Winter sind kürzer, das Frühjahr kommt zwei Wochen früher
Vortrag beim VLF über Landwirtschaft im Klimawandel
In der vergangenen Woche fand in Liederbach bei Frankfurt eine Vortragsveranstaltung des VLF Frankfurt-Höchst mit Saskia Pietzsch und Hans Helmut Schmitt vom Deutschen Wetterdienst (DWD) aus Offenbach, Abteilung Agrarmeteorologie, statt. Die Redner befassten sich mit der Phänologie, einem Teilgebiet der Klimatologie sowie den Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft und den Beratungsangeboten des DWD zur Wettervorhersage.

Foto: Schmitt
Jahreszeiten haben sich verschoben
Die Apfelblüte beginne circa zwei Wochen früher, als noch vor 50 Jahren. Dieser Vorsprung bei der Vegetationsentwicklung bleibe über das Jahr weitestgehend erhalten. Da sich aber der Blattfall der Eiche, der als Ende der Vegetationsperiode gilt, nur wenig nach hinten verschoben habe, sei der Herbst seit Beginn der 1990er Jahre 16 Tage länger als noch im Vergleichszeitraum von 1961 bis 1990. Der Zeitraum zwischen Blattfall und der Haselblüte, der in der Phänologie als „Winter“ definiert ist, war vor 50 Jahren gut drei Wochen länger. Die immer frühere sogenannte phänologische Entwicklung, womit die jahreszeitlich wiederkehrenden Prozesse in der Natur wie Austreiben im Frühjahr, Blühbeginn und Fruktuation gemeint sind, kann dazu führen, dass Ernteausfälle beispielsweise aufgrund von Spätfrösten bei Obst auftreten können. Auswinterungsschäden beim Wintergetreide können als Folge eines bereits im Januar einsetzenden Wachstums sein.
Fünf zusätzliche Tage im Frühjahr ohne Niederschlag
„Man kann heute nicht mehr von Vegetationsende in seiner ursprünglichen Bedeutung sprechen. Das Gräserwachstum geht oft den ganzen Winter über weiter,“ erläuterte Schmitt. Hingegen sei der Blattfall der Bäume im Herbst stark von der Tageslänge gesteuert und daher vergleichsweise gleichbleibend. Schmitt erläuterte weiterhin, dass das Problem der FrühjahrsÂtrockenheit zugenommen hat. Zwischen 1961 und 1990 gab es im Frühjahr noch deutlich mehr Regentage in Deutschland als in den letzten Jahren. Mittlerweile gebe es in der Zeitspanne vom 15. März bis 15. Mai durchschnittlich fünf zusätzliche trockene Tage. Schmitt: „Besonders gravierend ist das in Ostdeutschland. Mittelhessen schneidet noch halbwegs gut ab“. Aber auch hier müsse im Frühjahr sowie im frühen Sommer zunehmend mit Wasserstress gerechnet werden. Grund seien geringere Niederschläge bei gleichzeitig stärkerer Verdunstung. Zudem gebe es Anzeichen, dass Starkniederschläge öfter auftreten, die aber durch oberflächlichen Abfluss den AckerkulÂturen nicht vollständig zugute kämen. „Die Regenmengen fallen in einer zu kurzen Zeit, als dass sie von den Böden komplett aufgenommen werden können“, erläuterte der Agrarmeteorologe.
Kulturen sind immer öfter Stresssituationen ausgesetzt
Die Ackerkulturen sind stärkeren Einflüssen durch das Wetter ausgesetzt als früher. Trockenstress im Frühjahr, Hitze, Hagel und Starkregen im Sommer sind Bedingungen, auf die sich die Landwirte einstellen müssten, um weiterhin gut zu ernten, erläuterte Schmitt die Anforderungen am Ackerbau der Zukunft. Gleichzeitig stelle auch der Pflanzenschutz neue Anforderungen. Als Folge der Abnahme der Frost- und Wintertage komme es zur Ausbreitung von Schädlingen und Pflanzenkrankheiten, die in früheren Jahren bei uns nicht heimisch waren. Insofern müsse man froh sein, wenn es – wie in diesem Jahr – wenigstens einige knackig-kalte Tage gebe.
Auswertungen der phänologischen Beobachtungen des Deutschen Wetterdienstes haben ergeben, dass die Vegetationszeit 1996 im Deutschlandmittel nur 195 Tage betrug, im außergewöhnlich warmen Jahr 2014 waren es dagegen 239 Tage. Die PflanÂzenbeobachtungen erfolgen nach festen Standards. Die Ergebnisse werden mit allen anderen meteorologischen Daten zusammen in einer Datenbank gespeichert und ausgewertet. Anhand langjähriger Trends lasÂsen sich verlässliche Aussagen zum Klimawandel treffen. Die Pflanze sei ein universelles Messgerät, das auf die Gesamtheit der Umweltbedingungen reagiere. Gerade für die Beratung der Landwirtschaft sei die Phänologie unerlässlich, betonte Saskia Pietzsch. Die phänologischen BeÂobachter – derzeit sind es deutschlandweit rund 1 200 – arbeiten ehrenamtlich für eine jährliche Aufwandsentschädigung. Laufend werden weitere Personen für diese Aufgabe gesucht. Interessenten wenden sich an phaenologie@dwd.de oder anja.engels@dwd.de.
vlf/ffm-höchst – LW 5/2017