Betriebe und Molkereien müssen mit Volatilität leben
Tagung der Waldeck-Frankenberger Ortslandwirte
Bei der Versammlung des Ortslandwirte des Landkreises Waldeck-Frankenberg vorige Woche in Vöhl standen aktuelle Themen im Vordergrund, mit denen die landwirtschaftlichen Betriebsleiter derzeit besonders konfrontiert sind. Hauptreferent war der Präsident des Hessischen Bauernverbandes, Karsten Schmal. Er kritisierte den wachsenden Druck auf die Betriebe infolge der Fülle an Auflagen zur Dokumentation und Bürokratie. Weiterhin ging Schmal ausführlich auf die aktuellen Entwicklungen am Milchmarkt ein.

Foto: Armin Hennig
Meinungsaustausch mit der Politik ist wichtig
HBV-Präsident Schmal sprach weiterhin über ein zuvor geführtes intensives, dreistündiges Gespräch mit Hessens Landwirtschaftsministerin Priska Hinz und sagte „In Hessen reden die Bauern und das Ministerium noch miteinander und nicht nur noch übereinander.“ Unter anderem sei es dabei um die NovelÂle der Düngemittelverordnung, die AGZ-Zulage und die Einführung der sogenannten papierlosen Antragstellung gegangen. Als ein Grundproblem bezeichnete Schmal, dass zusätzlich in wirtschaftlich schweren Zeiten, die Betriebe mit einer Fülle sowie teils widersprüchlichen Anforderungen konfrontiert werden.
Auch sprach er über die Wahrnehmung der Landwirtschaft im Bewusstsein der Öffentlichkeit. „Die Zwickmühle von gesellschaftlichem Wunschdenken, den Anforderungen des Gesetzgebers und teils ruinösen Marktbedingungen, beruht auch auf häufig unklaren Vorstellungen“, sagte Schmal.
Mehr Wertschätzung für die Wertschöpfung
Das Missverhältnis zwischen Wertschätzung und Wertschöpfung im abgelaufenen Jahr gehe der Berufsstand mit zahlreichen Aktionen auf unterschiedlichen Ebenen an. Der Lebensmitteleinzelhandel nutze seine Marktmacht und profitiere von den tiefen Erzeugerpreisen. Denn vielfach seien die Preissenkungen nicht an die Verbraucher weiter gegeben worden, stellte der HBV-Präsident fest.
Am Milchmarkt weht ein rauher Wind „Milch fließt immer dahin, wo am meisten gezahlt wird, die Bindung an eine Molkerei spielt kaum noch eine Rolle“, verwies er auf die wirtschaftliche Notwendigkeit der Betriebe zur Existenzsischerung. Als Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes gab er den Ortslandwirten einen Überblick über die Ursachen der Milchkrise, deren Auswirkungen und die Konsequenzen. Eine HerausÂforÂdeÂrung sei das Überstehen der Volatilitäten am Markt. Ein Thema bei dem Hessens Bauernpräsident der Politik keine Einflussnahme zubilligte, sondern man setze auf den Markt und müsse flexibel auf sich ändernde Bedinungen reagieren können. Den Landwirten empfahl er eine sehr konsequente Liquiditätsplanung, die Molkereien seien dabei, ihre „Hausaufgaben“ zu machen. Am weitesten ist hier aus seiner Sicht das Deutsche Milchkontor (DMK), das aus dem Vertrauensverlust mit der Folge einer großen Welle an Lieferantenkündigungen Lehren gezogen habe.
Standortvorteile durch Auflagen zunichte gemacht
Innerhalb der EU seien keine Wachstumspotenziale mehr vorhanden. Beim Erschließen der Weltmärkte hätten die großen „Drei“ (darunter Friesland Campina) einen mehrjährigen Vorsprung und Konsequenzen aus den Analysen gezogen. Grundsätzlich sieht Schmal für die deutschen Milchbauern einen natürlichen Standortvorteil, besonders für die Betriebe in Nordhessen. Dieser werde aber durch massive bürokratische Hemmnisse wie ständig steigende Auflagen bei Tier- und Umweltschutz stark eingeschränkt. „Die ständig neuen Vorgaben sind für die meisten Landwirte eine Herausforderung“, sagte Fritz Schäfer. Dabei seien die Betriebe in Nordhessen vergleichsweise gut aufgestellt. Sie hätten stets solide gewirtschaftet. Der Kreislandwirt empfahl die Einrichtung einer Güllebörse, um die überschüssige Gülle den Betrieben bereitzustellen, die in den letzten Jahren ihre Tierhaltung aufgegeben haben. Diese hätten häufig ausreichend Leerstand für die Lagerhaltung in den vorgeschriebenen neun Monaten. Neubauten sollten wegen der ohnehin schwierigen Situation bei den Genehmigungen Ausnahme bleiben. Dieser Ansicht stimmte Schmal zu. In Bezug auf die AGZ-Zulage für Flächen außerhalb Hessens musste Schmal feststellen, dass sich das Land in dieser Frage stur stelle.
Papierfreie Antragswelt
Bei der Einführung der papierfreien Anträge für 2017 habe der HBV angemahnt, eine moderate Übergangslösung zu erreichen. Angesichts der technischen Ausstattung hielt auch Karlfried Kuckuck eine Übergangsfrist von besser vier als zwei Jahren für sinnvoll, zumal die Fehlerkorrektur in der Behörde mit den Antragstellern und ihren Papieren nun nicht mehr möglich sei. Da bislang erst ein gutes Drittel der rund 2 200 Landwirte im Kreis an einer Schulung im Umgang mit der ab CD teilgenommen hätte, wären Fehler bei der Antragstellung nicht auszuschließen. Von der ab 2019 verfügbaren Onlineversion verspricht sich der Leiter des Fachdienstes mehr Stabilität. Derzeit läuft die CD nur zuverlässig unter Windows, so Karl Christian Kantert, der darauf hinwies, dass ab Januar 2017 im keine Formulare mehr gäbe.
Dr. Martin Rintelen gab einen Überblick über Seuchenfälle. Der erste Fall von Vogelgrippe war bei einem Wildvogel am Twistesee aufgetreten. Das Ende sei derzeit nicht absehbar.
Bei Wildschweinen sei die AfÂriÂkanische Schweinepest in den heimischen Beständen derzeit kein Thema. Die Erreger, der in Litauen, Lettland, Estland, Polen, Weißrussland und zuletzt in Moldawien aufgetretenen SeuÂche könnten allerdings zum Beispiel durch Speisereste leicht einÂgeschleppt werden.
Hennig – LW 50/2016