Nur Fressbares beschäftigt Ferkel gut

Rohfaserbedarf der Tiere ist höher als vermutet

Schweinen in intensiven Haltungssystemen wird teilweise ein grundsätzliches Beschäftigungsdefizit unterstellt, was als der wichtigste Auslöser für Verhaltensstörungen gesehen wird. Das Beschäftigungsdefizit kann dadurch entstehen, dass die auf Zunahme und Futteraufnahme gezüchteten Schweine eine hohe Affinität zum Futter haben und gleichzeitig nur wenig Zeit für die Futteraufnahme benötigen. Dr. Eckhard Meyer, LfULG Sachsen, Lehr- und Versuchsgut Köllitsch, berichtet über Versuche mit unterschiedlichen rohfaserreichen Futtermitteln und deren Auswirkung auf Verhalten und Entwicklung der Tiere.

Das Bedürfnis von Schweinen, Futter zu suchen und kauen kann durch die üblichen Fütterungsverfahren teilweise nicht befriedigt werden. Unerwünschte Verhaltensweisen können die Folge sein. Rohfaser wie Gras-, Stroh- und Luzernecobs können die Tiere beschäftigen und gleichzeitig die Leistung und Gesundheit positiv beeinflussen.

Foto: Meyer

Nach wissenschaftlicher Einschätzung können moderne Fütterungsverfahren und die praxisüblichen Futterkonzentrate (gemahlen, flüssig) das Bedürfnis der Schweine, Futter zu suchen und zu kauen, nicht befriedigen. Die EU-Kommission fordert deshalb, dass angebotenes Beschäftigungsmaterial nicht nur manipulier- und untersuchbar, sondern auch kau- und fressbar sein soll. Das klassische Beschäftigungsmaterial Stroh zum Beispiel beschäftigt nachhaltig, weil es auch gefressen werden kann, passt aber nicht zu den üblichen Flüssigentmistungsverfahren. Die Übergänge vom Beschäftigungsmaterial zum (Zusatz-) Futtermittel sind damit fließend. Bei der Auswahl eines geeigneten organischen Beschäftigungsmaterials, kommen aber aus praktischer Sicht nur rohfaserreiche Raufutter in Frage, die einen geringen Nährstoffgehalt und die hygienische Qualität eines Futtermittels haben. Strohballen, von denen man nicht genau weiß, wo sie herkommen, passen nicht zu Betrieben mit hohem Gesundheitsstatus. Mit den steigenden Leistungen sind von der Rohfaserfraktion des Futters zunehmend positive Effekte zu erwarten. Während sie früher mehr als Nährstoffverdünner gesehen wurde, zeigen Versuche, dass sogar Aufzuchtferkel tendenziell besser wachsen (tägliche Zunahmen, Futteraufwand), wenn der Rohfasergehalt des Hauptfuttermittels angehoben (von 3 auf 5 Prozent) wird. Dabei ist die Verdaulichkeit der Rohfaser (ADF, NDF) zu beachten. Ferkelfutter sollten deshalb wenigstens 4, Mastfutter 5 Prozent Rohfaser enthalten.

Rohfaser ist nicht gleich Rohfaser

Aber Rohfaser ist nicht gleich Rohfaser. Während Effekte auf die Darmperistaltik auch mit inkrustierter (gering fermentierbarer) Rohfaser zum Beispiel aus Stroh zu erwarten sind, kann eine positive Beeinflussung der Darmflora nur erwartet werden, wenn ein Teil davon verdaubar ist. Nachgewiesen ist, dass die Steigerung beziehungsweise Optimierung des Rohfasergehaltes im Hauptfutter Gesundheit, Leistung und Futteraufwand beeinflusst, aber nicht zu einer ausreichenden Erhöhung von Beschäftigungszeiten führt. Raufutter (Heu, Gras, Stroh, Maissilage) beschäftigt vor allem die Aufzuchtferkel, die zu Verhaltensstörungen neigen, je nach Grobfutterart und Verarbeitungsgrad, nicht ausreichend. Raufutter kann als Wühlmaterial meist zeitlich begrenzt beschäftigen und den Magen füllen (mechanische Sättigung), es fehlt aber eine den Blutzucker ausreichend beeinflussende Komponente (chemostatische Sättigung). Nur diese sichert zumindest eine begrenzte Aufnahme und reduziert damit stärker die Motivation zu umgelenkten Verhaltensweisen.

Die verschiedenen Cobs wurden gut angenommen. Während der Aufzucht nahmen die Ferkel von den Grascobs (rechts) 1 700 g je Tier auf, von den Luzernecobs (links) 1 000 g und von den Strohcobs (Mitte) 500 g.

Pellets besser als Raufutter

Der Effekt der Beschäftigung kann nicht nur durch die Auswahl des rohfaserreichen Futtermittels, sondern auch durch deren Verarbeitung positiv beeinflusst werden. Beim Einsatz von technisch und thermisch unbehandeltem organischem Beschäftigungsmaterial bestehen nicht nur größere hygienischen Risiken (Mykotoxine, ASP), es steht auch die Frage, wieviel Stroh-, Heu- oder Luzernereste das bestehende Güllesystem bewältigen kann. Der Einsatz in nennenswerten Mengen stellt besondere Ansprüche an den Unterbau der Ställe und erfordert ein ganz anderes Entmistungssystem (Kotschieberanlagen). Ein Ausweg aus den Problemen kann die Verarbeitung der Futtermittel sein. Pelletierte Stroh- oder Grascobs werden von Ferkeln besser akzeptiert als gehäckseltes Luzerneheu und sogar besser als Maissilage. Es wird damit der Eindruck bestätigt, dass bereits Aufzuchtferkel ähnlich den Wildschweinen Futtermittel bevorzugen, die an die Konsistenz von Bucheckern oder Eicheln erinnern. So werden Strohpellets zwei- bis dreimal besser akzeptiert als Stroh. Sie stimulieren darüber hinaus die Aufnahme des Ferkelaufzuchtfutters. Die Pellets werden intensiv bearbeitet und aufgelöst. In einer Untersuchung sollte geklärt werden, welche Effekte von unterschiedlichen pelletierten rohfaserreichen Ergänzungsfuttermitteln auf das Wachstum und die körperliche Unversehrtheit von Aufzuchtferkeln zu erwarten sind.

Versuche mit unterschiedlicher Rohfaser

In zehn Versuchsdurchgängen wurden im Zeitraum von Mai 2016 bis Januar 2017 insgesamt 1 740 Ferkel in drei verschiedenen, hinsichtlich der Fütterungstechnik unterschiedlich ausgestatteten Abteilen in der Lehrwerkstatt Schwein des Lehr- und Versuchsgutes untersucht. Den Ferkeln in den Versuchs- und Kontrollgruppen wurde in unterschiedlichen Stufen der Schwanz kupiert (1/3 kupiert, 2/3 kupiert, Langschwanz). Die Haltung der durchschnittlich 22 Ferkel (77-er Eber * DB Viktoria) je Haltungsgruppe erfolgte gemischtgeschlechtlich in Doppelbuchten von 2 mal 8 m² Grundfläche und einem mittleren Platzangebot von 0,37 m² je Ferkel. Jede der vier Doppelbuchten eines Abteils wurde mithilfe eines in die Buchtentrennwand integrierten Rohrbreiautomaten mit Futter versorgt. Die Fütterungstechnik in den drei Ferkelaufzuchtabteilen variierte zwischen den Doppelbuchten. Dieser Effekt wurde im Hinblick auf die Fragestellung durch die Versuchsanlage ausgeschaltet. In den drei Abteilen wurden drei rohfaserreiche Ergänzungsfuttermittel (Strohpellets, Luzernepellets, Grascobs) in jeweils einer Hälfte der Doppelbuchten nacheinander in aufeinanderfolgenden Durchgängen in Ergänzung zur Hauptfütterung eingesetzt. Die analytisch ermittelten Inhaltsstoffe der eingesetzten Haupt- und Ergänzungsfuttermittel fasst die Tabelle 1 zusammen. Die Ferkel wurden vor dem Absetzen einzeln gewogen und anschließend nach dem wissenschaftlichen Standard für Fütterungsversuche auf die Behandlungsgruppen unter Berücksichtigung des Wurfes sowie des Einzeltiergewichtes verteilt. Die zweite Wägung und eine subjektive Bonitur von Schwanzverletzungen durch Nekrosen und Schwanzbeißen auf einer Skala von 1 bis 4 erfolgte nach 21 Versuchstagen, sowie zum Versuchsende nach durchschnittlich 35 Tagen.

 – LW 2/2018