweise geringe Restmengen in den Druschorganen, Reste im Korntank sollten vollständig entfernt werden. Ein Reinigungsprotokoll dokumentiert das Vorgehen. Es sollte folgende Punkte umfassen:
- Welches Gerät (ggfs. mit Kennzeichen)?
- Art der Vornutzung (welche Kultur oder Futtermischung)
- Art der Reinigung: Restreinigung oder Spülcharge. Bei einer Spülcharge ist deren Umfang und Verbleib anzugeben
- Ort und Datum
- Unterschriften beider Parteien
Reinigungsprotokoll bei Lagerung und Aussaat
Ein Reinigungsprotokoll ist auch notwendig, wenn zuvor konventionell genutzte Lagerstätten und Aufbereitungseinrichtungen genutzt werden. Hier sind zudem die im Rahmen der Lagerhygiene eingesetzten Reinigungs- und Desinfektionsmittel im Protokoll anzugeben.
Wird die Saat von Getreide oder das Legen von Reihenkulturen durch Lohnunternehmen erledigt, so besteht immer das Risiko, dass Reste von chemisch-synthetischen Beizmitteln in der Maschine verblieben sind. In solchen Situationen ist eine GrundÂreinigung mit Reinigungsprotokoll vorab unabdingbar.
Im Grünland/Futterbau hingegen gibt es keine wirklich kritischen Punkte, die sich durch Dienstleistungen ergeben können. Einzig denkbarer Punkt sind bereits begonnene Ballen in Presskammern, was am ehesten noch bei Quaderballenpressen der Fall sein kann. Ein solcher Kombiballen konventionell/ökologisch wäre dann zu verwerfen.
Das Vorsorgekonzept beginnt mit der Umstellung
Ein betriebliches Vorsorgekonzept und die damit verbundenen VorsorÂgemaßnahmen sind nicht nur für anerkannte Öko-Betriebe relevant, sondern gehören bereits mit in die Planung der Umstellung. So ist zu klären, wie mit noch vorhandenen Betriebsmitteln verfahren werden soll, deren Einsatz im ökologischen Landbau nicht zulässig ist und deren Lagerung im Betrieb dementsprechend auch nicht erlaubt ist. Gerade mineralische Düngemittel und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel sind hiervon betroffen.
Ziel sollte es daher sein, eine Punktlandung zu machen und den Bezug im letzten konventionellen Anbaujahr so zu gestalten, dass möglichst keine Restmengen verbleiben. Für diese bleibt dann nur die Abgabe an konventionelle Betriebe oder aber die Entsorgung. Gleiches gilt auch für Restbestände an Saatgut.
Bei Futtermitteln sind, je nach gewählten Verfahren der Umstellung (gemeinsam oder produktbezogen) und unter Berücksichtigung der Inanspruchnahme der Öko-Förderung im Rahmen von EULLa bestimmte Aufbrauchfristen zu wahren. Diese entsprechen in der Regel der verbrauchsüblichen Bevorratung von drei Monaten. Hier empfiehlt sich eine (zusätzliche) Absprache mit der Kontrollstelle und der Fachberatung.
Mit GQS den gesamten Betrieb im Blick halten
Ein gutes Instrument zur Aufdeckung von betrieblichen Schwachstellen im Hinblick auf die Einhaltung genereller rechtlicher Vorgaben (neben der EU-Öko-Verordnung auch Cross Compliance oder der Düngeverordnung) ist die gesamtbetriebliche Qualitätssicherung (GQS). Über betriebsindividuelle Checklisten lassen sich nicht nur die Vorgaben der EU-Öko-Verordnung, sondern auch mehrerer Anbauverbände überprüfen.
Die GQS ist daher ein wichtiges Instrument der Betriebsführung, da an die Einhaltung dieser Standards auch die Gewährung von Fördergeldern geknüpft ist.
Fazit: Der Mehraufwandist gering und lohnt sich
Ganz ohne zusätzlichen Aufwand lässt sich ein betriebliches Vorsorgekonzept nicht umsetzen. Wer aber die vorhandenen Vorlagen nutzt, hat vergleichsweise wenig Arbeit damit und erhält darüber hinaus eine relativ gute Vorbereitung auf die nächste Öko-Kontrolle.
Die im Rahmen des Vorsorgekonzeptes relevanten Punkte waren auch bis dato bereits wichtige Bestandteile der Öko-Kontrollen. Und: Die beste Kontrolle ist eine ohne AbweichunÂ-gen. Dazu soll auch der Art. 28 Abs. 1 beitragen.
– LW 20/2022