Allein auf Herbizide vertrauen, funktioniert nicht mehr
Hinweise zur Unkrautkontrolle in Wintergetreide
In allen Lebensbereichen gibt es Konkurrenz – so auch zwischen Unkräutern und Kulturpflanzen. Zum Geschäft des Landwirts gehört es, dafür zu sorgen, dass der Kampf um Nährstoffe, Licht und Standraum auf dem Acker von den Kulturpflanzen gewonnen wird. Dieses Ziel muss er durch die richtige Kombination aus wirksamen ackerbaulichen Maßnahmen und richtigem Herbizidmanagement erreichen. Allein auf Herbizide zu vertrauen, funktioniert nicht mehr. Ohne guten Ackerbau werden sehr schnell resistente Ungräser hervorgekehrt – die Überlebenden sind dann chemisch nur schwer zu bekämpfen, vermehren sich und dominieren später die Flächen. Dr. Dominik Dicke vom Pflanzenschutzdienst Hessen am Regierungspräsidium Gießen berichtet.
Heute findet man neben vermehrt resistentem Ackerfuchsschwanz (vorwiegend gegen die Wirkstoffklasse A aber auch B) auch Resistenzen beim Windhalm (insbesondere gegen Wirkstoffklasse B, zu der auch die Sulfonylharnstoffe gehören).In einer aktuellen Untersuchung wurden landesweit Standorte auf Windhalmresistenz gegenüber Herbiziden unterschiedlicher Wirkstoffklassen untersucht. Dabei wurden sowohl Samen von Windhalmpflanzen aus unbehandelten Spritzfenstern als auch von Windhalm, der zur Ernte in den Feldern stand, entnommen, angezogen und geprüft.
Windhalm: Wirkstoffklasse B mittlerweile kaum noch wirksam
Nahezu alle Windhalm-Herkünfte konnten durch die Wirkstoffklasse F1/K3 (Bodenherbizid) bekämpft werden. Ebenso zeigte die Wirkstoffklasse A mit wenigen Ausnahmen eine hohe Wirkungssicherheit bei allen Windhalm-Herkünften. Dagegen wurde mit den Herbiziden der Wirkstoffklasse B nur in wenigen Herkünften (rund 10 Prozent) ein Wirkungsgrad von mehr als 90 Prozent erzielt. In knapp der Hälfte der Herkünfte lag der Wirkungsgrad unter 10 Prozent.
Somit wird die Zumischung von Bodenherbiziden im Herbst bei Problemen mit Windhalm und auch Ackerfuchsschwanz zur Pflicht. Näheres dazu unter dem Punkt „Chemische Bekämpfung mit Herbiziden“. Folgende ackerbauliche Maßnahmen sollten als Stellschrauben betrachtet werden, mit denen man den Ungrasbesatz reduzieren kann. Welche Maßnahme stärker oder schwächer betont wird, hängt vom jeweiligen Produktionssystem ab und natürlich von der Philosophie des Bewirtschafters.
Bodenbearbeitung:
Durch wendende Bodenbearbeitung soll erreicht werden, dass Keimlinge aus vergrabenen Samen die BodenÂoberfläche nicht erreichen und absterben (fatale Keimung). Vergrabene Samen, die nicht keimen, sind dem Abbau durch Würmer oder Käfer ausgesetzt. Durch die Gleichverteilung der Samen über den gesamten Bodenhorizont wird eine Anreicherung in der obersten Bodenschicht vermieden, aus welcher der größte Anteil der Ungräser keimt. Dadurch ist der gesamte Unkraut- und Ungrasbesatz in den gesäten Kulturen niedriger und der Aufwand an Herbiziden im System wird verringert, denn auch die unterdrückende Wirkung der Kulturpflanzen kommt so besser zum Tragen.
Profis, die auf langjährige Erfahrungen mit reduzierter Bodenbearbeitung zurückblicken können, setzen zum richtigen Zeitpunkt das auf ihre Verhältnisse abgestimmte Gerät ein und haben die Verunkrautung im Blick.
Auf Problemstandorten mit Ackerfuchsschwanz kann es in diesem Verfahren helfen, frühzeitig das Feld saatfertig zu machen, dann den Auflauf des Ackerfuchsschwanzes abzuwarten, um ihn dann mit einem Totalherbizid abzutöten, wenn ausreichend Blattmasse (3-Blattstadium) vorhanden ist. Wer jedoch allein aus Gründen der Arbeitswirtschaftlichkeit Mulchsaat betreibt, aber nicht das richtige Werkzeug besitzt und auch die Herausforderungen des Verfahrens nicht kennt, läuft Gefahr, ein Ungrasproblem zu bekommen.
Saatzeitpunkt:
Alte Untersuchungen aus den 80er Jahren haben schon gezeigt, dass die Rückverlegung des Saattermines weiter in den Herbst, beziehungsweise wenigstens die Vermeidung von Frühsaaten, den Ungrasdruck drastisch senkt, da die erste Unkrautwelle vorher aufläuft. Dieses wird durch aktuelle Untersuchungen aus Schleswig Holstein bestätigt.
Oftmals wird argumentiert, dass früh gesät werden muss, um die Aussaat bis Vegetationsende überhaupt zu schaffen beziehungsweise man sonst Gefahr läuft, dass es zu feucht wird. In diesem Fall muss dann konsequent auf eine Sommerung ausgewichen werden. Besser wäre es jedoch, die Schlagkraft zum Beispiel durch Kooperation an die Verhältnisse anzupassen.
Fruchtfolge:
Die Unkrautarten sind an die Kulturen angepasst. Werden beispielsweise vorwiegend Winterungen gesät, vermehren sich an die Winterungen angepasste (winterjährige) Unkräuter und Ungräser wie Ackerfuchsschwanz, Windhalm oder Ehrenpreis sehr stark, da ihr Hauptkeimungszeitpunkt um den Saattermin der Winterung liegt.
Wird eine Sommerung in der Fruchtfolge etabliert, können alle aufgelaufenen Unkräuter und -gräser vor der Saat eliminiert werden. Zum Saatzeitpunkt der Sommerung und später wird kaum ein winterjähriges Unkraut keimen. Dadurch wird der Anteil dieser Unkräuter und Ungräser im System verringert.
Chemische Bekämpfung mit Herbiziden
Wurde mit den ackerbaulichen Maßnahmen die Grundlage gelegt, gilt es Herbizide standortspezifisch einzusetzen. Ziel ist es in erster Linie, die Ungräser zu bekämpfen. Wichtig ist es, über die Fruchtfolge einen Wirkstoffklassenwechsel durch zuführen. Je nach Verunkrautung können entsprechende Mittel gegen Zweikeimblättrige zugemischt werden.
Für die Planung der Bekämpfungsstrategie sollten zunächst folgende Fragen geklärt werden:
- Welche Ungrasarten treten in meinen Feldern auf?
- Wurden in der Vergangenheit Minderwirkungen bei bestimmten Wirkstoffgruppen beobachtet?
- Wie stark ist die Verungrasung (hohe, moderate, niedrige Ungrasdichte)?
- Welche Herbizide sind in der Fruchtfolge eingesetzt worden?
- Ist der Pflug-Einsatz möglich?
- Ist Flexibilität beim Saattermin gegeben?
- Ist Flexibilitiät bei Fruchtfolgegestaltung gegeben?
Exemplarische Situationen mit Strategien im Weizen
Situation 1: Ackerfuchsschwanz und Windhalm vergesellschaftet, noch keine Minderwirkungen aufgetreten-, moderate Verungrasung, Flexibilität bei ackerbaulichen Maßnahmen gegeben.
Strategie: Status halten. Falls noch nicht konsequent durchgeführt, sollte über die Fruchtfolge ein Wechsel der Wirkstoffklassen angestrebt werden. Die Aufwandmengen müssen auf den Ackerfuchsschwanz ausgerichtet werden. Ziel muss es sein, die Verungrasung im Herbst komplett auszuschalten. Durch die Mischung der unterschiedlichen Wirkstoffe in Weizen wird das Zielungras an mehreren Angriffsorten attackiert, was den Wirkungsgrad erhöht und die Gefahr einer einseitigen Selektion auf nur eine Wirkstoffgruppe verringert. Dabei müssen die Wirkstoffe zu einem Zeitpunkt eingesetzt werden, der gewährleistet, dass möglichst jeder Partner sein volles Wirkpotenzial ausschöpfen kann. Denn kommt nur ein Partner zum Zuge, wird auf diesen Wirkstoff hin selektiert. Beispiele finden sich in Tabelle 1.
Sollte im Frühjahr dennoch nachbehandelt werden müssen, was nicht das Ziel sein sollte, kann dann ein Herbizid aus der HRAC-Klasse A (zum Beispiel Traxos) eingesetzt werden, um die HRAC-Klasse zu wechseln. Ein nachfolgender Einsatz von Herbiziden mit Gräserwirkung aus der Wirkstoffklasse B im Frühjahr würde die Frequenz dieser Wirkstoffgruppe innerhalb der Fruchtfolge erhöhen. Sofern davon ausgegangen wird, dass zwischen Herbst und Frühjahr keine neuen Ungräser mehr keimen (bei später Saat), ist auch der Frühjahrseinsatz der Wirkstoffklasse B unproblematisch, da die schon behandelten Gräser nur ein zweites Mal gespritzt werden und es daher nicht zu einer verstärkten Selektion resistenter Biotypen kommen kann.
Situation 2: Ackerfuchsschwanz und Windhalm vergesellschaftet, noch keine Minderwirkungen aufgetreten, hohe Ungrasdichte (zum Beispiel >800 Gräser je m²), Flexibilität bei ackerbaulichen Maßnahmen gegeben
Strategie: Auf Feldern, die eine hohe Ungrasdichte aufweisen, sollten Frühsaaten beim Weizen vermieden werden. Bei pfluglos wirtschaftenden Betrieben sollte die Altverungrasung vor der Saat mechanisch oder durch einen Glyphosateinsatz beseitigt werden. Es sollten nach der Saat dann Kombinationen aus Wirkstoffen gefahren werden, die über den Boden wirken und nicht der HRAC-Klasse A und B angehören. Der Windhalm soll so beseitigt und der Ackerfuchsschwanzdruck erst einmal nur verringert werden.
Eine Nachbehandlung im Frühjahr wird fest eingeplant. Wichtig bei der Herbstbehandlung ist die Anwendung im VA bis Spitzen vor dem Auflaufen des Ackerfuchsschwanzes. Voraussetzung ist allerdings ausreichende Bodenfeuchte. Im Frühjahr muss dann gezielt ein gut wirksames Präparat wie zum Beispiel Atlantis oder Broadway aus der Wirkstoffklasse B eingesetzt werden, welches den übrigen Ackerfuchsschwanz beseitigt.
Situation 3: Minderwirkungen bei HRAC-Klasse A gegen Ackerfuchsschwanz und Minderwirkungen bei HRAC-Klasse B bei Windhalm aufgetreten, hohe Ungrasdichte, Flexibilität bei ackerbaulichen Maßnahmen gegeben.
Strategie: Späte Saat des Weizens, in Mulchsaatbetrieben Glyphosateinsatz vor der Saat. Nach der Saat: Kombination aus Bodenherbiziden und Herbiziden der Wirkstoffklasse B. Die Bodenherbizide müssen den Windhalm beseitigen. Wirkstoffklasse B soll den Ackerfuchsschwanz entfernen. Im Frühjahr Nachbehandlung mit Kombination aus Wirkstoffklasse B oder auch B und C. In Gerste reiner Einsatz von Bodenherbiziden. In Raps ist der Einsatz von Kerb Pflicht. Über Möglichkeit des Einbaues von Sommerungen ist nachzudenken.
Situation 4 (Extrem): Minderwirkungen bei HRAC-Klasse A gegen Ackerfuchsschwanz und Minderwirkungen bei HRAC-Klasse B bei Windhalm, hohe Ungrasdichte, Auftreten von Trespenarten.
Strategie: Frühsaaten des Weizens vermeiden. Bei Mulchsaat Glyphosateinsatz vor der Saat. Nach der Saat: Kombination aus Bodenherbiziden und Herbiziden der Wirkstoffklasse B. Die Bodenherbizide müssen den Windhalm und die Taube Trespe bekämpfen. Wirkstoffklasse B soll den Ackerfuchsschwanz beseitigen, die Taube Trespe weiter niederhalten und gegen die häufig vorkommenden Arten weiche Trespe und Roggentrespe wirken. Beispiele hierfür zeigt Tabelle 2.
Besondere Hinweise zur Trespenbekämpfung
Ist mit starkem Besatz mit Trespen (insbesondere weiche Tespe sowie Roggentrespe) für die folgende Aussaat zu rechnen, sollte keine Wintergerste angebaut werden. Hier gibt es keine ausreichende Bekämpfungsmöglichkeit. Auch behandelte Flächen müssen ausgangs Winter auf Restbesatz oder Neuauflauf kontrolliert werden. Nachbehandlungen mit beispielsweise Attribut, Monitor oder Atlantis müssen eingeplant und frühzeitig zu Vegetationsbeginn gesetzt werden. Ein Wechsel von Wirkstoffklassen ist bei der Bekämpfung von weicher Trespe und Roggentrespe kaum möglich, da die anderen Wirkstoffklassen nicht ausreichend wirken. Daher sollte man diese Vorgehensweise nur dann wählen, wenn Trespen in bedrohlichem Maße die Verunkrautung dominieren. Ansonsten zieht man sich auf Dauer Resistenzprobleme mit Windhalm- und Ackerfuchsschwanz heran.
Wenn möglich sollte man die Trespenbekämpfung teilflächenspezifisch nur dort durchführen, wo diese Ungräser auch vorkommen. Meistens wandern sie vom Rand her in die Flächen ein. In Versuchen zur Bekämpfung unterschiedlicher Trespenarten wurde festgestellt, dass weiche Trespe und Roggentrespe nicht auf den bodenwirksamen Wirkstoff Flufenacet ansprechen, während sich die Taube Trespe sehr gut mit Flufenacetmitteln bekämpfen lässt. Dagegen wirkte zum Beispiel Attribut gut gegen weiche Trespe und Roggentrespe. Im Frühjahr sollten letztgenannte Trespenarten dann auf Basis von Attribut und so weiter bekämpft beziehungsweise niedergehalten werden. Nähere Hinweise dazu an dieser Stelle im Frühjahr.
Wie kann man Wirkungslücken schließen?
Weisen die Gräserherbizide Wirkungslücken bei Kamille, Storchschnabel, Kornblume oder Ausfallraps auf, so kann im Herbst auch Pointer SX/Trimmer SX mit zugesetzt werden. Bei der Mischung von Pinoxaden-haltigen Mitteln wie Axial mit Pointer SX wurden in Versuchen eine Minderung der Gräserwirkung beobachtet. Daher nicht mit PointerSX/Trimmer SX mischen.
Primus (entspr. Troller, Saracen) ist gegen Kamille, Klette, Kornblume, Klatschmohn und Ausfallraps einzusetzen. Pointer SX und Primus beziehungsweise Troller oder Saracen sind optimaler Weise ab dem 3-Blattstadium einzusetzen, um die Blattwirkung zu nutzen.
Alliance oder Acupro ergänzen gegen Stiefmütterchen, Kamille und Ausfallraps bei Vorlage von zum Beispiel Boxer/Filon oder Kombination mit Pendimethalin-haltigen Mitteln mit guter Wirkung ab 1 - Blattstadium der Kultur (nicht einsetzbar bei geplantem Winterrapsnachbau).
Carmina Complett eignet sich auf leichten Standorten mit Windhalmbesatz zusätzlich gegen Mischverunkrautung einschließlich Storchschnabel, Klatschmohn, Kornblume und Ausfallraps in früh gesäten Weizenbeständen oder Roggen und kann ab dem Einblattstadium eingesetzt werden. Laut Herstellerangaben gibt es keine sortenspezifischen Pflanzenschäden durch den Wirkstoff Chlortoluron.
Herbizidfinder im Internet nutzen
Eine sehr komfortableHilfe zur Auswahl des richtigen Herbizides in Abhängigkeit der Leitverunkrautung bietet der „Herbzidfinder Getreide“ unter www.psm-finder.de. In der vorgeschlagenen Auswahl müssen dann die Herbizide ausgewählt werden, die in die Resistenzstrategie hinein passen. Dies sollte man am besten in Ruhe am Schreibtisch planen.
Die Tabellen 3 bis 7 zeigen weitere Möglichkeiten der Ungras- und Unkrautbekämpfung in Wintergetreide. Auch in dieser vorgeschlagenen Auswahl müssen die Herbizide ausgewählt werden, die in die persönliche Resistenzstrategie hinein passen. Eine weitere umfangreiche Tabelle informiert über die Wirkungsspektren einzelner Herbizide und ist im Internet unter www.LW-heute.de im Servicebereich unter Downloads zu finden.
– LW 38/2015