Eine wahre Kaliumbombe
Pastinaken aus dem Garten – ein frosthartes Gemüse
Das bekömmliche Wurzelgemüse liefert blutdrucksenkendes Kalium und abwehrstärkendes Zink. Im Garten kann es überwintern und bis März geerntet werden.
Wilde Pastinaken sind weit verbreitet – auf Schutthalden und an Wegrändern, meist in Gesellschaft von Wegwarten, Steinklee und Disteln. Die Kulturform hat sich erst in den letzten Jahren eine Marktnische zurückerobert. Die völlig frostharte und auf allen Böden gedeihende Schwester der Möhre und der Zuckerwurzel kam durch die Römer nach Deutschland.Mitte des 16. Jahrhunderts galten Pastinaken, mancherorts auch Pestnacken genannt, als „baurenkost“ und „kost der arbeitseligen“ (Hieronymus Bock). Um diese Zeit wurden bereits „zahme“ und „wilde“ Pastinaken unterschieden. Anfang des 19. Jahrhunderts hatte der Kartoffelanbau die drei geläufigen Kultursorten Lange Pastinake, Kurze Pastinake und Siampastinake bereits deutlich zurückgedrängt, im 20. Jahrhundert verschwanden sie ganz aus dem erwerbsmäßigen Anbau. Erst die Wiederbesinnung auf alte Gemüsearten ließ das milde Wurzelgemüse nun auf die Felder zurückkehren.
Reif ab Mitte September

Foto: Buchter
Namen wie Hirschmöhre und Hammelmöhre verweisen da-rauf, dass Pastinaken früher ein wertvolles Viehfutter waren. Bezeichnungen wie Wilder Dill oder Welsche Petersilie verweisen auf die Ähnlichkeit mit anderen Doldenblütlern. Dass Pastinaken selbst anmoorige Böden vertragen, belegt der Name Moorwurzel. Hildegard von Bingen sprach von Morkrut, Hieronymus Bock von Pestnachen.
Alte und neue Sorten
Obwohl Pastinaken eines der wichtigsten Wurzelgemüse war, ehe Möhre und Kartoffel sich ausbreiteten, ist die Sortenauswahl begrenzt. Friedrich Alefeld empfahl in seiner Landwirtschaftlichen Flora 1866 drei Sorten: Lange Pastinake (lang, blassgelb, sehr zart, aromatisch), Kurze Pastinake oder Zuckerpastinake (dickere Wurzel, kleinere Blätter) und Siampastinake (kleinere, gelbliche Wurzel, zarter und feiner, besonders edel). Josef Becker-Dillingen beschrieb im Handbuch des Hackfruchtbaus 1928 vier Sorten: lange weiße (bis 40 Zentimeter), lange weiche (bis 40 Zentimeter), halblange kurzlaubige (15 Zentimeter, frühreif) und runde (zehn Zentimeter, für schwere Böden).
Heute dominieren zwei Sorten den Hobbyanbau: die sehr ertragreiche “Halblange Weiße' mit 20 bis 30 Zentimeter langen, keilförmigen, cremefarbenen Wurzeln und die Neuzüchtung “Aromata' mit langen, schlanken, butterfarbenen, hoch aromatischen Wurzeln. Für schwere Böden eignen sich “White King' (Halblang, groß, stumpf, cremeweiß) und “White Gem' (halblang, keilförmig, süß, zart, weiß). Weitere Gartensorten sind “Arrow' (schlank, bajonettförmige Wurzeln, zart, süß, kann dichter gesät werden), “Avonresister' (verkehrt eiförmig, cremefarben, dichter säen möglich), “Lange Weiße' (40 Zentimeter, braucht optimalen Boden), “Tender & True' (alte Sorte aus England, halblang, fein, zart, 25 Zentimeter, für sandige und schwere Böden) und “Hollow Crown' (lang, weiß, zart). Im Erwerbsanbau haben sich neben “Aromata' auch “Albion', “Dogger', “Gladiator', “Javeline', “Mitra', “Palace', “Panorama', “Pixie', “White Spear' und “New White Skin' bewährt.
Anspruchslos an das Klima
Zwar stellt die Pastinake geringe Ansprüche an das Klima und außer mit Lehm oder Ton kommt sie auf allen Böden – selbst anmoorigen – zurecht. Aber das langsame Keimen und die lange Standzeit ziehen etliche Pflegeschritte nach sich. Feucht-kühles Klima ist ideal. Die Aussaat erfolgt von Mitte März bis Anfang April für Frühherbsternten oder Ende Mai für Spätjahres- bis Märzernten. Das Saatgut muss stets ganz frisch sein, es verliert die Keimfähigkeit nach einem bis zwei Jahren. Auf dem Beet sollten in den letzten vier Jahren keine Doldenblütler wie Dill, Petersilie, Sellerie oder Möhre als Vorfrucht gewachsen sein. Die Samen kommen einen Zentimeter tief in den möglichst gut humosen, sehr tief gelockerten Boden im Reihenabstand von 40 Zentimeter. In der Reihe wird je nach Sorte auf 10 bis 20 Zentimeter vereinzelt, sobald sich drei Blätter entwickelt haben. Das Auflaufen dauert gut drei bis vier Wochen, auch danach entwickeln sich die Keimlinge zunächst zögerlich, sodass ständiges Jäten erforderlich ist. Dann aber bilden sich stattliche Blätter, der Bestand kann hüfthoch wachsen. Beim Pflegen müssen Personen mit empfindlicher Haut vorsichtig sein: Die in Blättern und frischen Samen enthaltenen Cumarine können in Verbindung mit Sonnenlicht Hautirritationen, Juckreiz und Blasen hervorrufen. Sie müssen beim Hacken, Gießen und Ernten Hände, Arme und Beine schützen. Die Wurzeln reizen die Haut nicht.Regelmäßiges Gießen ist wichtig, für den Mittelzehrer reicht verhaltenes Düngen, maximal 80 Gramm pro Kubikmeter Hornspäne oder in drei Gaben gesplittet das rasch verfügbare Hornmehl, umgerechnet zehn Gramm Reinstickstoff. Drei Liter pro Kubikmeter gut reifen Kompost bei der Saatbettbereitung eingearbeitet, decken den Nährstoffbedarf ebenfalls. Zu reichliches Düngen fördert das Blattwachstum, geht aber zulasten der Wurzeln. Das robuste Gemüse leidet nur unter Möhrenfliegen – dagegen helfen Gemüseschutznetze – und Mäusen.
Früh gesäte Pastinaken lassen sich schon im August ausstechen, das süße Aroma entwickelt sich aber nur nach den ersten Frösten. Behelfsweise kann man die Wurzeln drei bis vier Stunden in die Gefriertruhe legen. Ideal ist es, stets nur den aktuellen Bedarf zu ernten und die Pastinaken möglichst lange im Beet zu lassen. Es ist ein optimales Lager, da die Wurzeln winterhart sind und bei frostfreiem Boden bis Ende März geerntet werden können. Bei sehr strengen Kahlfrösten sollten in rauen Lagen Säcke oder Vliese das Beet schützen. Gibt es Mäuse im Garten, sollte man im Spätherbst roden und die Wurzeln in feuchtem Sand lagern. Fertig zerkleinert in Scheiben, Stifte oder Würfel lassen sich Pastinaken auch einfrieren.Geschmack: milder als Petersilienwurzel
Beim Schneiden fühlen sich Pastinaken etwas wattig an, sie sind deutlich weniger knackig als Möhren. Die Kochzeit ist entsprechend kürzer. Das gekochte Gemüse schmeckt mild, etwas trocken und ist leicht verdaulich. Der süßliche Geschmack rührt vom hohen Gehalt an Stärke und Zucker her, je nach Herkunft 11 bis 18 Gramm pro 100 Gramm. Das weiße Fleisch schmeckt angenehm würzig, etwas intensiver als Möhren, aber milder als die ähnlich aussehende Wurzelpetersilie. Geprägt wird der Geschmack durch den Gehalt an ätherischen Ölen (1,5 bis 3,6 Prozent). Sie bewirken auch, dass Pastinaken-Teeaufguss aus getrockneten Wurzeln, Samen oder Blättern gegen Magenschmerzen, Schlaflosigkeit und Fieber hilft. Auswanderer nahmen Pastinaken mit nach Amerika, wo sie auch bald die Indianer nutzten: Heiße Blätterbreiumschläge helfen gegen Geschwüre und Entzündungen. Die Wurzeln sind heute eine reizarme, bekömmliche Zutat in Babynahrung, Fertigsuppen, Diätgerichten und Allergiker-Tierfutter.
Das leicht verdauliche Wurzelgemüse zählt zu den besten Kaliumquellen unter den pflanzlichen Lebensmitteln. Selbst die für ihren Kalium-Gehalt hoch gelobte Banane liefert mit knapp 400 Milligramm pro 100 Gramm (mg/100 g) deutlich weniger als die Pastinake mit ihrem Durchschnittswert von 470 mg/100 g (340 bis 740 mg/100 g). Übertroffen wird sie nur von Topinambur (480 mg/100 g), Gemüsefenchel (490 mg/100 g), Grünkohl (490 mg/100 g) und Spinat (530 mg/100 g). Annähernd hohe Mengen wie die Pastinake erreichen Brokkoli (460 mg/100 g), Kartoffel (440 mg/100 g), Feldsalat (420 mg/100 g) und Rosenkohl (410 mg/100 g).
Kalium: zwei Milligramm täglich
Kalium beeinflusst die Wasserverteilung im Körper und wird für das Säure-Basen-Gleichgewicht, die Reizübertragung auf den Muskel und für die Muskelkontraktion benötigt. Auch einige Enzyme sind auf den Mineralstoffgehalt angewiesen. Bei erhöhtem Natriumkonsum, etwa in Form von Fleisch und Kochsalz, scheidet die Niere verstärkt Kalium aus. Der Tagesbedarf liegt bei zwei Gramm, bei Mangel erschlaffen die Muskeln, auch Lähmung und Herzfunktionsstörungen können auftreten. Eine reichliche Kalium-Versorgung wirkt blutdrucksenkend.
Unter den Gemüsearten zählen Brokkoli, Rosenkohl und Pastinaken mit jeweils 0,9 mg/100 g zu den besten Zink-Quellen. Das immunstärkende Spurenelement stabilisiert Zellmembranen, hilft Insulin zu speichern und aktiviert viele Enzyme. Bei Mangel ergrauen die Haare rascher, Wundheilung und Geschmacksempfinden lassen nach. Der tägliche Bedarf liegt bei 15 Milligramm. Käse liefert 4 bis 8 mg/100 g, Vollkorn 3 bis 5 mg/100 g.
Pastinaken in der Küche
Vielseitig verwertbar
Pastinaken lassen sich roh als Salat und gekocht wie Möhren verzehren: gewaschen, geschält und in Stifte, Würfel oder Scheiben geschnitten. Pur, aber auch kombiniert mit Möhren oder Kartoffeln ergeben sie eine leckere Beilage. Sie bereichern zudem Suppen, Soßen, Gemüseeintöpfe und Fleischgerichte. Beim Zubereiten sollte man beachten, dass Pastinaken nur halb so lang garen müssen wie Möhren.Besonders delikat schmecken panierte, in der Pfanne gebratene Scheiben. Auch Pfannengemüse ist herzhaft und rasch zubereitet: gewürfelte Pastinaken zusammen mit Zwiebelwürfelchen kräftig anbraten, nach Belieben leicht salzen oder etwas Muskat zugeben.
Pastinakenmehl ergibt pikante Kuchen, geraspelte Pastinaken finden sich auch als Zutat zu Süßspeisen, pur oder gemischt mit Möhren.