Die Ertragsleistung steht im Vordergrund
LSV Winterraps und Anbauempfehlungen 2015/16
Noch liegen die Ernteergebnisse der diesjährigen Landessortenversuche nicht vor. Die Sortenwahl für die bevorstehende Aussaat muss allerdings nun getroffen werden. Hilfestellung dazu bieten die mehrjährigen Beobachtungen und Daten aus den Landessortenversuchen (LSV), sie sind die Grundlage der Sortenberatung des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen (LLH). In diesen unabhängigen und neutralen Sortenprüfungen werden an vier hessischen Versuchsstandorten die aktuellen Sorten und Neuzulassungen geprüft. Anhand mehrjähriger Versuchsergebnisse können die Leistungen der Sorten gut eingeschätzt und daraus die entsprechenden Sortenempfehlungen abgeleitet werden.
Für den Praktiker steht bei der Sortenwahl zunächst die Ertragsleistung im Vordergrund. Unter widrigen Witterungs- und Bodenbedingungen zeigt sich jedoch, dass dieses Ertragspotenzial immer durch weitere, sogenannte ertragssichernde Eigenschaften einer Sorte untermauert werden muss. Denn nur anpassungsfähige und gesunde Sorten bringen, wenn es hart auf hart kommt, ebenfalls stabile und sichere Erträge.Winterhärte, Wüchsigkeit, Standfestigkeit und Gesundheit
Wichtige Eigenschaften, die die Ertragstreue einer Rapssorte mitbestimmen, sind daher die Winterhärte, die Wüchsigkeit im Herbst und Frühjahr, die Standfestigkeit und nicht zuletzt die Krankheitstoleranz. Nicht in jedem Jahr werden alle diese Merkmale bedeutsam, aber in kritischen Jahren oder auf problematischen Standorten sind sie entscheidend für das Ergebnis. Hinsichtlich der Marktleistung ist der Ölgehalt einer Sorte wichtig. Aus den Auswertungen der hessischen LSV ergibt sich ein Vorteil von über 300 Euro/ha für Sorten mit hohen Ölgehalten und Erträgen.
Im vergangenen Herbst fand die Rapsaussaat in Hessen teilweise unter suboptimalen Bedingungen statt. Die Flächen waren aufgrund der feuchten Witterung schon bei der Ernte der Vorfrucht durch Strukturschäden belastet und die Bodenvorbereitung zur Rapssaat war nicht immer optimal. Teilweise verzögerte sich die Aussaat aufgrund der Bodenverhältnisse bis weit in den September hinein.
Saatbettqualität geht vor Termin
Im Nachhinein zeigte sich erneut, dass die Devise „Saatbettqualität geht vor Termin“ richtig ist. Wo bessere Saatbedingungen abgewartet wurden, konnten oft gleichmäßigere und hinreichend gut entwickelte Bestände erreicht werden. Zu feucht bearbeitete Flächen zeigten ungleichmäßigen Aufgang und teilweise kamen noch starke Schneckenprobleme dazu. Die milde Winterwitterung förderte die Bestände, aber auch der Phoma-Blattbefall baute sich auf.
Durch den Wegfall der insektiziden Beizen war kein Schutz vor Rapserdfloh und Kohlfliege über das Saatgut möglich. Regional traten diese Schädlinge im Herbst stärker in Erscheinung, und es musste mit Insektiziden reagiert werden. Geringer Befall durch Kohlfliegenlarven an den Wurzeln konnte auch in den Landessortenversuchen (LSV) festgestellt werden. Dieser wurde von gut entwickelten Rapspflanzen jedoch toleriert und führte nicht zu Ausfällen. Die angewachsenen Mäusepopulationen in vielen Regionen Hessens mussten kontinuierlich bekämpft werden, und diese Problematik wird uns auch in der kommenden Saison begleiten. Schon bei der Stoppelbearbeitung sollte daher das Thema Mäuse angegangen werden.
Hinweise zur Sortenwahl
Die Rapserträge unterliegen stärkeren jährlichen Schwankungen als die Erträge bei anderen Winterungen, und diese Schwankungen belaufen sich auf etwa 25 Prozent. Gleichzeitig ist Raps die Ackerbaukultur, in welcher die höchste Pflanzenschutzintensität gefordert ist. Daher kommt der Wahl von ertragstreuen, robusten Sorten im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit und Risikoabsicherung hohe Bedeutung zu.
Anhand der mehrjährigen Auswertung der hessischen LSV ist eine Beurteilung der Sorten im Hinblick auf die Ertragssicherheit und damit auf das Anbaurisiko möglich (Tabelle 1). Hier sind die Sorten mit ihren Relativerträgen im Vergleich zum Versuchsdurchschnitt ausgewiesen. Durch die Zuschläge für höhere Ölgehalte (Faktor 1,5 für Ölgehalte über 40 Prozent) können sich Sorten mit guten Ölgehalten in der Rangfolge nach vorn schieben.
Die Auswertung der Ergebnisse hinsichtlich der bereinigten Marktleistung (Ertragsleistung unter Einbeziehung des Ölgehalts und der Saatgutkosten) ist in Tabelle 2 dargestellt. Langjährig für ihre hohen Ölgehalte bekannte Sorten sind Adriana (L), Avatar, Comfort, Genie, Midas, PR46W20, PR46W26, Raptor und auch die im ersten Jahr geprüfte Sorte Mercedes.
Keine neuen Liniensorten
Bei den Liniensorten sind aktuell keine Neuzulassungen zu verzeichnen. Die neuere Sorte Patron zeigte im ersten Prüfjahr sehr ansprechende Erträge deutlich über dem Versuchsmittel und auch die Ölgehalte lagen über dem Durchschnitt. Damit schiebt sich Patron in der bereinigten Marktleistung ganz weit nach vorn und kann für einen Probeanbau in Betracht gezogen werden.
Adriana empfiehlt sich nach wie vor durch ihren hohen Ölgehalt und die gute Phomatoleranz. Sie besitzt bei guter Saatzeitflexibilität eine ausreichende Winterhärte und ist auch für Mulchsaatbedingungen geeignet.
Als besonders früh abreifende Sorte (Elektra-Niveau) und mit guter Phoma-Toleranz ist ES Alegria zu nennen. Im Frühjahr 2012 war ihre Winterhärte jedoch nicht ganz ausreichend, sodass sie ertraglich damals einbrach.
Die gut standfeste Sorte NK Grandia reift später ab und zeigte in drei Prüfjahren überdurchschnittliche Erträge und Marktleistungen. Diese recht robuste und gesunde Sorte eignet sich aufgrund ihrer verhalteneren Herbstentwicklung auch für etwas frühere Saattermine.
Einige neue Hybridsorten
Bei den Hybridsorten sind einige neue Züchtugen hinzugekommen, die nach nunmehr zwei- oder dreijähriger Prüfung recht sicher eingeordnet werden können.
Zu nennen wäre Avatar, der sich sowohl durch gute Erträge als auch hohe Ölgehalte empfiehlt. Diese frohwüchsige Sorte sollte nicht zu früh ausgesät werden. Sie zeigt eine frühe gleichmäßige Reife, auf Phomabefall sollte geachtet werden.
Nach zweijähriger Prüfung zeigt Raptor recht stabile Erträge über dem Versuchsmittel und liefert auch hohe Ölgehalte, die Strohabreife verläuft etwas verzögert.
Comfort brachte in Hessen zweijährig ebenfalls hohe stabile Erträge bei guter Qualität und tendenziell etwas späterer Reife.
Der wüchsige DK Exstorm hat nach den guten Vorjahresergebnissen in diesem Jahr in Hessen ertraglich etwas enttäuscht, die Ölgehalte liegen im Mittelfeld. Er reift ebenfalls etwas später ab und kann zu Lager neigen.
Der frohwüchsige Arsenal besticht durch sehr zügige Jugendentwicklung und schnelle Regeneration im Frühjahr, er liegt ertraglich jedoch nur knapp über dem Mittel.
Bei guten Erfahrungen im Betrieb können durchaus auch ältere Sorten auf Teilflächen beibehalten werden. Zu nennen wäre hier weiterhin Visby, der trotz der eher schwachen Ölgehalte und der rückläufigen Erträge für spätere Saattermine, ungünstigere Standorte und schwierige Aussaatbedingungen empfehlenswert ist.
Sherpa ist ebenfalls robust und bringt solide Erträge etwas über dem Durchschnitt bei leichten Schwächen im Ölgehalt.
Genie lag mit etwas streuenden Ergebnissen ertraglich knapp am Mittel.
Mehrjährig geprüft zeigen auch PR46W20 und PR46W26 stabile Erträge am Versuchsdurchschnitt bei gleichzeitig hohen Ölgehalten und guter Druschfähigkeit. Hinsichtlich der Fruchtfolgestellung sollte die etwas höhere Anfälligkeit gegen Phoma und Sclerotinia beachtet werden.
Sorten mit Kohlhernietoleranz
Im LSV wurden neben Mendel mit Andromeda und SY Alister zwei weitere Sorten mit Kohlhernietoleranz geprüft. Nach zwei Prüfjahren liegen beide Sorten mit etwas streuenden Ergebnissen am Versuchsdurchschnitt, hier ist also eine deutliche Leistungssteigerung zu beobachten. Diese Kohlhernie-Toleranz ist in allen derzeit damit ausgestatteten Sorten monogenisch begründet und könnte vom Erreger potenziell leicht überwunden werden.
Daher sollten solche Sorten nur auf Befallsstandorten angebaut und alle unterstützenden pflanzenbaulichen Maßnahmen ergriffen werden, um dem Erreger die Ausbreitung zu erschweren. Dazu gehören die standortoptimale Aufkalkung, die Erweiterung der Fruchtfolge sowie ortsüblich spätere Saattermine.
Nicht nur auf eine Sorte bauen
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass zur Risikostreuung bei entsprechender Rapsanbaufläche zwei bis drei Sorten zum Anbau kommen sollten. Damit lässt sich das Aussaatfenster erweitern sowie der Ernteablauf arbeitswirtschaftlich etwas entzerren. Auf einer Teilfläche können dabei auch neue, interessante Sorten ausprobiert und damit erste betriebliche Erfahrungen am eigenen Standort gewonnen werden.
Die Ergebnisse des diesjährigen interessanten Erntejahres bleiben abzuwarten, insbesondere die Reaktion der Sorten unter den besonderen Bedingungen der Frühsommertrockenheit, sowohl was die Erträge als auch was die Ölgehalte anbelangt.
Gabriele Käufler, Fachreferentin Marktfruchtbau beim LLH, Landwirtschaftszentrum Eichhof – LW 28/2015