An Aschermittwoch ist alles vorbei
Fastenzeit nutzen, um Verhaltensweisen zu überdenken
An Aschermittwoch ist alles vorbei – so singen die Närrinnen und Narren insbesondere entlang des Rheins und bedauern, dass die fünfte Jahreszeit zu Ende geht. Doch wie so oft: Jedem Ende wohnt ein Anfang inne. Für viele Menschen beginnt gerade am Aschermittwoch eine besondere Zeit – die Fastenzeit.

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40 Tage dauert die Fastenzeit, denn 40 ist in der Bibel der Zeitraum, in dem sich das Leben durch die Begegnung mit Gott verändert: 40 Tage lang war Mose bei Gott auf dem Berg Sinai, 40 Jahre lang zogen die Israeliten durch die Wüste ins gelobte Land. Bezogen auf die Dauer des Fasten, ist Jesus das Vorbild: 40 Tage und Nächte fastete er in der Wüste, um sich dann seiner Mission zu stellen.
Kluge Rechner werden selbstverständlich direkt merken, dass es von Aschermittwoch bis Ostersamstag mehr als 40 Tage sind, nämlich 46. In der kirchlichen Tradition war und ist der Sonntag als Tag des Herrn vom Fasten ausgenommen. Somit bleiben 40 Fastentage übrig. 40 Tage Fasten, um sein Leben durch die Begegnung mit Gott zu verändern – wie soll das gehen?
Verzicht auf Nahrungsmittel
Im Altertum bis hin ins Mittelalter bedeutete Fasten, auf vielerlei Nahrung zu verzichten: Eine Mahlzeit am Tag, die in der Regel abends eingenommen wurde, war erlaubt. Verboten waren dabei Fleisch, Milchprodukte, Alkohol und Eier. Aus diesen Fastenregeln heraus sind im Ãœbrigen sozusagen als „Abfallprodukt“ Berliner, Krapfen und Ähnliches als Gebäck der Fastnacht entstanden, da man rechtzeitig vor den Fastentagen noch die damals leicht verderblichen Vorräte aus Milch, Eiern und Fett aufbrauchen wollte. Auch Maultaschen sind im Ãœbrigen durch die Fastenzeit entstanden: „Wenn wir das Fleisch in Teig einwickeln, dann sieht es der liebe Gott nicht“, so die damalige vielleicht etwas naiv wirkende Haltung.
Der Verzicht auf die alltäglich gewohnte Nahrung soll insbesondere dazu dienen, dem nachzuspüren, was man wirklich zum Leben braucht. Drehte sich gerade in früheren Jahrhunderten, als die Nahrungsmittelversorgung noch eine weitaus größere HeÂrausforderung war als heute, vieles darum, das tägliche Essen und Trinken sicherzustellen, konnten Menschen gerade in der Fastenzeit die Erfahrung machen, dass das tägliche Brot zwar wichtig ist, man darüber hinaus aber auch geistige Nahrung braucht. Eine andere, selbst gemachte Erfahrung in der Fastenzeit: Ãœblicherweise nimmt man unbewusst weitaus mehr Essen zu sich, als man gemeinhin annimmt.
Da sich als Folge des Fastens in aller Regel auch eine Einschränkung der täglichen Aktivität einstellt, bleibt zudem mehr Zeit, sich der Frage zu stellen, was im Leben wirklich zählt und wichtig ist. Um diese Intention des Fastens zu stärken, wurde und wird zudem der vermehrte Besuch von Gottesdiensten und Andachten angeraten, ebenso wie das Verrichten von Diensten der Nächstenliebe.
In psychologischer Sicht hat das Fasten somit mindestens zwei wichtige Dimensionen: die der Musterunterbrechung und die der Aufmerksamkeitsfokussierung. Beide Dimensionen liefern auch heute noch heilsame Impulse zur Lebensgestaltung.
Muster unterbrechen

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So hilfreich und nutzbringend Muster somit sind, sie haben auch eine Kehrseite. Viele Muster werden zu Selbstläufern, die nicht mehr daraufhin hinterfragt werden, ob sie ihrem ursprünglichen Ziel überhaupt noch dienen und im aktuellen Lebenskontext angemessen sind.
Dies kann man an folgender Geschichte (Ursprung unbekannt) sehr gut verdeutlichen.
Die Geschichte von den Affen und den Bananen
Die Geschichte handelt von einem Experiment, das von einer Reihe bekannter Wissenschaftler durchgeführt wurde. Das Experiment diente dazu, mehr über die Teamfähigkeit von Affen herauszufinden. Der Aufbau des Experimentes war sehr einfach. In einem Käfig befanden sich fünf Affen und eine Leiter. Auf dieser Leiter platzierten die Wissenschaftler ganz oben einige Bananen. In dem Moment, in dem die Affen die Bananen gesehen hatten, versuchten sie, sie zu erreichen. Doch sobald ein Affe die Leiter bestieg, wurden die anderen vier von oben mit kaltem Wasser bespritzt. Durch das Geschrei aufgeschreckt, lies auch der Affe auf der Leiter von seinem Vorhaben ab.
Den Affen wurde sehr schnell bewusst, dass sie sehr nass werden würden, sobald einer aus ihrer Gruppe versuchte, an die Bananen zu gelangen. Aus diesem Grund begann man jedweden Versuch eines Gruppenmitglieds, dies zu tun, zu unterbinden. Wie? Ganz einfach: Man schlug ihn grün und blau. Nach mehreren Prügeleien dieser Art verging auch dem letzten Affen die Lust, an die Bananen zu gelangen. Die Gruppe hatte sich daran gewöhnt, dass die leckeren Dinger unerreichbar bleiben würden.
Jetzt veränderten die Wissenschaftler den Aufbau des Experiments. Man stellte das Wasser ab und tauschte einen der Affen aus. Der neue Affe versuchte sofort, an die Bananen zu gelangen. Was ihm schlecht bekam, denn er wurde sofort von den anderen Affen angegriffen und verprügelt. Das neue Gruppenmitglied versuchte es noch einige weitere Male; immer mit demselben Ergebnis. Schließlich beendete er seine Versuche, an die Bananen zu gelangen. Den Grund für die Prügel kannte er jedoch nicht.
Nun wurde ein weiterer der ursprünglichen Affen ausgetauscht. Dem Neuen erging es ähnlich seinem Vorgänger und er wurde mehrmals verprügelt. Sein Vorgänger prügelte übrigens fleißig mit, obwohl er eigentlich nicht wusste, warum er dies tat. Im Zuge des Experimentes tauschte man dann alle Affen nach und nach aus, mit immer demselben Ergebnis. Alle Neuankömmlinge wurden verprügelt und die jeweiligen Vorgänger prügelten mit. Am Ende befanden sich fünf Affen in dem Käfig, die niemals mit kaltem Wasser bespritzt wurden. Nichtsdestotrotz unternahm keiner von ihnen den Versuch, an die Bananen zu gelangen.
Sieben Wochen ohne falsche Gewissheiten

Foto: pm
Ein gutes Beispiel dafür ist gerade auch die Nahrung: Ist es wirklich sinnvoll, die gleichen Portionen wie der Vater damals zu essen, obwohl der körperlich schwer gearbeitet hat, während man selbst 50 Prozent des Arbeitstages hinterm Schreibtisch verbringt?
Gerade die diesjährige FastenÂaktion er evangelischen Kirche lädt dazu ein, bisherige Muster, die häufig auch von der Gesellschaft übernommen sind, zu überprüfen: „Selber denken! – Sieben Wochen ohne falsche Gewissheiten“, lautet das Motto dazu. Raus aus fragloser Routine und halben Wahrheiten, stattdessen Nachfragen und Neudenken, so die Botschaft auf der Homepage der Fastenaktion www.
7wochenohne.evangelisch.de.
Wer Muster in seinem Leben überprüft, dabei feststellt, dass einige Veränderungen notwendig sind, sollte sich aber keinen vorschnellen Illusionen hingeben: Kaum etwas ist schwerer, als althergebrachte und eingeschliffene Gewohnheiten abzulegen beziehungsweise zu verändern. Rückschläge gehören bei einer Musterveränderung dazu und sind Teil des Weges, keinesfalls ein Zeichen des Scheiterns. Weiterhin sollte man sich immer im Klaren darüber sein, dass man selbst zwar möglicherweise einen Entschluss gefasst hat, ein Muster zu ändern, dass das aber noch lange nicht heißt, dass die Mitmenschen in der Familie das unterstützen und gut heißen.
Wer beispielsweise merkt, dass er so wie bisher nicht mehr weiter arbeiten kann, dass das alles zu viel wird und zu Lasten der Gesundheit geht, der macht einen ersten wichtigen Schritt, wenn er sich überlegt, wie eine Entlastung aussehen kann. Der zweite wichtige Schritt besteht aber darin, dies im Umfeld zu kommunizieren, Auswirkungen dieser Erkenntnis zu bedenken und mit anderen gemeinsam zu überlegen, wie eine für alle Beteiligten tragfähige Lösung aussehen kann.
Sich das eigene Verhalten bewusst machen
Ein zweiter wichtiger psychologischer Aspekt beim Überprüfen und Verändern von eingeschliffenen Verhaltensweisen und Mustern ist die Aufmerksamkeitsfokussierung. Nur, wenn ich mir Abläufe, Verhaltensweisen und Ähnliches bewusst mache, habe ich eine Chance, deren Auswirkungen wahrzunehmen und gegebenenfalls Veränderungen einzuleiten.
Die Fastenzeit lädt dazu ein, neu zu überlegen: Welchem Lebensbereich will ich in den kommenden sieben Wochen einmal bewusst mehr Aufmerksamkeit schenken? Welche Veränderungen will ich einfach einmal ausprobieren und dabei beobachten, wie sich diese Veränderung auswirkt?
Hinterfrage ich beispielsweise täglich für 15 Minuten meinen Arbeitstag und die dortigen Abläufe, überprüfe für mich noch einmal, was mir daran sinnvoll erscheint, und wo ich auch Fragezeichen setze? Oder nehme ich mir für die kommenden sieben Wochen einmal bewusst vor, meiner Partnerschaft mehr Aufmerksamkeit zu schenken, indem ich mir beispielsweise eine gemeinsame Aktion mit meinem Partner, meiner Partnerin überlege, die ich als Überraschung anbiete? Und wenn ich das tue, wie sind die Reaktionen darauf? Wäre es wert, das auch nach den sieben Wochen weiter so zu machen?
Zeit zum Innehalten und der Besinnung
Die Fastenzeit war und ist eine Zeit des Innehaltens und der Besinnung. Sie eignet sich hervorragend dazu, Rituale, Muster und Traditionen zu hinterfragen, gegebenenfalls auch zu durchbrechen und Neues auszuprobieren. Wer dies mit einer Haltung der Demut und der Neugier angeht, der hat gute Chancen, spannende Impulse für sich und für sein Leben zu erhalten. Und wer diese Wirkung noch verstärken will, der lässt sich von vielfältigen Materialien oder auch vom Austausch einer „Fastengruppe“ inspirieren.
Pfarrer Sascha Müller – LW 10/2014