Milchviehbetriebe müssen erst ihre Reserven wieder auffüllen

Portrait im Zuge der Landwirtschaftlichen Fachtagung

Der Milchpreis soll steigen: Auf einen Mehrerlös warten die Landwir­te in Hessen aber noch. Bernhard Höhler vom Lindenhof in Bre­chen im Kreis Limburg-Weilburg, Vorsitzender des VLF im Nassauer Land, erläuterte im Zuge der Landwirtschaftlichen Fachtagung im Nassauer Land 2016 die aktuelle Lage, wie sie derzeit für viele Milcherzeuger in Hessen typisch ist. Er gab im Anschluss an die Veranstaltung Einblick in seinen Betrieb und beschrieb mögliche Perspektiven.

300 Kühe werden auf dem Lindenhof in Brechen in zwei Ställen gehalten. Bereits in den 1990er Jahren hat sich die Familie Höhler dazu entschieden, ihren betrieblichen Betriebsschwerpunkt auf die Milcherzeugung zu legen. Seitdem ist die Herde kontinuierlich angewachsen.

Foto: Johannes Koenig

Seit zwei Jahren nicht mehr kostendeckende Erzeugerpreise haben Spuren hinterlassen und viele Betriebe in Hessen zum Ausstieg aus der Milch­erzeugung gezwungen. Noch „voll im Geschäft“ ist die Familie Höhler. Der Betrieb mit rund 300 Milchkühen wird von Bernhard Höhler geleitet, der sagt: „Etwa 35 Cent plus Mehrwertsteuer pro Liter Milch brauchen wir im Schnitt, um langfristig wirtschaften zu können.“ Von der angekündigten Preiserhöhung durch die Discounter ist noch nichts beim Lindenhof angekommen. „Wir warten auf den Brief von unserer Molkerei.

Die Nachfrage nach Kühe steigt bereits an

Allerdings steigt auf dem Markt bereits wieder die Nachfrage nach Milchkühen, denn in Norddeutschland bezahlen Molkereien bereits 30 Cent je Liter.“ Eine Entwicklung, die Bernhard Höhler mit gemischten Gefühlen sieht: „Mehr Geld zu verdienen, ist nötig und je nach Höhe der Preissteigerung kommen im Monat schnell mehrere Tausend Euro zusätzlich zusammen.“

Ein „warmer Regen“, der einige Landwirte jedoch regelmäßig da­zu verleitet, „jetzt richtig durchzustarten“, in neue Kühe zu investieren und somit selbst die Basis fürs nächste Ãœberangebot und den unweigerlich folgenden Preisverfall zu legen. Ferner sind Investitionen nicht ohne Fremdkapital zu stemmen. „Bis Anfang der 1990-er Jahre waren Schulden ein Fremdwort für uns. Dann bauten wir unseren ersten großen Stall, was auch richtig war. Ab einem bestimmten Punkt ge­hört der Betrieb dann aber praktisch der Bank. Das muss jeder für sich selbst abwägen, ob er da­mit leben kann. Deshalb werden wir mit weiteren Investi­tio­nen erst einmal warten“, betont Höhler.

Landwirtschaftsmeister Bernhard Höhler hofft einerseits dringend auf höhere Erzeugerpreise, um die betrieblichen Reserven infolge der langen Milchpreisekrise auffüllen zu können, befürchtet aber gleichzeitig, dass ein steigender Milchpreis zur Ausdehnung des Angebots und damit wieder zum Preisverfall führt.

Foto: Johannes Koenig

Jeweils 27 Liter Milch täglich geben die Kühe auf dem Lindenhof. Der Herdendurchschnitt liegt bei circa vier Laktationen je Kuh. Gehalten werden die Kühe das ganze Jahr über in den Ställen. „So können wir die Bedingungen am besten steuern.“ Für kalbende Kühe gibt es eine mit Stroh ausge­legte Halle. Der Boden hat eine Gummi-Oberfläche. Gefüttert werden die Tiere mit Silage und proteinreichen Rapsschrot. Etwa 50 kg Futter benötigt eine Kuh am Tag: „Wir produzieren unser Futter selbst und halten entsprechend Vorräte vor“ – so kommt der Betrieb auch durch trockene Sommer, ohne Silage zukaufen zu müssen.

Betriebserfolg hängt von Tierwohl und Molkerei ab

Auf die Frage „Fühlen sich die Kühe im Stall wohl?“ antwortet der Landwirt „Als Fachmann bildet man sich das schon ein. Wenn etwas nicht stimmt, ist das an der Milchleistung ablesbar“. Kühe sind soziale Tiere mit einer Herdenhierarchie und haben auch ihre individuellen Vorlieben: „Es gibt Tiere, die können nicht schnell genug an der Melkmaschine sein, andere warten geduldig bis sie dran sind. Auch haben manche den eigenen Futterplatz, wo sie auch keine andere Kuh dulden.“ Das Erfolgsgeheimnis einer guten Haltung liegt darin, es jedem Tier recht zu ma­chen: „Denn der Chefkuh geht es immer gut, es sind die anderen, auf die es ankommt.“

„Gedeih und Verderb“ des Lin­denhofes hängen auch an „seiner Molkerei“, der Schwälbchen-Molkerei in Bad Schwalbach. „Wir produzieren eine verderbliche Ware, die Milch muss alle zwei Tage abgeholt werden. “ Kann Bernhard Höhler denn seinen Beruf unter diesen Umständen weiterempfehlen? „Eigentlich gibt es nichts Schöneres. Man geht aus dem Haus und ist gleich auf der Arbeit“, ist seine Antwort.

Koenig – LW 47/2016