Die Getreidebestände aufmerksam beobachten

Das Auge des Betriebsleiters bestimmt die Fungizid-Strategie

Die Krankheitssituation in den Getreidebeständen ist zurzeit noch relativ entspannt. Die weitere Witterung wird entscheiden, welcher Schaderreger sich in diesem Jahr wirklich durchsetzen wird. Danach muss der Landwirt entscheiden, welche Fungizidstrategie für die einzelnen Flächen und für den Betrieb die richtige ist. Hierfür ist eine regelmäßige Überwachung der Pflanzen unerlässlich. Dr. Ruben Gödecke vom Pflanzenschutzdienst beim Regierungspräsidium Gießen gibt einen Überblick über die verschiedenen Mittel und Behandlungsmöglichkeiten.

Wenn man gesunde Sorten im Anbau hat, kann in einem Trockenjahr wie 2015 eine Fungizidmaßnahme ausreichen, um den maximalen Ertrag zu generieren.

Foto: landpixel

Resistenzeigenschaften der verschiedenen Sorten, die Klimafaktoren der unterschiedlichen Anbauregionen, der Aussaattermin und die Düngung, dies sind die bekannten Einflussfaktoren auf das Krankheitsgeschehen in unseren Getreidebeständen. Seriöse Prognosen, welche Pilzkrankheiten in der kommenden Saison von Bedeutung sein werden, kann derzeit noch niemand erstellen. Gleichwohl sollten die Landwirte besonders in den kommenden Wochen, nachdem die Temperaturen angezogen haben, ihre Pflanzenbestände im Auge behalten. Die Aussaat konnte im vergangenen Herbst im Allgemeinen unter günstigen Witterungs- und Bodenbedingungen erfolgen. Selbst spätgesäte Rübenweizen entwickelten sich, auch aufgrund des relativ milden Winters, noch sehr beachtlich.

Aktuelles zu den Fungiziden

Auch in dieser Saison werden von den verschiedenen Herstellern wieder neue Produkte angeboten. Bei genauem Hinsehen wird der interessierte Anwender jedoch feststellen, dass hier nach der Devise gehandelt wird „alter Wein in neuen Schläuchen“:

Kantik: 200 g/l Prochloraz + 100 g/l Tebuconazol + 150 g/l Fenpropidin. Das Produkt hat mit 2 l/ha pünktlich zur Saison eine Zulassungserweiterung für den frühen Anwendungsbereich ab BBCH 31 zum T1 Termin erhalten und stellt somit eine Alternativen zum derzeitigen Standard Capalo dar. Hier muss jedoch auf die verschärfte neue Auflage VV214 hingewiesen werden; Stroh das mit Kantik behandelt wurde, darf nicht verfüttert werden.

Eleando: 150 g/l Prochlorz + 42 g/l Epoxiconazol. Ebenfalls im frühen Segment von BBCH 30-59 mit bis zu 3 l/ha zugelassen und breit wirksam gegen Halmbruch und Septoria im Weizen sowie Netzflecken und Rhynchosporium in der Gerste.

Beide Produkte zeichnen sich aufgrund der vorhandenen Azolwirkstoffe durch eine sehr gute Wirkung gegen Rostkrankheiten aus, so dass sie, falls es wieder zu einem starken Aufflackern von Gelbrost im Winterweizen kommen sollte, optimal im T1 Segment ihre Stärken ausspielen können.

Ceriax wurde als Vertreter der neuen Carboxamidchemie mit 41,6 g/l Fluxapyroxad + 41,6 g/l Epoxiconazol + Pyraclostrobin 66,6 g/l breit in den Kulturen Weizen, Gerste, Triticale und Roggen mit maximal je 3 l/ha zugelassen. Das in den letzten drei Jahren erfolgreich etablierte Adexar wurde in diesem Fertigprodukt um ein Strobilurin ergänzt und die Wirkungsbreite vor allem gegen Netzflecken in der Gerste noch verbessert.

Situation der Schaderreger

Mehltau: Spezialprodukte wie Talius und Vegas sind in den mitteldeutschen Regionen wie Hessen noch voll wirksam. In den norddeutschen Gebieten, wo Mehltau regelmäßig auftritt, haben sich einzelne Isolate gebildet, die vor allem von Talius nicht sicher kontrolliert werden. Wichtig ist der Einsatz von stabilen Aufwandmengen; jeder Betriebsleiter der hier an der Kostenschraube dreht, spielt mit dem Feuer der Resistenzbildung.

Septoria tritici: Auch wenn diese Krankheit in den hessischen Ackerbaugebieten in den vergangen Jahren eher eine untergeordnete Rolle gespielt hat, so muss man feststellen, dass bei verschiedenen Produkten erhebliche Wirkungsschwächen aufgetreten sind. Vor allem das sogenannte „Shifting“ der Azolwirkstoffe führt dazu, dass Produkte wie Epoxiconazol und Prothioconazol in ihrer heilenden und vorbeugenden Wirkung deutlich schwächer geworden sind, als zum Zeitpunkt ihrer Zulassung.

Prochloraz stellt hier eine Ausnahme dar und zeigt seit Jahren stabile Wirkungen, was die Zulassung von neuen Produkten mit diesem Wirkstoff erklärt. Als wichtigster Resistenzbrecher gehört in jede Behandlung gegen Septoria tritici der Wirkstoff Chlorthalonil (Bravo); dieses Produkt ist nicht resistenzgefährdet, es wirkt jedoch nur vorbeugend und muss zeitig eingesetzt werden.

Gelbrost: In den letzten beiden Anbaujahren war der Gelbrost mit der Verbreitung der Warrior-Rasse die dominierende Krankheit in den hessischen Weizenanbauregionen. Allen Anbauern wurde vor allem 2014 vor Augen geführt, wie stark sich die Wahl einer gesunden Winterweizensorte auf den Ertrag auswirken kann. Wurden hier zu späte oder gar keine Fungizidmaßnahmen durchgeführt, zeigten die Ergebnisse der hessischen Landessortenversuche Ertragsverluste in gelbrostanfälligen Sorten JB Asano oder KWS Loft von bis zu 50 Prozent.

Dies bestätigte sich auch in den Versuchen des Landesbetriebs Landwirtschaft (LLH) und des PSD Hessen. Um den maximalen Ertrag in anfälligen Sorten in Gelbrostjahren zu generieren, waren mindestens zwei Fungizidmaßnahmen mit vollen Aufwandmengen notwendig. Diese Punkte machen deutlich, dass jeder Betriebsleiter sich über das ackerbauliche Risiko im Klaren sein sollte, wenn zum Beispiel gelbrost- oder auch fusariumanfällige Sorten großflächig angebaut werden. Die Chemie kann viel reparieren, aber die Grundregeln des integrierten Pflanzenschutzes werden damit nicht außer Kraft gesetzt und gelten trotzdem.

Gerade in Anbaujahren, in welchen – wie aktuell – eher unterdurchschnittliche Erlöse für die Getreideernte zu erwarten sind, ist die Ausnutzung aller ackerbaulicher Maßnahmen zur Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln eine Möglichkeit, die Resistenzausbildung bei den Fungiziden zu reduzieren und gleichzeitig den eigenen Geldbeutel zu entlasten.

Flexibel in der Strategie

Wenn man gesunde, resistente Sorten im Anbau hat, kann sich in einem ausgeprägten Trockenjahr wie 2015 nur ein geringer Krankheitsbefall in den Getreidebeständen aufbauen. Es genügt dann in der Regel eine Fungizidmaßnahme, um den maximalen Ertrag zu generieren. Optimaler Zeitpunkt bei einer solchen Strategie für die Applikation ist das Fahnenblattstadium, so dass der gesamte Blattapparat geschützt wird. Im Durchschnitt der vergangenen Jahre wurden in Hessen eher die Doppelbehandlungen im Winterweizen gefahren. Erste stärkere Infektionen mit DTR, Septoria oder Gelbrost können durch eine gezielte Maßnahme im Zeitraum des beginnenden Schossens ausgeschaltet werden. Als fester Zusatz in dieser Mischung hat sich Bravo mit 1,0 l als Resistenzbrecher gegen Septoria tritici etabliert. In der zweiten Behandlung nach Abschluss des Schossens bieten sich in jedem Fall die neueren leistungsfähigen Carboxamid-haltigen Präparate an. Diese besitzen eine starke kurative Wirkung, sollten aber trotzdem nur einmal in der Saison eingesetzt werden, um der Resistenzentwicklung keinen Vorschub zu leisten.

Besteht auf den Flächen ein erhöhtes Risiko gegenüber Ährenfusarium (anfällige Sorte, Vorfrucht Mais) muss eine Fungizidmaßnahme in der Vollblüte eingeplant werden. Dies bedeutet, dass die Bekämpfungsstrategie vom Ende aus geplant werden muss und im Regelfall auf eine Dreifach-Behandlung hinausläuft. Wie bei der Doppelstrategie bereits beschrieben, sollen Carboxamid-haltige Wirkstoffe auch hier nur einmal eingesetzt werden. Dies bedeutet zur T-3 Maßnahme werden in der Blüte ausschließlich azolhaltige Produkte wie Prosaro oder Osiris eingesetzt.

Fungizidstrategien in Wintergerste

In den hessischen Pflanzenschutzversuchen bestätigt sich seit Jahren, dass in durchschnittlichen Befallsjahren eine Fungzizidmaßnahme im Wintergerstenanbau ausreichend ist. In Jahren wie 2015, als bis auf ein vereinzeltes Aufflackern von Zwergrost nahezu der komplette Vegetationszeitraum befallsfrei verlief, konnte auf dem Standort des LLH in Marburg in der unbehandelten Variante knapp 120 dt/ha in den Parzellen gedroschen werden. Solche Werte sind sicher nicht eins zu eins auf die Erträge im Feld übertragbar. Diese Ergebnisse zeigen aber, dass auch mit einer intensiven Doppelbehandlung im vergangenen Jahr trotz höheren chemischen und monetären Einsatzes nicht mehr Ertrag produziert werden kann. Wichtig ist auch hier das Auge des Betriebsleiters. Wenn keine Schaderreger in den Beständen zu sehen sind und man eine entsprechend resistente Sorte im Anbau hat, kann mindestens eine Maßnahme eingespart werden.

Sorgen bei Ramularia in der Gerste

Gezielte und wirksame Fungizidmaßnahmen gegen Ramularia müssen relativ spät in der Vegetation erfolgen; am wirksamsten sind Spritzungen zum Zeitpunkt des ersten Pinselns der Gerstenähre, so dass diese noch von den Wirkstoffen etwas getroffen wird. Als äußerst potenter Wirkstoff gegen Ramularia hat sich Chlorthalonil erwiesen, welches in den Produkten Amistar Opti und Credo in Kombination mit einem Strobilurin enthalten ist. In Süddeutschland wurden in der abgelaufenen Saison 2015 erstmals Ramularia-Isolate identifiziert, die von der neuen Wirkstoffgruppe, den Carboxamiden, nicht mehr vollständig erfasst werden konnten. In wie weit es sich hier bereits um eine vollständige Resistenz dieses Schaderregers gegen diese relativ neue Wirkstoffgruppe handelt, werden Untersuchungen in der laufenden Vegetationsperiode ergeben.

Als Reaktion darauf sollten, falls eine spezielle Ramulariamaßnahme eingeplant ist, im T-2 Bereich nur Produkte eingesetzt werden, die den Wirkstoff Chlorthalonil aus dem Credo oder AmistarOpti enthalten. Dieser Wirkstoff ist auch bei Ramularia ein Resistenzbrecher und weist hier noch keine Veränderung in den Wirkungsgraden auf. An Standorten wie den Höhenlagen Nordhessens, die Ramularia-unauffällig sind, kann darauf verzichtet werden.

Winterroggen gegen Braunrost absichern

Im Winterroggen ist der Braunrost die ertragsbestimmende Krankheit. Er tritt in den meisten Jahren erst zu Beginn des Ährenschiebens auf. Nach einem eher milden Winter wie 2015/ 2016 kann dieser sich aber auch bereits zeitig in der Schossphase in den Beständen ausbreiten, daher sind regelmäßige Kontrollen angeraten. Gegen die wichtigsten Krankheitserreger reicht im Regelfall eine Behandlung im Stadium BBCH 39-55 mit Produkten wie Adexar 1,7 l/ha, Seguris Opti, 0,8 l/ha + 1,2 l/ha, oder Aviator Xpro + Fandango (0,6 l/ha + 0,6 l/ha) aus. Sollte sehr spät noch Braunrost in die Bestände kommen, ist eine nochmalige Behandlung mit einem Tebuconazol-haltigen Produkt angeraten, da dieser Befall ertragswirksame Schäden verursachen kann.

 – LW 15/2016