„Wir Bauern im Frankenberger Land“

70 Jahre Kreisbauernverband in Geismar gefeiert

Keine rosigen Zeiten für die Bauern. Im Gegenteil, für die Betriebe wird es immer schwieriger. So war es auch keine Prunksitzung wie sie in diesen Tagen vielerorts auf dem Lande stattfinden. Und doch war es mit einem bescheidenen, selbstbewussten Auftritt ein sehr stimmungsvolles Fest, das der Kreisbauernverband Frankenberg am vergangenen Freitag mit 200 Landwirten in Geismar aus Anlass seines 70-jährigen Bestehens ausrichtete.

Heinrich Heidel führte durch die Festlichkeit und meinte: „Lassen Sie uns 2016 zum erfolgreichen Jahr machen. Sie alle sind Ehrengäste.“

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In dieser Zeit hat die Landwirt­schaft eine rasante Entwicklung mitgemacht. Dies ging nicht nur für viele Betriebe zu schnell, sondern auch für die Gesellschaft; die vieles nicht mehr versteht, wie effizient und nachhaltig zugleich heute gewirtschaf­tet wird. Trotz des Strukturwandels sind die Bedeutung der be­rufs­stän­di­schen Vertretung der Landwirte ebenso wie neue Herausforderun­gen an die Ver­­bandsarbeit eher gestiegen als gesunken, wurde bei den Festreden deutlich, die Vorsitzender Heinrich Heidel eröffnete, nachdem die Frankenberger Jagdhornbläser die Feier des KBV angeblasen hatten.

Heinrich Heidel, ebenso Vizepräsident im Hessischen Bauernverband, führt seit 23 Jahren den circa 1 000 Mitglieder star­ken KBV. Redegewandt und treffsicher umriss der Land­wirt­schafts­meister aus Nordhessen die Entwicklung. HBV-Vizepräsident Armin Müller, und HBV-Generalsekretär Peter Voss-Fels, überbrachten mit einer Kletterhortensie zum Anpflanzen an der Frankenberger KBV-Geschäftsstelle symbolisch ein Zeichen seitens des Hessischen Bauernverbandes (HBV) für die große Wertschätzung der Arbeit des KBV für die Landwirt­schafts­familien.

Der Präsident des HBV, Karsten Schmal, hielt eine engagierte Rede über die künftigen Aufgaben des Bauernverbandes in Bezug auf die Öffent­lichkeitsarbeit-Initiative „Landwirtschaft 5.0.“ Welche Themen der Berufsstand gegenüber der Politik auf Bundes- und EU-Ebene derzeit im Visier hat, erläuterte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV).

Kreislandwirt Friedrich Schäfer beschrieb Persönlichkeiten, welche die Entwicklung des Verbandes im Frankenberger Land begleiteten und wertvolle Arbeit für die Landwirte geleistet haben.

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Landwirtschaft musste wieder aufgebaut werden

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Lage in den landwirtschaftlichen Betrieben schwer. Viele Jungbauern waren zum Kriegsdienst eingezogen, gefallen oder auch noch nach Kriegsende weitere Jahre in Gefangenschaft. Die Ackerpferde fehlten häufig auf den Höfen, weil auch diese für den Krieg bereitgestellt werden mussten. Die Landwirtschaft musste wieder aufgebaut werden. Aus dieser Not heraus, besannen sich im November 1946 die Landwirte im Altkreis Frankenberg und gründeten ihren Frankenberger Bauernverband. Heidel sagte: „Es ging darum, die Menschen satt zu machen.“ Von einem landwirtschaftlichen Betrieb seien damals circa 8 Menschen ernährt worden, heute 140 und mehr.

Den schweren Nachkriegsjahren für die Betriebe folgten zwei Jahrzehnte in den 50er und 60er Jahren, in denen in großen Schritten moderne Landtechnik auf den Betrieben einzog und eine allgemeine Aufbruchstimmung in der Landwirtschaft herrschte, beschrieb Heidel weiter. „Ich weiß noch, als allein im damals gut 350 Einwohner zählenden Frohnhausen bei Battenberg innerhalb eines Jahres 24 neue Schlepper gekauft wurden.

Der Altkreis Frankenberg hatte 77 Bürgermeister, 73 davon waren Mitglied im Bauernverband. Das waren rosige Zeiten. Doch dann folgte mit den 70er und 80er Jahren eine Phase der Marktsättigung, der Ãœberschüsse und niedriger Erzeugerpreise für die Landwirte. Heidel erinnert sich, wie der Bauernverband zu einer Demonstration in Bonn aufrief und dazu der Frankenberger KBV mit 13 Bussen voll von Landwirten aus der Region teilnahm. „Es war auch die Zeit der großen agrarpolitischen Debatten. Denn die Gemeinsame Agrarpolitik war damals die Klammer für Europa und sie ist es bis heute, trotz all ihrer Probleme“, meinte der HBV-Vize.

HBV-Präsident Karsten Schmal: „Mit der Aktion Landwirtschaft 5.0 reichen wir Verbrauchern die Hand. Landwirte haben ein hohes öffentliches Ansehen verdient.“

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Von der Hofübergabe bis zum Rentenantrag

Heute verstehe sich der Kreisbauernverband vor allem als ein Dienstleister. Er helfe unmittelbar seinen Mitgliedsbetrieben in wirtschaftli­chen, familiären und sozialrechtlichen Fragen, in bürokratischen Angelegenheiten oder in Bezug auf Behördengänge. Geschäftsführer Matthias Eckel leiste hier eine hervorragende Arbeit für die Mitglieder, fügte Vorsitzender Heidel hinzu. „Von der Hofübergabe bis zum Rentenantrag, das sind Dinge, die unsere Geschäftsstelle täglich leistet. Wir sind Anlaufpunkt für Menschen in der Region, damit sie mit Informationen versorgt werden“, konstatierte Heidel. Jetzt nehme die Öffentlichkeitsarbeit einen höheren Stellenwert in der Verbandsarbeit ein.

Auch mit Kritikern das Gespräch suchen

An dieser neuen Aufgabe des Bauernverbandes, der Öffentlichkeitsarbeit für den Berufsstand, anknüpfend sprach HBV-Präsident Karsten Schmal und sagte „Vielleicht hätten wir dies schon früher tun müssen. Auf jeden Fall sollten wir mehr den Menschen erklären, wie wir arbeiten. Mit unserer Initiative „Landwirtschaft 5.0“ reichen wir den Verbrauchern die Hand. Denn wir haben nichts zu verbergen.“ Landwirte müssten inzwischen auch den Menschen im ländlichen Raum ihr Tun erklären, denn auch diese hätten kaum noch Bezug zur Landwirtschaft, geschweige denn Landwirte in ihrem Bekanntenkreis. Die Folge sei nicht selten eine ungerechtfertigte Kritik an die Landwirtschaft und moderne Tierhaltung. Man wolle mit allen Kritikern das Gespräch führen und suche den Dialog. Schmal „Wir wollen dicht am Verbraucher sein, auch an unsere Kritiker. Wir müssen alles tun, dass wir die Kritik die uns entgegenschlägt, uns nicht zunichte macht.“ Ob Milchviehhaltung oder Schweinemast, Grünland oder Ackerbau, Haupt- oder Nebenerwerb, konventionell oder Öko. Es gelte, gemeinsam für ein gutes öffentliches Ansehen der Landwirte zu kämpfen. Nur so habe der Berufsstand eine Chance, weiterhin wahrgenommen zu werden und seinen Stellenwert in Politik und Gesellschaft zu wahren.

DBV-Präsident Joachim Rukwied: Wir haben einen kaufkräftigen Markt vor unseren Hoftoren. Dass wir auf Export ausgerichtet sind, ist ein Vorwurf, den wir uns oft anhören müssen. Wir sind der Meinung, dass TTIP nur abgeschlossen werden darf, wenn unsere Standards gelten.

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Risikoausgleich über mehrere Wirtschaftsjahre

DBV-Präsident Joachim Rukwied sprach zum Thema „Zukunftsfragen einer modernen Landwirtschaft.“ In der derzeit schwierigen Situation, habe die Landwirtschaft keine Zukunft. „Weil man uns Bauernfamilien aber braucht, bin ich optimistisch für unseren Berufsstand.“ Jetzt gelte es, dafür zu käm­pfen, dass die Be­triebe wettbewerbsfähig bleiben und unter ökonomischen Gesichtspunkten eine Zukunft behalten.

Aus seiner Sicht ist es dringend notwendig, einen Risikoausgleich einzuführen, um die Gewinne und Verluste der Betriebe zwischen den Wirtschaftsjahren zu glätten. Ein Groß­teil der Nach­finanzierung im Bundeshaushalt sei in die landwirtschaftliche Sozial­politik geflossen. Der Bund gibt 2016 circa 3,7 Mrd. Euro für die Unterstützung des eigenständigen agrarsozialen Sicherungssystems aus.

Molkereien dürfen sich bei Offerten nicht unterbieten

Ihn ärgert, dass die letzten Offerten der Molkereien am Lebensmitteleinzelhandel nochmal um 5 Cent unter den alten Abschlüssen lagen. Der Bauernverband führe Gespräche mit den Vorständen des Einzelhandels, um Fragen der Verteilung innerhalb der Wertschöpfungskette anzusprechen. Rukwied ist der Meinung, dass der Druck des Be­rufsstandes auf die Molkereien aufrecht erhalten werden muss. Mit dem Ziel einer Kontorbildung, um sich nicht gegenseitig weiter zu unterbieten.

Er sprach auch über seine Eindrücke von der Grünen Woche 2016 und sagte: „Wenn Sie mit Ministern von der Südhalbkugel sprechen, geht es um Fragen der Ernährungssicherung. Landwirtschaft befindet sich im Wettbewerb mit Be­trieben auf der Welt, die kostengünstig Nahrungsgüter produzieren sollen.

200 Landwirte kamen am vergangenen Freitag zum Fest des Kreisbauernverbands Frankenberg nach Geismar.

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„Eine ganz andere Diskussionsgrundlage haben Sie, wenn Sie mit europäischen Ministern sprechen, wo es heißt, ist unsere Landwirtschaft die richtige?“ Dann gehe es also um Umwelt- und Wohlstandsaspekte bei der Erzeugung, welche auf den Betrieben zu höheren Produktionskosten führe, wie zum Beispiel das Tierwohl. „Wir werden uns künftig in den Märkten behaupten müssen und müssen unsere Betriebe auf Wettbewerbs­fähig­keit ausrichten.“

Das bedeute nicht, dass unsere Landwirtschaft auf Export ausgerichtet sei. Dieser Vorwurf werde oft dem Bauernverband gemacht. Das sei nicht der Fall, denn man wisse, der kaufkräftige Markt liege vor den Toren unserer Betriebe. Wenn ein Schlachtbetrieb Schweineöhrchen oder Pfötchen nach China verkaufe, dann sei das für diesen eine Möglichkeit zur Wertschöpfung, weil diese Körperteile des Schweins hier keinen Absatz finden.

Auch die grüne Politik sei auf offene Märkte ausgerichtet. Der beste Bauer könne aber im Wettbewerb nicht bestehen, wenn der Rahmen, den ihn die Gesellschaft vorgebe, nicht stimme, so Rukwied. „Die Latte ist bei uns relativ hoch gelegt, wir haben hohe Hürden zu überspringen. Das heißt für unseren Bauernverband, wir müssen uns noch stärker engagieren.“ Er nannte Punkte: Der Erste ist gesellschaftspolitischer Art. Ãœber die Landwirtschaft wird aus seiner Sicht in den Medien in Deutschland teils falsch berichtet.

Er nannte als Beispiel die schwierige Situation des Milchmarktes. Darüber habe die Zeitung „TAZ“ vergangene Woche berichtet. Das sei wichtig. Allerdings sei im selben Artikel der falsche Schluss gezogen worden und zwar dieser: „Weil die Bauern mit dem Milchpreis nicht existieren können, spritzen sie mehr Antibiotika, damit sie den Tieren noch mehr Milch entziehen können.“ Das sei definitiv der falsche Schluss, denn in den letzten drei Jahren sei der Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft, der vorher bereits auf einem moderaten Niveau war, um 20 Prozent reduziert worden.

Hohe Hürden überspringen

„So kann man keine Diskussion gestalten, das ist ein Rückschlag für jede redlich arbeitende Bauernfamilie“, sagte Rukwied. „Wir haben die höchsten Auflagen, wir arbeiten im globalen Vergleich äußerst nachhaltig. Die Kritik, der wir uns häufig ausgesetzt sehen, ist nicht gerechtfertigt.“

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Ausgestaltung des Ordnungsrechtes. Hier gibt es Punkte, die aus seiner Sicht noch Gesprächsbedarf haben, weil sie nicht praxiskonform ausgestaltet seien, so zum Beispiel die Novelle der Dün­­gever­ord­nung.

Moe – LW 5/2016