Einschränkungen zumutbar, Messstellen derzeit ausreichend

VGH Kassel zur Entscheidung zu roten Gebieten

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) Kassel hat kürzlich in den ersten vier Verfahren entschieden, dass die landesrechtliche Verordnung über die Anwendung von Düngemitteln in belasteten Gebieten, wie sie durch die Düngeverordnung von 2020 festgelegt wurde, weiterhin gültig ist. Inzwischen liegen in zwei von vier Verfahren die Urteilsbegründungen vor.

Das Gericht hat in einigen Formulierungen („noch ausreichend“, „derzeit noch ausreichend“) klargestellt, dass seitens des Landes eine Ausweitung und Verbesserung des Messnetzes notwendig ist.

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Der VGH Kassel bewertet die Art der Veröffentlichung der Karten mit einem Maßstab von 1:25 000 in digitaler Form, einsehbar bei den drei Regierungspräsidenten, als ausreichend. Diese Art der Veröffentlichung war von den Klägern beanstandet worden. Der Maßstab genügt laut VGH nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Gebietsausweisung den in Hessen geltenden Anforderungen an die Veröffentlichung von Kartenmaterial.

Art der Veröffentlichtung als ausreichend bewertet

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hatte für Baden-Württemberg, in dem die Gebietsausweisung ähnlich veröffentlicht wurde, anders geurteilt. Durch die weitere Veröffentlichung im System Geobox-Viewer könnten die Daten auch betriebsindividuell eingesehen werden, erklärt der VGH Kassel in seiner Urteilsbegründung. Es biete den Bewirtschaftern als Adressaten der Düngeverordnung in der Fassung von 2022 eine unkomplizierte weitere Möglichkeit, „Anhaltspunkte für die eigene Betroffenheit zu erkennen.“

Gebietsausweisung als rechtmäßig erklärt

Aber auch inhaltlich hält der VGH Kassel die Gebietsausweisung für rechtmäßig. Verpflichtende Maßnahmen zum Grundwasserschutz sind „im Hinblick auf den mangelnden Erfolg der in der Vergangenheit auf das Prinzip Freiwilligkeit gesetzten Maßnahmen“ nach Auffassung des Gerichts „folgerichtig und verhältnismäßig.“ Das vorrangige Prinzip der Freiwilligkeit nach Art. 5 der EG-Nitratrichtlinie sei deshalb nicht verletzt.

Die Regelungen stellen nach dem Urteil des VGH auch keine Verletzung des Eigentums dar: „Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung stellen hier insbesondere der Schutz von Wasser und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen überragende Gemeinwohlinteressen dar, die hier einschränkende Regelungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz rechtfertigen können.“ Dem Grundwasser komme für die Allgemeinheit, insbesondere für die öffentliche Wasserversorgung, eine kaum zu überschätzende Bedeutung zu.

Auch den entschädigungslosen Ertragsrückgang in den „roten Gebieten“ hält der VGH Kassel zum Schutz des Grundwassers für zumutbar, zumal Landwirte zwischen den Kulturen Dünger umverteilen könnten: „Da die Reduktion des Düngebedarfs um 20 Prozent eine Umverteilung von Stickstoffdüngemengen zwischen Kulturen erlaubt, stehen vermiedenen Ertragsverlusten in den höher gedüngten Kulturen höheren Ertragsverlusten in noch reduzierter gedüngten Kulturen gegenüber.“ Durch die unterschiedlichen Ertragsverluste würden aber die durch Erlösverluste verursachten weiteren Kosten geringer als ohne Umverteilung ausfallen, schreibt der VGH in seiner Urteilsbegründung.

Der Auffassung des Hessischen Bauernverbandes, der die Klagen unterstützt, dass das Messtellennetz und die Anzahl der Messstellen unzureichend sind, folgt das Gericht nicht. Der VGH Kassel kommt vielmehr zu der Bewertung, dass die Dichte des Messnetzes rechtlich derzeit nicht zu beanstanden ist. Da es in Hessen nur die 120 Messstellen gebe, die den Anforderungen der Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten technisch oder von der Dokumentation entsprächen, hätte das Land von der Übergangsvorschrift Gebrauch machen dürfen.

Für die Zukunft habe das Land eine Ertüchtigung weiter vorhandener Messstellen zugesagt. Diese Messstellen müssten bei der nächsten Gebietsausweisung einbezogen werden.

Dass die Messstellendichte bei einzelnen Grundwasserkörpern nicht erreicht wurde, ist nach Auffassung des Gerichts kein Defizit, das zur Unwirksamkeit der Gebietsausweisung führt. Diesen Sachverhalt hatten Gutachten dargelegt, die vom Hessischen Bauernverband und den Kreis- und Regionalbauernverbänden in Auftrag gegebenen worden waren. Der VGH Kassel führt dazu aus: „Handelt es sich bei diesem Ausbau um eine (erst) bis Ende 2024 zu erfüllende Aufgabe, ist die im Dezember 2022 geänderte Ausführungsverordnung zur Düngeverordnung 2020 – Fassung von 2022 – rechtlich nicht zu beanstanden, …“ Insoweit sei der Einwand der Antragstellerin, das Ausweisungsnetzwerk sei derzeit nicht als homogen in Bezug auf die Verteilung der Messstellen in der Fläche zu charakterisieren, derzeit nicht erheblich.

Messstellendichte erst nach 2028 zwingend einzuhalten

Unter Verweis auf Entscheidungen in Bayern und Sachsen-Anhalt kommt der VGH Kassel zum Ergebnis, dass die Messstellendichte erst nach dem 31. Dezember 2028 zwingend einzuhalten ist.

Hinsichtlich der Qualität der Messtellen kommt der VGH Kassel zur Bewertung, dass die seitens der Gutachten dargestellten Defizite durch Nachreichen von Unterlagen im Prozess hätten ausgeräumt werden können.

Gegen die Urteile kann der Antrag auf Zulassung der Revision beim Bundesverwaltungsgericht gestellt werden. Das Urteil des VGH stellt die Gültigkeit der Düngeverordnung und die damit verbundenen Einschränkungen in belasteten Gebieten außer Frage, es folgt damit den Entscheidungen aus Sachsen-Anhalt und Bayern. Für landwirtschaftliche Betriebe bedeutet dies, dass sie sich weiterhin auf strengere Auflagen im Umgang mit Düngemitteln einstellen müssen. Die Kritik an der geringen Dichte und Qualität der Messstellen bleibt jedoch bestehen.

Das Gericht hat in einigen Formulierungen („noch ausreichend“, „derzeit noch ausreichend“) aber klargestellt, dass seitens des Landes eine Ausweitung und Verbesserung des Messnetzes notwendig ist. Dies könnte, wenn man in Hessen dem Beispiel Baden-Württembergs folgt und eine Messstelle je 12,5 qkm etabliert zu einer gerechteren Ausweisung von „roten Gebieten“ führen.

hbv – LW 39/2024