Zustand des Waldes in Hessen so schlecht wie noch nie

Waldzustandsbericht und Maßnahmenplan vorgestellt

Erneut haben in diesem Jahr Trockenheit, Sturmschäden und der Borkenkäfer für erhebliche Schäden in Hessens Wäldern gesorgt. Die wichtigen Indikatoren für die Waldzustandserhebung – mittlere Kronenverlichtung, Anteil starker Schäden und jährliche Absterberate – geben Grund zur Sorge und erfordern Maßnahmen. Diese wurden von der hessischen Landwirtschaftsministerin Priska Hinz am Freitag vergangener Woche auf einer Online-Pressekonferenz zum Waldzustandsbericht erläutert.

Die Schäden der letzten Jahre durch Trockenheit, Schädlinge und Extremwettereignisse gipfeln in diesem Jahr in der höchsten Absterberate aller Baumarten seit 1984.

Foto: landpixel

„Der Wald in Hessen steht unter Stress. Besonders die großen Flächen abgestorbener Fichten machen uns Sorgen“, sagte Hinz. Schäden seien durch die anhaltend ungünstige Witterung, die mitunter extremen Wetterereignisse aber auch durch Schädlinge und Krankheiten entstanden. „Der Wald ist momentan Opfer des Klimawandels, soll aber eigentlich als CO2-Senke dienen“, so Hinz.

Mittlere Kronenverlichtung auf Rekordhoch

Prof. Johannes Eichhorn von der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NFA) erläutert die Ursachen: „Die Witterung hat in diesem Jahr keine Entlastung gebracht. Tiefere Bodenschichten sind immer noch nicht ausreichend durchfeuchtet.“ Hinzu kämen Schädlinge wie der Borkenkäfer, aber auch Pilzkrankheiten, die ein Indikator für einen insgesamt geschwächten Wald seien. Das Schadniveau habe sich seit 2019 nochmals erhöht.

So habe sich die mittlere Kronenverlichtung aller Baumarten seit letzem Jahr nochmals um einen Prozentpunkt auf den Rekordwert von 28 Prozent erhöht; betrachte man nur die Fichten seien es dort sogar 50 Prozent. Auch bei den Buchen, die insgesamt widerstandsfähiger gegen Sturm und Trockenheit sind, hat sich dieser Wert von 32 auf 35 Prozent erhöht. Besonders die älteren Bäume über 60 Jahre seien davon betroffen.

„Die Absterberate liegt bei Buchen hessenweit bei 0,3 Prozent, bei Eichen sind es 0,6 Prozent. Auch diese Werte haben sich im Vergleich zum Vorjahr erhöht, bei Weitem aber nicht so stark wie bei den Fichten. Diese Baum­arten spielen daher eine wichtige Rolle bei der Auswahl der zukünftigen Mischwälder“, erklärte Eichhorn. Auch Buchen und Eichen stehen unter Stress, aber rund 80 Prozent der abgestorbenen Bäume sind Fichten.

Anteil starker Schäden fast dreimal so hoch

Der Anteil starker Schäden liege in diesem Jahr mit rund 9 Prozent fast dreimal so hoch wie im Jahresmittel von 1984 bis 2020 und stellt damit mit Abstand den höchsten Wert seit Beginn der Erhebung dar. Besonders im Rhein-Main-Gebiet seien erhebliche Schäden schon mit bloßem Auge zu erkennen.

Eichhorn betonte die Wichtigkeit der Studien, um für die Zukunft die richtigen Baumarten für einen widerstandsfähigen Mischwald auszuwählen. Man müsse besonders auf die heimischen Baumarten setzen, zu Exoten lägen noch nicht genug Erfahrungswerte vor. Mit den Maßnahmen wolle man größtmögliche Sicherheit auch in Phasen extremer Wetterlagen erreichen und das wenigstens bis zum Ende des Jahrhunderts. Hier sei ein langfristiges Denken und Handeln erforderlich.

Maßnahmenpaket nochmals erweitert

„Alle 12 Punkte des Maßnahmenplanes von 2019 sind bereits in der Umsetzung“, so Ministerin Hinz. Man habe erkannt, dass die bisherigen Mittel noch nicht ausreichen. Die ursprünglich eingeräumten 200 Mio. Euro zur Unterstützung der Beseitigung von Schadholz sowie der Wiederbewaldung und Verkehrssicherung seien um 50 Mio. Euro aufgestockt worden. Die Unterstützung der Verkehrssicherungspflicht sei mittlerweile Bestandteil der Extremwetterrichtlinie, außerdem entfalle die De-minimis-Regelung, nach der ein Forstbetrieb innerhalb von drei Steuerjahren nicht mehr als 200 000 Euro Beihilfen erhalten durfte.

Um Privat- und Kommunalwaldbesitzer zu entlasten, deren Wald von Hessen-Forst bewirtschaftet wird, habe man außerdem Mittel in Höhe der Beförsterungsbeiträge für die Leistungen von Hessen-Forst bereitgestellt. Die Gebühren seien anders von Privat- und Kommunalwaldbesitzern nicht mehr zu stemmen, erklärte die Ministerin.

Mehr Personal statt Stellen zu streichen

„Die Mitarbeiter in den Forstämtern haben viele schwierige Aufgaben zu bewältigen. Schadholzbeseitigung, Wiederaufforstung aber auch die Beratung spielen eine wichtige Rolle“, erklärte Hinz. Aus diesem Grund habe man die ursprünglich für 2025 geplante Stellenstreichung ausgesetzt: „Wir werden 220 Stellen in den Forstämtern halten.“ Außerdem wolle man im Wettbewerb um geschultes Personal mit den anderen Bundesländern aufholen. Dafür soll es laut Hinz wieder mehr Verbeamtungen geben, um die Arbeit in Hessen attraktiver zu machen.

Waldbesitzerverband schlägt Alarm

Der Hessische Waldbesitzerverband weist in einer Stellungnahme zum Waldzustandsbericht auf die enorme Höhe der bereits entstandenen Schäden hin. Deren Bewältigung überfordere die Waldbauern und auch die Behörden. Seit Beginn der Dürre seien in Hessen geschätzt zwischen 6 und 10 Prozent der Waldfläche kahlgefallen.

Die Vermögensschäden der hessischen kommunalen und privaten Waldeigentümer beziffert Christian Raupach, Geschäftsführer des Hessischen Waldbesitzerverbandes, mit weit mehr als einer Milliarde Euro. Für die nächsten 20 Jahre belaufe sich der Ertragsausfall auf den Flächen auf mehrere Millionen Euro. Man sei dankbar für die bisherige Unterstützung, die Maßnahmen reichten jedoch bei Weitem nicht aus. Der Hessische Waldbesitzerverband fordert deswegen eine Entlohnung der CO2-Senkenleistung, die die Waldeigentümer durch die Pflege und Erhaltung der Wälder überhaupt erst ermöglichen.

Der vollständige Waldzustandsbericht für das Jahr 2020 kann auf der Website des Hessischen Landwirtschaftsministeriums heruntergeladen werden: umwelt.hessen.de/presse/pre....

LW – LW 46/2020