Nur keinen Stress

Tipps für die Balance zwischen Beruf und Freizeit

Burnout, ausgepowert sein, totaler Stress – immer mehr Menschen sind davon betroffen. Vor allem Frauen in der Mitte ihres Lebens sind den Ansprüchen von Kindern, Haushalt, Arbeit und den älter werdenden Eltern nicht mehr gewachsen und geraten in eine regelrechte Erschöpfungs- und Sinnkrise. Aber auch viele Männer sind dem steigenden Druck nicht mehr gewachsen. Lassen Sie es nicht so weit kommen – so gelingt es, das Gleichgewicht zwischen Arbeits- und Privatleben, die „Work-Life-Balance“ zu halten.

Nach einer bewusst eingesetzten Pause, zum Beispiel mit einem guten Buch, ist man in der Regel viel leistungsfähiger als wenn man permanent „durchackert“.

Foto: imago images

Arbeiten bis zum Umfallen: Da ist zum Beispiel Susanne, eine 47-jährige Landfrau. Mit ihrem Mann betreibt sie einen Rindermastbetrieb im südlichen Hessen, die beiden haben drei Kinder. Der jüngste Sohn hat ADHS und braucht besondere Zuwendung. Finanzielle Probleme kamen in den letzten Jahren hinzu, sodass Susanne für einige Stunden in der Woche einen Job als Putzhilfe annahm. Die Schwiegereltern, die mit auf dem Hof leben, sind mittlerweile über 80 und brauchen regelmäßig Hilfe im Haushalt. Susanne glaubte, alles bewältigen zu können, schließlich hatte sie all die Jahre schon viel geleistet. Aber irgendwann ging es nicht mehr weiter: Die älteren Kinder und private Freundschaften kamen zu kurz, Privates und eigentlich schöne Dinge wie die seltenen Verabredungen mit einer Freundin oder die Treffen der Theatergruppe wurden wie Termine abgehakt, ohne Freude. Susanne konnte kaum noch etwas genießen, ging – außer zum Einkaufen - immer seltener überhaupt aus dem Haus.

Der Körper schlägt Alarm

Irgendwann kamen auch körperliche Symptome: Schlafstörungen, Verspannungen, Tinnitus. Als dann der 18-jährige Sohn einen Unfall mit dem Roller hatte, kam für Susanne der totale Zusammenbruch: „Ich habe nur noch geweint, fühlte mich völlig ausgelaugt“, berichtet die 47-Jährige. Zuletzt verdichtete sich bei Susanne immer mehr das Gefühl: „Egal, wie sehr ich mich anstrenge, es fällt mir immer schwerer, allen Anforderungen gerecht zu werden, die meine Umwelt an mich stellt.“ Ihre Gedanken beschreibt sie so: „Wenn ich beruflich die geforderte Leistung bringe, kommt meine Familie zu kurz. Wenn ich hingegen meiner Familie die gewünschte Zeit einräume, komme ich mit allem anderen nicht weiter. Ich kann noch so gut mit meiner Zeit haushalten, es bleiben meist genau die Dinge liegen, die wirklich wichtig sind.“

Jetzt ist sie für sechs Wochen mit einer typischen Burnout-Symptomatik in einer Tagesklinik und versucht, in Zukunft mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse ihres Körpers und ihrer Seele zu nehmen.

Zu viele Anforderungen

Schuften – bis der Arzt kommt. Das tun immer mehr Menschen. „Der Druck im Alltag und im Arbeitsleben ist gewaltig geworden, man hat immer mehr das Gefühl, den Dingen ohne eigene Kontrolle ausgeliefert zu sein, kann nur noch reagieren. Vieles muss gleichzeitig erledigt werden, man fühlt sich ständig getrieben“, beschreibt Chefarzt Dr. Martin Gunga von der psychiatrisch-psychotherapeutischen Tagesklinik in Soest die Ursachen. Wenn auch in der Mehrheit Frauen von Erschöpfungszuständen und Burnout betroffen sind, so ist das aber auch ein Phänomen, das viele Männer kennen. Der Tag ist eng getaktet, ist eine Sache erledigt, wartet die nächste schon. Das ist im landwirtschaftlichen Betrieb nicht anders als im Büro. Für Landwirte gilt sogar oft beides: Nach einem anstrengenden Tag auf dem Hof, dem Feld, im Weinberg oder im Stall wartet abends noch der Papierkram auf dem Schreibtisch. Ein Teufelskreis, aus dem viele nicht mehr allein herausfinden.

Perfektionisten und sensible Menschen

„Wenn Freunde einen darauf aufmerksam machen, dass man sich verändert hat, nicht mehr „der oder die Alte' ist, dann wird das oft verleugnet und der Kontakt vielleicht sogar abgebrochen, weil man das nicht hören will“, weiß der Arzt. Die Ursachen, so glaubt er, liegen nur teilweise in den veränderten Arbeits- und gesellschaftlichen Bedingungen. Vor allem Persönlichkeitsfaktoren spielten eine Rolle. Dr. Gunga: „Gefährdet sind vor allem allzu Ehrgeizige, Perfektionisten, Einzelgänger und besonders sensible Menschen“, so der Leiter der Abteilung Integrative Psychiatrie und Psychotherapie.

Zehn Strategien für einen gelungenen Ausgleich

  • Stress ist völlig normal. Solange er nur kurze Phasen andauert, beispielsweise wenn die Kinder mal krank sind, die Woche außergewöhnlich „vollgepackt“ und mit Abendterminen gespickt ist. Danach muss aber Erholung folgen, die Sie sich bewusst nehmen sollten. Denn: Dauerstress macht krank und führt zu physischer und seelischer Erschöpfung.
  • Halten Sie Ordnung. Jeden Tag eine halbe Stunde das Haus aufzuräumen, Papiere abzuheften und die Wäsche einzuräumen, sobald sie aus dem Trockner kommt, fällt leichter, als am Wochenende vor dem kompletten Chaos zu stehen. Ein sauberer, leerer Schreibtisch hilft, effektiver und konzentrierter zu arbeiten.
  • Machen Sie regelmäßig Pausen an der frischen Luft. Öffnen Sie mehrmals für fünf Minuten das Fenster, blicken Sie auf die Natur und atmen Sie tief durch. Machen Sie kurze Spaziergänge, wann immer das möglich ist.
  • Essen Sie gut und nehmen Sie sich Zeit fürs Essen: Essen Sie bewusst und ohne Stress. Ein nettes Gespräch dabei wirkt entspannender als fernzusehen oder Zeitung zu lesen.
  • Auch wenn es nach einem anstrengenden Tag schwerfällt: Bewegen Sie sich. Ein strammer Spaziergang am Abend macht den Kopf frei, löst Verspannungen und schüttet Glückshormone aus. Und: Nehmen Sie den Hund mit, wenn Sie einen haben. Er wird es Ihnen danken.
  • Vereinbaren Sie Termine mit sich selbst, für Dinge, die Ihnen Spaß machen (beispielsweise ein spannendes Buch zu lesen, ein Entspannungsbad zu nehmen oder alte Fotos anzusehen).
  • Vernachlässigen Sie Ihre Freunde nicht. Anstatt das Treffen mit den Freundinnen oder den Skatbrüdern aus Zeitnot und Müdigkeit immer wieder zu verschieben, vereinbaren Sie von vornherein, dass das Treffen um 22 Uhr beendet ist, weil sie dann nach Hause müssen. So kommen Sie zeitig ins Bett und hatten trotzdem einen netten Abend.

Vier Bereiche des Lebens

Teilen Sie Ihr Leben in vier Bereiche ein: Arbeit, Körper/Gesundheit, Kontakte, Sinn/Selbstverwirklichung. Planen Sie jede Woche, wie viel Zeit Sie jedem Bereich widmen wollen, und halten Sie dies auch ein. Definieren Sie klare Werte und Ziele und nehmen Sie sich die Auszeit.

Delegieren Sie. Lassen Sie die Kinder im Haushalt helfen. Stellen Sie eine Hilfskraft für den Stall ein, planen Sie zusätzliche Erntehelfer ein. Wer immer alles selber machen will, aus Angst, andere könnten es verkehrt machen, schneidet sich nur ins eigene Fleisch. Und hat niemanden, der einspringen kann, wenn es wirklich zum Zusammenbruch kommt.

Nehmen Sie sich – zumindest zeitweise – eine Haushalts- oder Putzhilfe. Vielleicht kommt auch ein Au-Pair-Mädchen in Frage? Wenn nur noch die Arbeit ihr Leben bestimmt und Sie jeden Abend erschöpft ins Bett fallen, dann herrscht kein Gleichgewicht in Ihrem Leben. Reflektieren Sie die jeweils gegenwärtige Situation von Zeit zu Zeit, um Ihr Leben neu ausrichten zu können.

Selbstkritische Betrachtung

Nehmen Sie sich mal kritisch unter die Lupe: Wer krank und „schlecht drauf“ ist, kann weder sein Leben in vollen Zügen genießen noch ist er voller Leistungskraft. Wer unter dem überkritischen Senior leidet, ist weder „quietschfidel“ noch kann er seine Energie voll im Haus oder Hof einsetzen. Wer sich jeden Tag nur gehetzt und gestresst fühlt, bringt nach einem Zwölf-Stunden-Tag auf dem Hof wenig Geduld für seine Familie auf. Das heißt: Nur wer ein Leben in Balance führt, ist auf Dauer zufrieden, motiviert und leistungsfähig.

Sabine Hense-Ferch redaktion-lippstadt.de

 – LW 16/2013