Man muss auch mal loslassen können

Assistenzsysteme im Mähdrescher effektiv nutzen

Halten Sie sich eigentlich für einen guten Mähdrescherfahrer? Vertrauen Sie auch lieber den eigenen Fahrkünsten als Assistenzsystemen? Dann befinden Sie sich in bester Gesellschaft. Viele Fahrer lehnen Assistenzsysteme ab – zu teuer, kann ich besser. Zeit, eine Lanze zu brechen.

Wer nicht mehr lenken muss, kann seine Aufmerksamkeit auf Wichtigeres lenken.

Foto: Feiffer

Viele Unfälle zeigen immer wieder – in 90 Prozent der Fälle geschehen sie durch menschliches Versagen. Ob beim Kreuzfahrtschiff Costa Concordia oder beim entgleisten Zug in Santiago de Compostela: fast immer liegen die Fehler beim Menschen. Da werden Stoppsignale überrollt, Situationen falsch bewertet, da fehlen Kenntnisse und Fähigkeiten oder es mangelt an Konzentration.

Versagen ist menschlich

Die Palette der Unzulänglichkeiten ist lang. Warum also nicht Assistenten einschalten, die dem Menschen die Führung dort aus der Hand nehmen, wo es Automaten einfach besser können. Aber welcher Fahrer möchte sich schon von automatischen Steuerungssystemen entmündigen und bevormunden lassen. Wo kommt man denn da hin als Erntekapitän, wenn man zur Kontrollfunktion degradiert wird, wenn man wie ein Lokführer eines Hochgeschwindigkeitszuges nur alle 30 Sekunden auf den Tot-Mann-Knopf zu drücken hat, um kund zu tun, dass man nicht eingeschlafen ist.

Aber Selbstbestimmtheit hin oder her – die schwerwiegenden Folgen, die durch Fehler entstehen, zwingen dazu, bestimmte Handlungen Assistenzsystemen zu überlassen.

Smart anstatt hart

Intelligenz statt Stahl: Auch beim Mähdrescher forciert man den Trend, die Maschine mit Assistenzsystemen aufzurüsten. Das ist hoch sinnvoll, denn seit Jahren steckt die Auslastungsquote von Mähdreschern bei etwa 50 Prozent fest. Mit enormen Entwicklungskosten bringen die Hersteller die nächste Mähdreschergeneration mit noch höherer Leistung auf den Markt, aber die Hälfte der Mehrleistung verpufft. Solange das Missverhältnis nicht behoben ist, ist es lohnenswerter in Assistenzsysteme zu investieren, die die vorhandene Leistung besser ausschöpfen, als in höhere Leistung mit Stahl und PS.

Außerdem wird es heute immer schwieriger, gute Fahrer zu finden, die mit diesen Maschinen professionell umgehen können. Talent ist gut, aber Professionalität gehört dazu. Und die muss man sich erarbeiten, das dauert etwa zehn Erntekampagnen. Diese Zeit hat heute keiner mehr beziehungsweise will sich keiner mehr nehmen.

Dem Fahrer werden als erstes Routinen und stupide Tätigkeiten abgenommen. Denn sie binden die Konzentration an der falschen Stelle. So ist die automatische Anpassung des Schneidwerkes an die Bodenkontur mittlerweile Standard, die Anpassung der Haspeldrehzahl an die Fahrgeschwindigkeit kommt, die Lenkhilfe wird immer beliebter. Zunehmend zieht mehr Intelligenz in die Maschine ein mit Systemen, die selbst entscheiden, wie schnell gefahren wird und wie die Arbeitsorgane eingestellt werden.

Dr. Andrea Feiffer, feiffer-consult, Sondershausen – LW 23/2014