„Wir ernähren die Welt – und das nachhaltig“

19. Landwirtschaftliche Fachtagung im Nassauer Land

Die Menschen werden mehr, die Böden nicht. Bessere Landmaschinen und leistungsstarke Sorten sollen die Ernährung der Weltbevölkerung sichern. Bald wollen acht Milliarden Menschen ernährt werden. Geht das? In Idstein sprachen vorige Woche Donnerstag Experten über die gewaltigen Herausforderungen der Landwirtschaft für eine nachhaltige Versorgung der Menschen.

Karl-Peter Mütze, Vorsitzender des Verbandes für Landwirtschaftliche Fortbildung Hessen (vlf), eröffnete die zentrale Veranstaltung der 19. Landwirtschaftlichen Fachtagung im Nassauer Land in der von den Landfrauen vor Ort landwirtschaftlich herbstlich dekorierten Stadthalle. Er freute sich über die große Teilnahme von 160 Landwirten, Junglandwirten, Fachschülern, Vertretern der Agrarverwaltung, des Bauernverbandes und der Politik und weiteren Interessierten und begrüßte auch zahlreiche Ehrengäste.

Landwirte haben einen verantwortungsvollen Beruf

Karl-Peter Mütze, Vorsitzender des Verbandes für Landwirtschaftliche Fortbildung in Hessen.

Foto: Moe

Mütze stellte fest, die Landwirtschaft werde von vielen in der Gesellschaft unter Druck gesetzt, gleichzeitig werde die Arbeit der Landwirte sehr geschätzt. Einen Arbeitsplatz in der Landwirtschaft einzurichten, koste etwa 600 000 Euro, zum Vergleich in der Bauwirtschaft seien dies circa 60 000 Euro.

Der Vorsitzende der Landwirtschaftlichen Fachschulabsolventen Hessen appellierte besonders an die Junglandwirte, auch in Zeiten von Smartphones und sozialen Netzwerken ehrenamtliche Tätigkeiten übernehmen zu wollen, um die Anliegen ihres Berufsstandes gerade im Zuge einer kleiner werdenden Gruppe innerhalb der Bevölkerung zu vertreten. Mütze stellte die Tagungsreferenten vor, die sich in diesem Jahr mit dem Leitthema der Fachtagung im Nassauer Land, der Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft vor dem Hintergrund der wachsenden Weltbevölkerung, auseinander setzte.

Werner Born, VLF „Hof Geisberg“ Wiesbaden, moderierte die Tagung. Er meinte „Landwirtschaft und Nachhaltigkeit, das ist schon immer ein gemeinsames Werk gewesen. Allerdings sieht das die Bevölkerung oft anders“, so Born.

Über den gefundenen Kompromiss der Agrarministerkonferenz (AMK) vom 4. November in München zur Agrarreform sprach Joachim Dies­ner vom Wiesbadener Landwirtschaftsministerium.

Sein Vortrag umspannte zen­trale Neuerungen ab 2015. Es sind: Umschich­tungen, nationale Einheitsprämie, Kleinerzeugerregelung, Junglandwirteförderung und die Umsetzung des Greening. Die Agrarreform sieht er als ein Signal zur Umverteilung an kleinere Betriebe. Innerhalb der Förderung würden für diese künftig 7 Prozent der Beihilfen umgeschichtet. Durch die Angleichung der nationalen Prämiensätze könnten Hessens Landwirte insgesamt gesehen mit den Beschlüssen sehr gut leben, stellte Diesner fest.

Außerdem soll es einen Zuschlag für Junglandwirte geben. 1,1 Pro­zent der Direktzahlungen könnten demnach zur Förderung der Jung­landwirte ver­wendet werden. Die voraussichtliche Altersgrenze zur Bewilligung der Junglandwirteförderung liege bei 40 Jahren. Weitere Details, zum Beispiel welche Qualifikation des Landwirts zugrunde liegen solle, stünden aber noch nicht fest.

Joachim Diesner, hessisches Landwirtschaftsministerium, berichtete von der Agrarministerkonferenz.

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Wer Zahlungen in Höhe von bis zu 1 250 Euro pro Betrieb erhält, kann sich als Kleinerzeuger erklären. Damit unterliegt er nicht den Greening-Auflagen und nicht den Cross-Compliance-Kontrollen. Das landwirtschaftliche Fachrecht, wie die Kennzeichnung der Schafe, müsse er aber trotzdem einhalten. In Hessen betrifft nach Diesners Einschätzung die Kleinerzeugerregelung etwa 4 500 Betriebe.

In diesem Zusammenhang zitierte er Dr. Till Backhaus, Landwirtschaftsminister von Mecklenburg Vorpommern, der leicht ironisch kommentiert haben soll, dass mit der Kleinerzeuger­­rege­lung es nun das erste Mal sei, dass der Osten den Westen helfe. Aufgrund der überwiegend großstrukturierten Landwirtschaft in den neuen Bundesländern, finden Kürzungen durch die Modulation zu Gunsten einer Umverteilung an kleinere Betriebe in den alten Bundesländern statt. Weiterhin sprach Diesner über die Vorschläge zum geplanten Greening, den ökologischen Vorrangflächen. Er erwartet einen „Run auf die Landschaftselemente“, wie Feldgehölze, weil diese als anrechnungsfähige Greening-Komponente gelten sollen. Zu den Sanktionsvorschriften bei Nichteinhalten der Greeningauflagen, ergänzte er, dass bei Verstößen gegen die Vorschriften, Landwirte mit Kürzungen bei ihren Direktzahlungen rechnen müssten, die teils höher seien, als die Greeningprämie und zwar maximal 125 Prozent der Greeningprämie.

Je gerechter es werden soll, umso komplizierter wird es

4,5 Prozent der nationalen Obergrenze erfolge als Umschichtung in die zwei­te Säu­le für Direktzahlungen ab 2015, insgesamt seien nach dem AMK-Beschluss 15 Prozent mehr Mittel in der zweiten Säule. Auch sprach er über die Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete (AGZ) sowie über das neue Agrarumweltprogramm ab 2015 HALM (Hessisches Programm für Agrar-, Umwelt- und Landschaftspflegemaßnahme). Aus der Kofinanzierung der EU nach dem HIAP-Programm werde es künftig mit HALM eine länderbezogene Finanzierung geben.

Unter dem Strich stellte Diesner fest, die technische Umsetzung der Agrarreform sei noch nicht eindeutig. Er erwartet, dass mit der Agrarreform ein höherer Verwaltungsaufwand einhergeht und meinte „Je gerechter es werden soll, um so komplizierter wird es. Damit steigt der Verwaltungsaufwand.“ Eine lebhafte Diskussion folgte. Beispielsweise schlug Thomas Kunz, Vorsitzender des Kreisbau­ernverbandes Rheingau-Taunus, vor, den landwirtschaftlichen Fachschulabschluss als Zugangsvoraussetzung zur Junglandwirteförderung zugrunde zu legen.

Hauptaufgabe der Bauern, Bevölkerung zu ernähren

„Wie geht es Ihnen denn, liebe Landwirte?“ Diese Frage stellte Kurt Glück von der Horsch-Ma­schinenfabrik im bayerischen Schwandorf an die Zuhörer. Aus dem Publikum kam die Antwort „Kein Kommentar“. Worauf er folgerte, „wenn sich so ein Landwirt äußert, dann geht es ihm gar nicht so schlecht“, so der Marketingleiter der Firma Horsch. Glück sprach über das Thema „Nach­haltige Landbewirtschaftung: Global und Regional.“ Die Hauptaufgabe der Landwirte sei, die Weltbevölkerung zu ernähren. Zur Leistungsstärke der Landwirtschaft gehöre die kapitalintensive Ausstattung der Betriebe. Glück machte den Landwirten im Saal Mut und sagte „Sie wirtschaften im Paradies, denn Sie erzeugen hier auf guten Böden, haben kurze Wege, um Ihre Produkte an den Mann zu bringen und obendrein einen sehr zahlungskräftigen Markt direkt vor Ihrem Betrieb – diese günstigen Voraussetzungen gibt es nur in ganz wenigen Regionen auf der Welt.“

Kurt Glück von der Horsch-Maschinenfabrik sprach zum Thema der nachhaltigen Landbewirtschaftung.

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Auch blickte Glück auf die sogenannten schlafenden Agrarriesen wie Russland und erwartet von diesen viel weniger, als häufig erwartet werde. Ihr von Landwirten oft befürchtetes Potenzial wegen der großen derzeit noch unproduktiven Step­pen dieser Regionen, wird nach seiner Einschätzung in den nächsten Jahren oder sogar Jahrzehnten noch nicht mobilisiert, weil das nötige Kapital zur Investition in die Erzeugung fehlt. Wenn die erforderliche Finanzierungsstärke, in circa 20 Jahren vorhanden ist, seien beispielsweise die Phosphorvorräte bereits zum Großteil erschöpft und in der Folge keine nennenswerte Ertragssteigerung mehr möglich, so Glück.

Image der Bauern nach dem Polizisten und vor dem Lehrer

Das Image der Landwirte sei nicht so schlecht, wie viele meinten. Es liege auf Platz sieben und käme nach dem Polizisten und vor dem Lehrer. „Der Bauernverband allein kann das Image der Landwirtschaft nicht verbessern. Das müssen wir alle tun. Aber der Verband unterstützt die Landwirte darin, das Image ihres Berufstandes zu verbessern.“ Glück sagte, letztlich entscheide der Verbraucher, denn er geht davon aus, dass Lebensmittel teurer werden müssen, damit das nachhaltige Wirtschaften der Landwirte auch Anerkennung in der Bevölkerung findet.

Dr. Ralph Büchler, Leiter des Bieneninstituts des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen in Kirchhain.

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Firma Horsch hat in letzter Zeit Auszeichnungen für ihre nachhaltige Landtechnik bekommen und ist auf dem Landmaschinenmarkt erfolgreich. Gebaut werden die Maschinen an drei Standorten in Deutschland: In Schwandorf, in Landau und in Gera. 1 200 Mitarbeiter sind für Horsch tätig. Dieses Jahr wurde ein Umsatz in Höhe von 250 Mio. Euro erzielt, zehn Jahre zuvor lag dieser noch bei etwa 28 Mio. Euro. 25 Prozent des Umsatzes werden in Deutschland und 75 Prozent im Ausland erwirtschaftet, vom Auslandsumsatz werden wiederum circa 20 Prozent in Frankreich erzielt.

„Landwirte und Imker sitzen in einem Boot“

Nach der Mittagspause sprach Dr. Ralph Büchler, Leiter des Bieneninstituts des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen in Kirchhain, über den Zusammenhang von Imkerei und Landwirtschaft. Im LLH-Bieneninstitut werden rund 300 Völker, das heißt circa 5 Mio. Bienen gehalten. In seinem Vortrag über die „Ansprüche einer veränderten Agrarstruktur“ erläuterte er die rapiden Veränderungen in der Landschaft. In der Folge sei das Ãœberleben der Biene schwer.

In Deutschland gibt es über 500 wildlebende Bienenarten. Nur eine Art, die westliche Honigbiene, liefere Honig. Gleichzeitig sei diese Honigbiene ein Generalist und damit ausgesprochen lernfähig, sie passe sich vie­len Blütenformen schnell an, nutzt einen weiten Aktionsradius und sei extrem anpassungsfähig.

Mit den Eigenschaften sei die Honigbiene damit auch wichtig für die Bestäubung im Nutzpflan­zenbau, so Dr. Büchler. Mais und Getreide seien aber windblütig und damit nicht von ihr abhängig. Hingegen der Raps die beliebteste Nutzpflanze aus Sicht der Imker ist.

Wenn Bienenhäuser am Rapsfeld aufgestellt werden, sei die Blüh­phase des Rapses kürzer, die Abreife gleichmäßiger und in der Folge sei der Ertrag sicherer und höher. Die Honigbiene erbringe eine Leistung, die nach einschlägigen Studien durchaus etwa 10 Prozent des Ertrages landwirtschaftlicher Blühpflanzen ausmachten. Der Pflanzenschutz in Deutschland sei auch aus Sicht der Imker gut geregelt, dennoch bleibe dieser ein Reizthema.

Die wachsenden Feldgrößen im Zuge des Strukturwandels seien nicht das Problem: „Eine Honigbiene kann in Ostdeutschland auch ein drei km großes Feld gut überfliegen.“ Es gebe aber Probleme mit bienenschädlichen Stoffen in Pflanzen­schutz­mitteln. So sind die Neonicotinoide giftig für die Bie­ne. Sie führt dazu, dass die Biene ihre Orientierung verliert und nicht mehr den Weg zurück in den Bienenstock findet. Andere Stoffe wirkten erst bei langer Sammlungsdauer der Bienen von Pollen schädlich auf das Insekt.

Büchler berichtete von einem Besuch bei Kollegen in den USA, wo die Honigbiene flächendeckend nicht mehr vorhanden sei und Imker mit ihren Völkern bei Bedarf in die Regionen „per Auftrag“ fahren und sagte. „Bis zu 20 000 Kilometer im Jahr werden in Amerika Bienenvölker hoch und runter zu den Farmen transportiert, von Kalifornien bis zur Grenze nach Kanada. Dort gibt es professionelle Bienenhalter, die nur von der „Bestäubungs­prämie“ leben, die den Imkern gezahlt wird – Das wollen wir hier nicht.“

In Hessen habe das Grünland in den letzten Jahren eine starke Veränderung erfahren. Moderne schlagkräftige Technik führe dazu, dass an einem Tag weite Blühflächen gemäht werden und so die Nahrungsquelle der Biene fehlt. Allerdings müssten Landwirte die moderne Landtechnik nutzen, um ihren Betrieb zu erhalten. Dr. Büchler warb für ein Miteinander: Die wirtschaftlichen Zwänge der Landwirte er­kennen die Bienenhalter an, betonte der Experte.

Fabian Böke, Beratungsstellenleiter Hessen der KWS Saat AG für Raps, Mais und Sorghum.

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Und doch müssten Lösungen gesucht werden, beispielsweise durch Anlegen von Blühstreifen oder durch sukzessive Mahd. „Wenn blühende Wiesen in der Nähe sind, kann keine Biene verhungern.“ Er sagte „Landwirte und Imker sitzen in einem Boot, beide können nur miteinander leben“, und ging damit auf die Landwirte im Saal zu.

Erträge haben sich binnen einer Generation verdoppelt

Ãœber nachhaltige Pflanzenzüchtung sprach Fabian Böke, Beratungsstellenleiter Hessen für Raps, Mais und Sorghum von der KWS Saat AG aus Einbeck. KWS zählt zu den zehn größten Saatzuchtunternehmen in der Welt, von insgesamt über 4 500 Mitarbeitern sind etwa 1 500 in Deutschland tätig. Am Beispiel der Zuckerrübe erläuterte Böke, dass sich die Erträge binnen einer Generation und zwar im Zeitraum von 1975 bis 2010 verdoppelt haben: „Das ist Nachhaltigkeit in der Pflanzenzüchtung.“ Vielen Herausfor­derungen müsse sich die Pflanzenzüchtung auch weiter stellen. Zum Beispiel werden mit Blick auf den Klimawandel Sorten gebraucht, die hohe und stabile Erträge bei geringerem Wasserverbrauch und effizienterer Nutzung der Pflanzennährstoffe bringen. Das er­for­dere weiter steigende Anforderungen an die Landwirte, so Böke. Für ihn steht fest „zwischen Lenkrad und Sitz liegt der größte Einfluss auf nachhaltigen Erfolg im Ackerbau.“

Moe  – LW 48/2013