Zweikulturnutzungssysteme als Anpassungsstrategie

Biomasseerzeugung unter Bedingungen des Klimawandels

Projektionen zum Klimawandel zufolge, zum Beispiel durch den Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC), ist in hessischen Regionen in Zukunft mit wärmeren und niederschlagsreicheren Wintern sowie trockeneren Sommern mit wiederkehrenden extremen Hitze- und Trockenperioden zu rechnen. Ferner werden Starkregenereignisse mit der Folge von verstärkter Bodenerosion und Nährstoffausträgen wahrscheinlicher. Über Anpassungsstrategien bei der Erzeugung von Biomasse informieren Dr. Rüdiger Graß und Prof. Dr. Michael Wachendorf, Universität Kassel, Fachgebiet Grünlandwissenschaft und Nachwachsende Rohstoffe.

Mais als Zweitfrucht, in Mulchsaat nach Winterroggen bestellt (Aussaat Ende Mai) – nach Starkregen Anfang Juni war ein effizienter Erosionsschutz festzustellen.

Foto: Dr. Graß

Neben positiven Auswirkungen, die durch zum Beispiel verlängerte Vegetationsperioden zu erweiterten Handlungsmöglichkeiten sowie unter Umständen zu höheren Erträgen führen können, ist vor allem mit negativen Beeinträchtigungen zu rechnen: Steigerung des Ernterisikos aufgrund von Trockenheit und Wetterextremen wie Hagel und Starkregen, verstärkte Bodenerosion, Zunahme von Krankheiten und Schädlingen, Auftreten neuer Schädlinge und so weiter. Generell ist mit einer Zunahme unbeständiger Witterungslagen zu rechnen, die die Planung von Anbausystemen erschwert.

Trockenheit im Frühsommer und später Starkniederschläge

In den letzten Jahren konnte vor allem eine regelmäßig auftretende verstärkte Frühsommertrockenheit beobachtet werden. Die Witterung des zurückliegenden Jahres 2015 (zweit-wärmstes Jahr seit Beginn der Wet­teraufzeichnungen), entsprach insgesamt bereits vielfach den beschriebenen Szenarien. Sie zeichnete sich durch das Auftreten verschiedener extremer Wetterereignisse aus, die regional unterschiedlich ausgeprägt waren: Wenige Frosttage in den Wintermonaten, starke Frühsommertrockenheit, verbreitete Starkregenereignisse im Juli und August, niederschlagreiche und relativ warme Herbst- und Wintermonate. In vielen Regionen führte dies zu Ertragseinbußen und Grundfuttermangel. Diese Entwicklung stellt die Landwirtschaft vor große Herausforderungen und erfordert Anpassungsmaßnahmen für landwirtschaftliche Anbau- und Nutzungssysteme, um eine umweltgerechte und ertragreiche Landwirtschaft zu ermöglichen.

Suche nach innovativen Anbausystemen

Am Fachgebiet Grünlandwissenschaft und Nachwachsende Rohstoffe der Universität Kassel-Witzenhausen wird schon länger zu entsprechenden Anpassungsstrategien an den Klimawandel in Form von innovativen Anbausystemen geforscht. Neben der Konzeptionierung und Untersuchung von Agroforstsystemen liegt dabei ein Schwerpunkt auf der Erforschung und Weiterentwicklung von Zweikulturnutzungssystemen, die sowohl für die Substraterzeugung für Biogasanlagen als auch für die Feldfutterproduktion genutzt werden können. Diese Anbausysteme wurden unter anderem in dem Verbundprojekt „KLIMZUG-Nordhessen“ hinsichtlich ihrer Eignung als Anpassungsmaßnahme an den prognostizierten Klimawandel untersucht. Zweikulturnutzungssysteme umfassen den kombinierten Anbau einer Winterung und Sommerung in einem Jahr bei Reduzierung der Bodenbearbeitung Als Erstkulturen können winterharte Getreidearten wie Roggen oder Triticale, andere Getreide oder Gräser sowie winterharte Leguminosen angebaut werden. Diese können in Reinkultur oder im Mischanbau kultiviert werden. Die Erstkulturen werden Ende September ausgesät und bilden vor Winter einen bodenschützenden Bewuchs.

Zweikulturnutzungssystem aus Winterung und Sommerung

Ferner werden vor Winter Nährstoffe entzogen und vor Auswaschung geschützt. Mit Beginn der Vegetation im Frühjahr beginnen die Pflanzen mit der Biomasseentwicklung und werden Ende Mai als Ganzpflanze geerntet. Dieser Ganzpflanzenaufwuchs wird zur Konservierung siliert. Nach der Ernte wird der Boden nur flach mit der Scheibenegge bearbeitet, so dass weiterhin Erntereste der Erstkulturen an der Bodenoberfläche verbleiben, zugleich aber für die nachfolgende Sommerkultur ein geeignetes Saatbett bereitet wird. Somit wird besonders bei erosionsanfälligen Kulturen wie Mais ein besserer Bodenschutz erzielt, was angesichts der prognostizierten Zunahme von Starkregenereignissen von besonderer Bedeutung ist. Durch die leichte Bodenbearbeitung werden die Bodenkapillaren geschlossen, wodurch eine Verdunstung des Bodenwassers vermindert wird ein wichtiger Faktor bei Auftreten von länger anhaltenden Trockenheitsphasen.

Bodenschutz und Erhalt der Bodenfeuchtigkeit

Ein Wintererbsen/Roggen-Gemenge als Erstkultur kurz vor der Ernte Ende Mai.

Foto: Dr. Graß

Die Aussaat der Zweitkultur (=Sommerung) findet direkt nach der Ernte der Erstkultur Ende Mai/Anfang Juni statt. Dabei können neben Silomais und Sonnenblumen auch Hirsearten, Gräser sowie Leguminosen genutzt werden. Ferner muss auf Verträglichkeit mit den Erstkulturen geachtet werden. Die Zweitkulturen werden im Herbst Anfang Oktober geerntet. Die Zusammensetzung der ausgewählten Arten richtet sich nach der Nutzungsrichtung (Biogas oder Futter) und, wie im Pflanzenbau üblich, nach den Umweltbedingungen (Wasserversorgung, Vegetationsdauer, …).

Mit der zweifachen Ernte sind vielfach höhere Erträge und viele positive ökologische Aspekte verbunden (Nährstoffentzug, Bodenschutz, Artenvielfalt). Der Anbau verschiedener Arten in Gemengen verstärkt diese Effekte noch. Allerdings sind mit zweifacher Aussaat und Ernte höhere Anforderungen an das Anbaumanagement und ein höherer Aufwand im Vergleich zu herkömmlichen Anbausystemen verbunden, der durch höhere Erträge ausgeglichen werden muss. Dies gilt vor allem dann, wenn, wie derzeit, die besondere ökologische Verträglichkeit von Anbausystemen kaum honoriert wird.

Aufwand wird mit guten Erträgen belohnt

Je nach Pflanzenart, Jahreswitterung und Ernte- beziehungsweise Saattermin der Erst- und Zweitkulturen tragen mal die Erst- und mal die Zweitkulturen verstärkt zum Gesamtertrag bei. Dadurch steigt die Flexibilität und es sinkt das Risiko von Ertragseinbußen. Das Risiko wird auf mehrere Kulturen verteilt. Das Anbausystem zeichnet sich durch eine höhere Robustheit (=Resilienz) aus. Dieser Aspekt wird in Zukunft vor dem Hintergrund der Prognosen zum Klimawandel mit der Zunahme von Witterungsextremen wie Starkregen und Trockenstress von größerer Bedeutung sein.

Gründung von Umsetzungsverbünden

Die Eignung von Zweikulturnutzungssystemen wurde unter aktuellen klimatischen Bedingungen mehrfach getestet und führte zum Beispiel im Jahr 2012 im Rahmen des KLIMZUG-Nordhessen Projektes zur Gründung von Umsetzungsverbünden in den Landkreisen Schwalm-Eder und Waldeck-Frankenberg, wo in Kooperation mit Kreisverwaltung, berufsständischer Vertretung, Maschinenring, landwirtschaftlicher Beratung (LLH) in Demonstrationsvorhaben für die Praxis entsprechende Anbausysteme vorgestellt und untersucht wurden. In der Praxis werden derzeit sowohl bei der Substratbereitstellung für Biogasanlagen, als auch im Feldfutterbau vor allem Kombinationen aus Winterroggen und Silomais genutzt. Zunehmend wird der Roggen auch in Mischkultur mit winterharten Leguminosen (Wintererbse, -wicke) angebaut.

Zweikulturnutzungssysteme im Klimawandel

Weitere Untersuchungen beschäftigen sich mit der Eignung dieses Anbausystems unter zukünftig veränderten klimatischen Bedingungen bis zum Jahr 2100. Dies erfolgte mit Unterstützung des computergestützten Wachstumsmodells HERMES. Dabei wurden auf Basis der vom Weltklimarat (IPCC) berechneten Klimadaten die unter diesen Bedingungen erzielbaren Erträge bis zum Jahr 2100 kalkuliert. Die simulierte Ertragsentwicklung eines Zweikulturnutzungssystems aus Winterroggen und Mais im Vergleich zum alleinigen Hauptfruchtanbau von Mais am Standort Witzenhausen (Werra-Meißner-Kreis) zeigt: Tendenziell sinken die Maiserträge als Haupt- und Zweitkultur ab dem Jahr 2050 infolge zunehmender Sommertrockenheit. Zugleich steigen den Simulationen zufolge die Erträge der Erstkultur Winterroggen an: Bis 2100 wird eine Ertragssteigerung bis zu 5,8 t/ha gegenüber dem heutigen Niveau prognostiziert. Dies ist durch verstärkte Niederschläge im Winter und einer Verkürzung der Vegetationsruhe zu begründen.

Entsprechende Simulationen wurden auch für andere Standorte durchgeführt, wo vergleichbare Ergebnisse erzielt wurden. Insgesamt lässt sich feststellen, dass mit Zweikulturnutzungssystemen und der Ernte von zwei Kulturen in einem Jahr die Gesamterträge vor dem Hintergrund der Klimaänderung ungefähr auf heutigem Niveau stabilisiert werden können. Der Anteil der Erstkultur am Gesamtertrag steigt dabei deutlich an.

Höhere Erträge und Ertragsstabilität

Damit werden Ergebnisse zur Ertragsstabilität von Zweikulturnutzungssystemen unter aktuellen Bedingungen bestätigt. Setzt man die Ertragshöhe und die Varianz (=Streuung der Erträge über mehrere Jahre) als Maß für die Ertragsstabilität verschiedener Haupt- und Zweikulturnutzungssysteme in Beziehung., zeigt sich: Je geringer die Varianz der Erträge ist, umso sicherer ist das Erreichen dieser Erträge, die Ertragsstabilität steigt. Bei Betrachtung der Anbauvarianten mit Mais als Hauptfrucht nach abgefrorenem Senf und der Zweikulturnutzungsvarianten „Mais nach Winterroggen“ und „Mais nach Wintererbsen-Roggen-Gemenge“ wird deutlich, dass an den Standorten Witzenhausen und Rauischholzhausen über einen Zeitraum von drei Jahren die Varianten der Zweikulturnutzung höhere Erträge und höhere Ertragsstabilität gegenüber dem herkömmlichen Maisanbau aufweisen. Die anderen Varianten haben mit Ausnahme von „Winterroggen-GPS“ derzeit in der Praxis kaum Bedeutung. Die Ergebnisse bestätigen die höhere Robustheit von Anbausystemen, die sich durch eine höhere (Arten-) Vielfalt auszeichnen.

Kompromiss zwischen Ertrag und Ertragsstabilität

Zukünftig wird es angesichts des Klimawandels noch bedeutsamer werden, nicht nur den maximalen Jahresertrag bei der Bewertung von Anbausystemen im Blick zu haben, sondern vielmehr ein gutes Verhältnis zwischen Ertrag und Ertragsstabilität zu erreichen. Mit der Zweikulturnutzung steht ein Anbausystem zur Verfügung, das bei entsprechenden Standortvoraussetzungen auch unter den zu erwartenden klimatischen Veränderungen eine ertragsstabile und umweltgerechte Biomasseerzeugung ermöglicht. Generell besteht hinsichtlich der Robustheit und der Anpassung von Anbausystemen an den Klimawandel bei der Vielzahl von Produktionsrichtungen und Umweltbedingungen noch erheblicher Forschungsbedarf.

 – LW 18/2016