Hähnchenmastanlage trifft auf Widerstand

Bürgerinitiative will sich nicht über Praxis informieren

Der geplante Bau einer Hähnchenmast- und einer Biogasanlage hat in Fronhausen-Bellnhausen im Landkreis Marburg-Biedenkopf die Gründung einer „Bürgerinitiative gegen Massentierhaltung“ ausgelöst, die sich gegen das Projekt des ortsansässigen Landwirts Günter Jung richtet. Den Besuch einer Veranstaltung in einer bestehenden Anlage schlug sie aber mit fadenscheinigen Argumenten aus.

Die Initiative führt in ihrem Informationsblatt die starke Belastung des Ortes mit zusätzlichem Lieferverkehr sowie Gerüchen und Krankheitskeimen an und stellt insgesamt den Sinn und Zweck einer solchen Anlage in Frage. Vergangene Woche hatte der Landwirt nun zu einem Termin bei einem Berufskollegen eingeladen, der seit rund zwei Jahren in Hungen-Utphe eine Mastanlage für 39 900 Hähnchen betreibt, wie sie Jung geplant hat. Landwirt Thomas Lehr und das Ingenieurbüro Michael Herdt waren da, um die Bürger zu informieren, wie die Hähnchen gehalten und gefüttert werden beziehungsweise ob und welche Belastungen zu erwarten sind.

Landwirte unter sich

Allein, die eigentliche Zielgruppe, die Mitglieder der Bürgerinitiative, war nicht da. Die Sprecherin der Initiative, Sonja Haese, die übrigens in derselben Straße wie Landwirt Jung wohnt, teilte der Oberhessischen Presse in Marburg mit, dass bei der Veranstaltung keine neuen Erkenntnisse gewonnen werde könne, der Stall in Utphe sei nicht vergleichbar mit der von Jung geplanten Anlage.

Landwirte fast unter sich: Günter Jung (l.) in der Gesprächsrunde mit Erwin Koch (M.), KBV-Vorsitzender Marburg-Biedenkopf, KBV-Geschäftsführer Karl-Heinz Hamenstädt (r.) und Pfarrer Eberhard Wisseler, Beauftragter für den Dienst auf dem Lande (2.v.r.) der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck.

Foto: Mohr

Stellte die Gutachten und das Genehmigungsverfahren für die Hähnchenmastanlage vor: Inga Lachmann von Ingenieurbüro Michael Herdt.

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Erläuterte die Fütterung und Haltung der Tiere: Landwirt Thomas Lehr aus Hungen-Utphe.

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So waren die meisten der rund 50 Anwesenden Landwirte oder Befürworter des Projektes aus dem Kreis Marburg, darunter der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes, Erwin Koch, das KBV-Vorstandsmitglied Ulrich Zick sowie der KBV-Geschäftsführer Karl-Heinz Hamenstädt. Sie kamen einerseits aus Solidarität andererseits aber auch, um die Informationen aufzunehmen, die gut aufbereitet waren.

Inga Lachmann vom Ingenieurbüro Herdt, das sich auf das landwirtschaftliche Bauen spezialisiert hat, erläuterte das umfassende Planungs- und Genehmigungsverfahren für die neue Anlage mit 39 900 Hähnchenmastplätzen in Bellnhausen. Neben dem Baurecht seien dabei das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImsch) und das Gesetz zur Prüfung der Umweltverträglichkeit zu beachten. Eine Öffentlichkeitsbeteiligung gibt es bei der Größenordnung des Stalles nicht. Beteiligt sind allerdings insgesamt 23 Behörden. Die prüfen laut Lachmann derzeit die eingereichten Unterlagen. Genehmigungsbehörde ist das Regierungspräsidium Gießen.

Liegen alle Unterlagen vor, erteilt das RP innerhalb von drei Monaten eine Genehmigung oder Absage, so Lachmann. Zu den Unterlagen, die das Ingenieurbüro eingereicht hat, gehören unter anderem die Beschreibung des geplanten Betriebs, der Verfahrensabläufe, der Anlagensicherheit sowie der Verwendung der Reststoffe beziehungsweise der Abfälle. Hinzu kommen Immissions-Prognosen zu Gerüchen, Ammoniak und Staub sowie Gutachten über Lärm und Transportverkehr.

Abstand zur Wohnbebauung

Laut den Planungen würde die Anlage mit einem Abstand von 435 Meter zum nächsten Wohnhaus entstehen. Nach der TA-Luft ist ein Mindestabstand von lediglich 219 Metern einzuhalten. Auch die Belastung mit Gerüchen würde nach den Prognosen des Ingenieurbüros unterhalb der Vorgaben liegen. So sind Gerüche in einem Zeitraum von maximal 10 Prozent der Jahresstunden bei Wohngebieten zulässig. „Wir erreichen am Ortsrand maximal 4 Prozent“, so Frau Lachmann.

Acht Durchgänge pro Jahr

Die Hähnchen werden im Betrieb Lehr in acht Durchgängen pro Jahr bis zu einem Schlachtgewicht von 2,2 Kilogramm gemästet. Einmal pro Woche erfolgt eine Futteranlieferung. Die Tiere werden an die Firma Stolle geliefert, die in Gudensberg einen Schlachthof betreibt.

Wie die Agrarwissenschaftlerin weiter ausführte, werden als Substrat für die geplante Biogasanlage Schweinegülle, Festmist von Rindern und Hähnchen sowie Mais- und Grassilage, Getreidekörner und Getreideganzpflanzensilage verwendet. Die Gärreste sind geruchsärmer als die Gülle. Eine Belastung durch Transportverkehr entsteht lediglich während der Erntezeit des Substrates. Dann kommen bis zu 30 Fahrten pro Tag auf die Bellnhäuser zu. Beim Abtransport der Gärreste maximal 25 Fahrten pro Tag, allerdings nur wenige Tage im Jahr.

Landwirt Jung machte als Vorteil für das Dorf geltend, dass er seinen Betrieb, der sich im Ort befindet, mit dem Bau des Hähnchenstalles komplett umstellen würde. Die 35 Kühe, die bislang in Anbindehaltung stehen, würden wegfallen, ebenso die 150 Schweinemastplätze. Außer den Hähnchen würde er lediglich einige Mutterkühe halten. Ein weiterer Vorteil wäre, dass etwa 60 Prozent der bisherigen Fahrten zwischen seinen Feldern und dem Hof am anderen Ende des Dorfes wegfielen.

Bis zur Veranstaltung hat ihn noch niemand von den Gegnern direkt angesprochen, was er plane und was auf das Dorf zukomme. Die Veranstaltung in Hungen bot eine gute Gelegenheit, über die Anlage zu diskutieren. Das hat die Bürgerinitiative ausgeschlagen.

CM – LW 29/2011