Der Zuchtfortschritt zeigt sich in schwierigen Jahren

Zuckerrübensorten für die Aussaat 2016

2015 war in weiten Teilen von Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg durch Trockenheit und überdurchschnittlich hohe Temperaturen gekennzeichnet. Auf den meisten Standorten überraschten die Rüben aber mit Erträgen, die über den Erwartungen lagen. Der Zuckergehalt war witterungsbedingt ungewöhnlich hoch, so dass ein durchschnittlicher Zuckerertrag erzielt wurde.

Die Zuckerrüben brachten unerwartet gute Ergebnisse.

Foto: agrar-press

Für diese Ergebnisse sind nicht nur die Anbaumethoden und Beregnung, sondern auch der züchterische Fortschritt besonders bei den nematodentoleranten Sorten verantwortlich. Um auch in 2016 sichere hohe Leistungen zu erreichen, müssen jetzt die richtigen Sorten gewählt werden. Die Empfehlungsliste soll eine Hilfestellung bei der Sortenwahl geben. Grundlage für die Sortenwahl ist die bundesweite dreijährige Prüfung unter verschiedenen Anbaubedingungen. So werden Einflüsse der Standorte, Bodenarten und klimatische Unterschiede auf die Sortenleistungen am besten erfasst. Die Ertragsdaten sind als Relativdaten, bezogen auf ein Verrechnungssortiment aus drei Sorten, dargestellt.

Zuerst die Grundsatzfrage nach Nematodenbefall stellen

Bei der Sortenwahl stellt sich zunächst die grundlegende Frage: ist Nematodenbefall zu erwarten? Wurden in der Vergangenheit bereits Nematoden auf den eigenen Feldern beobachtet, sind die Sorten in Tabelle 1 die richtige Wahl. Kann dagegen von Befallsfreiheit ausgegangen werden, sind Sorten aus der Tabelle 2 zu wählen. Der enorme Leistungsanstieg der nematodentoleranten Sorten in den letzten Jahren führte zu einem inzwischen beachtlichen Saatgutanteil dieser Typen. Dies ist auch nicht unwesentlich der hohen Leistungsfähigkeit unter befallsfreien Bedingungen zu verdanken. Somit werden für alle Standorte mit bekanntem Nematodenbefall und für Felder mit entsprechendem Verdacht (enge Rübenfruchtfolge, Wirtspflanzen in der Fruchtfolge) nematodentolerante Sorten empfohlen. In Tabelle 1 sind die Ergebnisse auf Standorten mit Nematodenbefall dargestellt. Was die nematodentoleranten Sorten ohne Nematodeneinfluß leisten, ist dem zweiten Teil der Tabellen 2 und 3 zu entnehmen.

Sortenempfehlung 2016, nematodentolerante Sorten

Lisanna KWS erzielte einen hohen bereinigten Zuckerertrag (BZE), der mit sehr hohem Rübenertrag, durchschnittlichem Zuckergehalt und guter innerer Qualität erreicht wird. Die Anfälligkeit für Blattkrankheiten ist durchschnittlich, die Sorte reagiert aber relativ stark auf eine unterlassene Fungizidbehandlung (s.Tab. 3, Toleranz). In den Versuchen traten wenig Schosser auf. Auf Flächen ohne Nematodenbefall erzielte Lisanna den zweiten Rang im BZE. BTS 440 erreichte einen hohen BZE, der durch hohen Rübenertrag, durchschnittlichen Zuckergehalt und gute innerer Qualität erreicht wird. Die Anfälligkeit gegen Cercospora ist gering, bei Mehltau mittel. Die Sorte wies in den Versuchen eine etwas höhere Schosserzahl auf. Die Leistung in Versuchen ohne Nematodenbefall war hoch.

Kristallina KWS: Durchschnittlicher BZE, erreicht mit durchschnittlichem Rübenertrag und Zuckergehalt. Der SMV ist etwas höher. Die Sorte ist blattgesund. Die Schossneigung war in den Versuchen mit Nematodenbefall mittel. Die hohe Anzahl Schosser in Tabelle 3 ist auf die Bildung von Seitenschossern auf einigen Standorten in Norddeutschland zurückzuführen. Vasco: Hoher Rübenertrag kombiniert mit unterdurchschnittlicher Polarisation ergeben einen mittleren Zuckerertrag. Die innere Qualität ist gut. Auf Cercospora und Mehltau muss geachtet werden. Die Schosserzahl lag im Durchschnitt. Vasco ist sehr gut im Feldaufgang.

Kleist: Ein hoher Rübenertrag bei unterdurchschnittlicher Polarisation ergibt einen mittleren Zuckerertrag. Die innere Qualität ist durchschnittlich. Auf Blattkrankheiten muss geachtet werden. Die Sorte wies wenig Schosser auf. Finola KWS: Leicht unterdurchschnittlicher BZE, gebildet durch einen hohen Zuckergehalt und gute innere Qualität. Der Rübenertrag ist leicht unterdurchschnittlich. Finola ist blattgesund.

Empfohlene Standardsorten für Standorte ohne Nematodenbefall

Die Sortenversuche des Standardsortiments werden zweifaktoriell (ohne und mit Fungizid) durchgeführt. So wird der Einfluss der Blattkrankheiten auf die Ertragsleistung ermittelt. Die Werte mit Fungizid zeigen das Leistungspotenzial der Sorten auf. Ohne Fungizidbehandlung ist die Leistung aufgrund des Krankheitsbefalls niedriger, die Ertragsdifferenz ist bei weniger empfindlichen Sorten geringer. Das wichtigste Kriterium zur Sortenbeurteilung ist der bereinigte Zuckerertrag (BZE). Er errechnet sich aus den Faktoren Rübenertrag (RE), Zuckergehalt (ZG) und Standardmelasseverlust (SMV). Der bereinigte Zuckergehalt (BZG) ergibt sich aus der Polarisation und dem SMV. Er wird ab 2017, Bestandteil des Bezahlungssystems sein. In den Tabellen sind diese Daten aus der Leistungsstufe mit Fungizidbehandlung in den ersten Spalten dargestellt. So kann man auch sehen, ob eine Sorte ihren Zuckerertrag eher über den Rübenertrag oder den Zuckergehalt erzielt. Ein niedriger SMV bietet die Chance auf eine höhere Qualitätszahl mit den entsprechenden Prämien.

Die Anzahl Schosser ist als Pflanzen/ha aufgeführt (47 Schosser/ha traten im Mittel der Versuche auf). Die Boniturnoten in den Spalten Blattgesundheit zeigen die Empfindlichkeit der Sorten gegen Cercospora und Mehltau in der unbehandelten Stufe. Sie gehen von Note 1 (kein Befall) bis 9 (Blattapparat vollständig befallen). Die Leistung der Sorten in der unbehandelten Stufe ist in der Spalte BZE ohne Fungizid abgebildet. Danicia KWS erzielt den höchsten BZE des Sortiments. Der Rübenertrag ist sehr hoch bei durchschnittlichem Zuckergehalt und guter innerer Qualität. Gegenüber Cercospora ist die Sorte „mittelempfindlich“, gegen Mehltau weniger anfällig. Sie wies sehr wenige Schosser auf.

Hannibal ist die Sorte mit dem höchsten Zuckergehalt; mit leicht unterdurchschnittlichem Rübenertrag und sehr günstigem SMV erreicht sie einen hohen BZE. Hannibal ist gegen Cercospora mittel anfällig, gegen Mehltau etwas mehr. Die Anzahl Schosser lag über dem Mittelwert. BTS 770 bringt den hohen BZE durch hohen Rübenertrag mit mittlerem Zuckergehalt und guten SMV-Werten. Die Sorte ist sowohl gegen Cercospora als auch gegen Mehltau wenig empfindlich, was auch in einer geringen Ertragsreaktion bei fehlendem Fungizideinsatz zum Ausdruck kommt. Die Schosserzahl lag im mittleren Bereich. Annemaria KWS: Hoher BZE resultiert aus leicht überdurchschnittlichem Rübenertrag kombiniert mit überdurchschnittlichem Zuckergehalt und günstigem SMV; gegenüber Cercospora „mittelempfindlich“, gegen Mehltau weniger anfällig. Sie wies wenig Schosser auf.

Artus: Der überdurchschnittliche BZE ergibt sich aus mittlerem Rübenertrag bei überdurchschnittlichem Zuckergehalt und sehr geringem SMV. Auf Cercosporabefall muss geachtet werden. Mittlere Schosserzahl. Julius erreichte den überdurchschnittlichen BZE mit knapp durchschnittlichem Rübenertreg bei überdurchschnittlicher Polarisation. Die SMV-Werte sind sehr gut. Die Anfälligkeit ist für Cercospora und Mehltau etwas höher. Die Schosserzahl war überdurchschnittlich. Alcedo: Der mittlere BZE wird durch einen sehr hohen Zuckergehalt bei unterdurchschnittlichem Rübenertrag erzielt. Der SMV ist sehr gut. Es muss auf Blattkrankheiten, besonders Mehltau, geachtet werden. In den Versuchen traten wenig Schosser auf.

Spezielle Sorten:

Für Rhizoctonia-befallene Standorte wird die Sorte Premiere empfohlen. Auf Verdachtsflächen (noch keine Rhizoctonia beobachtet, aber hoher Maisanteil in der Fruchtfolge) sollte vorsorglich Isabella KWS ausgesät werden. Für Flächen mit Rübenkopfälchenbefall wird die Sorte Beretta empfohlen.

Insektizidausstattung und Frühbestellung

Das Saatgut 2016 ist wie gewohnt mit niedriger und hoher Insektizidausstattung zu beziehen. Da die Aufbrauchfristen für die Pillierungen „Poncho beta“ und „Janus forte“ 2016 auf drainierten Flächen nach alter Zulassung auslaufen, sollte dieses Saatgut aufgebraucht werden. Zur Erinnerung: Bei der Wiederzulassung von Poncho beta und Janus forte wurde die Auflage NW 811 „Keine Ausbringung auf gedrainten Flächen“ ausgesprochen. Saatgut mit den Syngenta-Wirkstoffen „Cruiser Force“ und „Force Magna“ ist von dieser Auflage bis einschließlich Anbau 2017 nicht betroffen.

Die Saatgutfrühbestellung für 2017 erfolgt im Sommer 2016 sobald die Kontraktmengen für den Anbau 2017 bekannt sind. Das Saatgut im Frühbezug ist mit einem Rabatt von 10 Prozent versehen. Mit der Frühbestellung sollten maximal 2/3 der benötigten Saatgutmenge bestellt werden, um später noch neue Sorten ausprobieren zu können. Da es in den letzten Jahren bekanntlich Probleme mit überlagertem Saatgut gab, sollten die Saatgutmengen so sorgfältig geplant werden, dass möglichst wenig Saatgut überlagert werden muss.

Harald Bauer, AG Versuchswesen und Beratung im Zuckerrübenanbau, Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz – LW 4/2016