Bei der Bestandesführung auch an den Drusch denken
Druscheignung ist eine interdisziplinäre Aufgabe
Niemand hätte sich vor 50 Jahren vorstellen können, dass Mähdrescher einmal 80 Tonnen Korn innerhalb einer Stunde ernten werden. Höchstleistungen kann die Maschine aber nur bringen, wenn alle Voraussetzungen stimmen; der Einfluss der Beerntbarkeit eines Bestandes wird hierbei oft unterschätzt.
Gleichsam hat man sich auch nicht vorstellen können, dass diese modernen Erntemaschinen dann nur noch weniger als 50 Prozent ihrer installierten Leistung auf dem Feld umsetzen. Auch unter den ostdeutschen Bedingungen mit großen Flächen gilt diese Zahl im Durchschnitt leider als unangefochten. Forscht man nach den Ursachen der unzureichenden Leistung, stößt man auf drei Bereiche, die im Wesentlichen dafür verantwortlich sind: Die Zeiteffizienz, die Leistungseffizienz und die Bestandesplattform.Die Zeiteffizienz wird durch die Logistik bestimmt
Wenn beispielsweise 200 Stunden für die Ernte zur Verfügung stehen, muss möglichst jede Stunde zum Dreschen genutzt werden und darf nicht für logistische Unzulänglichkeiten einstehen. Hier ist die Organisation durch den Betriebsleiter gefragt, der schon im Vorfeld die gesamte Logistik des Ernteablaufes plant. Je knapper die Mähdrescherkapazität, desto wichtiger wird die Logistik und umso stringenter sollte die Ernte vorgeplant werden.
Folgende Fragen sind zu klären: Wie wird die Erntereihenfolge festgelegt, wer bringt die Schneidwerke raus, wo und wie wird angemäht, arbeitet der Umladewagen bei kurzen Stücken in Feldrandnähe, bei langen Flächen in der Mitte, ist die Feldzu- und Abfahrt für LKW´s reibungslos möglich, wo sind Umladepunkte, ist eine Abkippfläche parat, wenn große Erntemengen im Lager nicht geschafft werden, steht auch bei Hochdruck genügend Transportkapazität zur Verfügung, wie werden die Essenpausen im Drusch überbrückt und von wem; wie wird kommuniziert mit Funk, Telefon usw.
Wenn die Logistik gut vorbereitet ist, spielt der zweite Bereich, die Leistungseffizienz, eine ebenso große Rolle.
Die Leistungseffizienz wird vom Fahrer bestimmt
Wenn beispielsweise ein Mähdrescher 30 t/h ernten kann, dann muss der Fahrer auch mit 30 t/h dreschen und nicht mit 15 t/h gemütlich dahinziehen. Dazu benötigt man einen Top-Fahrer; er muss nicht nur fahren, sondern leisten: ist er technisch versiert, um die Bordelektronik leistungssteigernd zu nutzen; stellt er den Mähdrescher bestandesoptimiert ein; prüft er die Verluste; kalibriert er das Verlustmessgerät, um am Leistungs-Verlust-Limit zu ernten; hat er eine Lenkhilfe, ein „Durchsatz-Tempomat“, um frei für wertschöpfende Dinge zu sein; wie teilt er die Beete ein; wer hat das Sagen beim Ãœberladen usw.Nun müssen die ausgefeilte Logistik (Zeiteffizienz) und der Top-Fahrer (Leistungseffizienz) auf gut geführte Bestände treffen. Dieses dritte Gebot wird gemeinhin stark unterschätzt.
Die Bestandesplattform liegt in den Händen des Landwirtes
Jegliche Logistik und alle Fahrerkünste werden ausgehebelt, wenn man dem Mähdrescher Bestände anbietet, die infolge von Lager, Zwiewuchs, Unkraut, falschem Erntetermin und hoher Feuchten nur schwer dreschbar sind. Das heißt, schon bei den bestandesführenden Maßnahmen sollte man den Blick nicht nur auf den Ertrag richten, sondern auch auf deren Auswirkungen zur Ernte. Erst mit gut dreschbaren Beständen schafft man sozusagen die Plattform, damit alle Bemühungen um eine bessere Zeit- und Leistungseffizienz richtig zum Tragen kommen.
Der Wert der Druscheignung ist bis heute nicht richtig erkannt und honoriert. Bei der Druscheignung eines Bestandes wird angenommen, dass dieses Kriterium durch die Genetik der Sorte und durch den Witterungsverlauf, weitgehend unbeeinflusst vom Landwirt festgelegt ist. Und dennoch verändert der Landwirt mit all seinen Entscheidungen von der Auswahl der Sorte, über die Düngung und den Pflanzenschutz die Druscheignung stetig.
Man wird erst durch drastische Beispiele daran erinnert. Strobilurine waren eine Innovation im Pflanzenbau, man musste deren Umgang jedoch erst erlernen, weil sie sich extrem auf die Druscheignung ausgewirkt haben. Neben der guten Dauerwirkung gegen Krankheiten bringen sie physiologische Effekte, die ein Aufschieben des Alterungsprozesses bewirken. Während das Korn zum genetisch festgelegten Punkt die Abreife erreicht hat, ist das Stroh noch aktiv. Auch wenn die Pflanze mit Ertrag, Qualität und Kornfeuchte ihr optimales Erntefenster erreicht hat, ist die Druscheignung aufgrund der Strohkonsistenz noch lange nicht erreicht.
Feuchtes, zähes Stroh führt zu einer deutlich schlechteren Abscheideleistung des Mähdreschers, zu erhöhten Verlusten, zu einem schlechteren Häckselbild und zur Wiederbefeuchtung des Korns. Die Kosten der erschwerten Druscheignung waren in den Anfangsjahren oftmals deutlich höher als der Mehrertrag durch die Maßnahme.
Bestandesführende Maßnahmen können Druscheignung ändern
Auch die Einkürzung der Pflanzen ist ein solch drastisches Beispiel. „Lager ist verboten“ heißt heute der Leitsatz. Neben Ertrags- und Qualitätseinbußen schlägt sich besonders die schlechte Druscheignung in den Kosten nieder. Schnittähren, Auswuchs, Unkrautdurchwuchs, schlechte Abtrocknung und ungleichmäßiger Gutfluss erhöhen den Kraftstoffbedarf, die Verluste und die Kornfeuchte. Die Ernte von totalem Lager kann letztlich teurer werden, als der Gesamterlös einbringt.Bei diesen beiden Beispielen wird jedem die Bedeutung der Druscheignung klar. Und man sagt sich: Den Strobilurin-Einsatz und die Einkürzung habe ich im Griff. Was im Großen ganz offensichtlich geschieht, spielt sich jedoch auch im Kleinen ab, das heißt, mit jeder bestandesführenden Maßnahme, wirkt man nicht nur auf Ertrag und Qualität ein, sondern kann auch bewusst die Druscheignung verbessern. Das schafft günstige Voraussetzungen für das anschließende Mähdruschgeschäft.
Ein Beispiel ist die Stickstoffdüngung. Werden Schläge konstant gedüngt, sind auf Grund der Heterogenität einige Teilflächen über- bezie-hungsweise unterversorgt und reagieren mit entsprechend starker beziehungsweise schwacher Entwicklung der Biomasse. Die Differenzen in der Bestandesdichte werden sogar verstärkt.
Biomasse und Abreifeverhalten stehen wiederum in engem Wechselverhältnis. Teilflächen mit mehr BiomasÂ-se benötigen für die Abreife eine längere Zeit als Teilflächen mit geringer Biomasse. Sie werden von der Sonne unterschiedlich stark durchstrahlt und die Zermürbungsprozesse über die Witterung verstärken nochmals den heterogenen Abreifeverlauf. Innerhalb eines Schlages liegen demnach verschiedene Abreifezustände direkt nebeneinander.
Teilflächen mit überreifem Stroh und Korn wechseln mit Teilflächen mit druschreifem Material neben Teilflächen mit noch grünem Stroh und gerade erst abgereiften Körnen. Jede dieser Teilflächen hat ein anderes optimales Erntefenster, was natürlich in der Praxis nicht realisierbar ist. Der Mähdrescher arbeitet mit permanent wechselnder Belastung. Eine ungleichmäßige Verarbeitung des Erntegutes führt zwangsläufig zum Leistungsabfall.
Differenzierte N-Düngung homogenisiert die Abreife
Die differenzierte Stickstoffdüngung, beispielsweise mit dem N-Sensor, homogenisiert diese Abreifeunterschiede sowohl auf den Teilflächen als auch kleinsträumig innerhalb eines Quadratmeters. Auf einem laufenden Meter schwankt die Anzahl der Ähren sehr viel weniger, sie sind gleichmäßiger auf einer bestimmten Wuchsetage angeordnet, und die oft zähen, grünen Nebentriebe sind stärker reduziert. Das verbessert die Gesamtabreife und damit die Druscheignung erheblich. In mehrjährigen Versuchen erzielte der Mähdrescher eine Mehrleistung von 15 bis 20 Prozent bei geringerem Kraftstoffverbauch.
Die „Nebenwirkungen“ durch verbesserte Druscheignung ‑ mit Turboeffekt für den Mähdrescher ‑ für hohe Erntesicherheit, geringere Verluste und Trocknungskosten sind nicht minder wertvoll als die Ertrags- und Düngeeinspareffekte dieser Maßnahme.
Genau solche Zusatzeffekte bilden den Unterbau für die „Ernteplattform“. Dessen ungeachtet werden sie in ihrer Wirkung stark unterschätzt, weil man sie zwar fühlt, aber auf Grund ihrer weitreichenden und komplexen Auswirkung monetär nur schwer fassen kann. Dagegen sind die Effekte von Maßnahmen auf Ertrag und Qualität schnell in Euro/dt ausgewiesen. Bestandesführende Maßnahmen sind deshalb auch stets mit Blick auf die Druscheignung durchzuführen.
Rapsblütenbehandlung schiebt die Ernte nach hinten
Ein anderes Beispiel zur bewussten Steuerung der Druscheignung ist die Rapsblütenbehandlung. Noch vor zehn Jahren galt der Raps als Rennfahrerkultur, in welcher der Mähdrescher hohe Leistungen erreichen konnte. Die Druscheignung als „Plattform“ für die Mähdrescherleistung war gut. Die modernen Sorten produzieren nun beständig mehr Biomasse und mit der intensiven Bestandesführung sowie Blütenbehandlung hält man die Assimilation länger aufrecht. Beerntet man diese vitalen Bestände zum herkömmlichen Erntetermin, sinkt die Mähdrescherleistung drastisch. Die meisten Landwirte haben damit ihre leidvollen Erfahrungen gemacht beziehungsweise machen sie noch heute.Etwa 4000 l zieht der Mähdrescher je Hektar durch die Maschine, die Ausdruschverluste an Gummischoten steigen, die Arbeitsorgane verschmieren, die Abscheidung verschlechtert sich. Mähdrescherleistung, Ertrag und Öl sind dahin. Die Plattform für ein effizientes Mähdruschgeschäft hat sich verschlechtert, auch wenn Logistik und Fahrerkünste top sind.
Die gute Druscheignung intensiv geführter Bestände ist deutlich später erreicht. Auch diese Erfahrung haben die meisten Landwirte schon gemacht, wenn sie eine Rapspartie aus Witterungsgründen stehen lassen mussten, die sich dann eine Woche später mit doppelter Mähdrescherleistung beernten ließ.
Da nun Raps und Weizen immer stärker um die besten Erntetermine konkurrieren, kann man versuchen, einen bestimmten Anteil Raps erst nach dem Weizen zu dreschen. Die benötigte längere Vitalität der Bestände erreicht man beispielsweise durch eine veränderte Blütenbehandlung.
Strobilurinanteiliges Fungizid in die abgehende Blüte geben
Man appliziert ein strobilurinanteiliges Fungizid nicht in die Vollblüte, sondern in die abgehende Blüte. Hier trifft das Mittel auf die ersten angesetzten Schötchen, die gleichsam als ungeformtes Blatt die Mittel intensiver verwerten. Strobilurine entfalten physiologische Nebeneffekte, die man als Greening wahrnimmt. Der Bestand bleibt länger vital, assimiliert länger, produziert einen höheren Ertrag und wird etwa 7 bis 14 Tage später beerntet.
Dadurch, dass verstärkt die oberen Schoten benetzt werden, reifen sie insgesamt synchroner mit dem unteren Schotenpaket ab. Natürlich ist diese verzögerte Verfahrensweise nur erlaubt, wenn keine Sklerotinia-Gefahr besteht. Im Feldversuch ergab sich ein ertragliches Plus von etwa 100 Euro/ha im Vergleich zur Vollblütenbehandlung.
Noch entscheidender sind jedoch das Stehenlassen im Sicherheitsmodus und die Entschärfung der Ernte-Rivalität von Raps und Weizen. So kann man die Bestände in ihrem jeweils optimalen Erntefenster bei guter Druscheignung beernten und dem Mähdrescher die erforderliche Ernteplattform bieten. Mähdrescher sind Hochleistungspferde.
Hohe Erträge nicht teuer bezahlen
Die Wirkprinzipien der Arbeitsorgane sind über 200 Jahre alt und bis heute „nur“ stetig mobilisiert beziehungsweise hochgezüchtet und deshalb sehr empfindlich. Jegliches Abweichen von den optimalen Druscheigenschaften führt zu Leistungsminderung und erhöhten Verlusten mit großen monetären Auswirkungen.
Deswegen müssen alle Verfahrensabschnitte von Anbau, Pflanzenernährung und Gesunderhaltung nicht nur vom Streben nach Höchstertrag geprägt sein, sondern auch vom Ziel, dem Mähdrescher mundgerechte und gut verdauliche Bestände anzubieten. Ansonsten produziert man mit viel Aufwand hohe Erträge, die infolge ungünstiger Druscheignung nicht umgesetzt werden können.
Aufgrund der Komplexität sind eine stärkere interdisziplinäre Forschung und eine verbindende Gemeinschaftsarbeit von Züchtung, Mittelhersteller, Technik- und Technologieunternehmen sowie Beratern notwendig. So kann die Wertschöpfung der Verfahrenskette durchgängig bis zum Drusch erhöht werden. Man hebt nicht nur den Ertrag an, sondern schafft zugleich die Plattform für eine leistungsstarke Beerntung.
Dr. Andrea Feiffer – LW 13/2013