Erstversorgung von Wunden beim Rind

Nur ein Kratzer oder eine ernste Verletzung?

Gefährliche Verletzungen können bei Rindern immer wieder vorkommen. Diese entstehen im Zuge von Unfällen im Stall oder auf der Weide. Vor allem fehlerhafte Zäune, Stallböden und Stalleinrichtungen können zu Verletzungen führen oder diese begünstigen. Aber auch das Aufspringen in der Vorbrunst, Geburten und das Durchbrechen von Zäunen können Unfälle und Verletzungen zur Folge haben. Neben der Vermeidung von Risiken für die Tiergesundheit ist im Falle eines Falles das richtige Handeln entscheidend, um den Schaden möglichst gering zu halten. Dr. Ole Lamp von der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein fasst zusammen, was zu beachten ist.

Auch kleine unscheinbare Wunden können durch das Eindringen von Bakterien den Knochen schädigen und zu Lahmheiten führen.

Foto: agrarfoto (1), Lamp (3)

Zwar sind die Verletzungsgefahren im modernen Stall gering, aber auch scheinbar kleine Wunden können durch das Eindringen von Bakterien zur Bedrohung werden. Jede Verletzung sollte daher nicht nur anhand ihrer Größe, sondern immer erst nach ihrer Lage beurteilt werden, da es eindeutig empfindlichere und weniger empfindliche Bereiche gibt. Hier stehen an erster Stelle Bauch und Brust, weil Entzündungen von Bauch- und Brustfell nicht selten tödlich oder mit lebenslangen Schäden enden. An zweiter Stelle sind die Gelenke zu nennen, da sie von der körpereigenen Abwehr fast nicht verteidigt werden können. Gleichzeitig stellt die Gelenkflüssigkeit einen idealen Nährboden für Keime aller Art dar. Die Aussackungen der Gelenkkapsel erstrecken sich teils mehrere Zentimeter über den eigentlichen Gelenkspalt hinaus, sodass die gefährdete Zone oft größer ist als man erst einmal vermuten würde. Neben den großen Gelenken (Karpal- und Sprunggelenk, sowie Knie und Ellenbogengelenk, Hüfte und Schulter) sind vor allem die Zehengelenke besonders gefährdet (Grafik 1, siehe nächste Seite). Sie sind nicht durch polsternde Muskeln geschützt und liegen dicht unter der Haut. Ähnlich gefährdet wie die Gelenke sind die Sehnenscheiden und Schleimbeutel (Grafik 2). Sie liegen an Knochenvorsprüngen und erleichtern das Gleiten von Sehnen um Biegungen der Gliedmaßen wie zum Beispiel in der Fessel. Ein schwerwiegendes Problem sind Bakterien, die Knochengewebe besiedelt haben. Hat sich eine Infektion erst einmal bis in den Knochen ausgebreitet, ist sie dort mit den verfügbaren Medikamenten praktisch nicht mehr zu bekämpfen. Auch Sehnengewebe ist ähnlich schlecht durchblutet und daher anfällig für bakterielle Infektionen. Sind zum Beispiel das Klauenbein durch Sohlengeschwüre oder die Wirbelknochen eines verletzten Schwanzes befallen, bleibt zur Rettung des Tieres oft nur noch die Amputation durch den Tierarzt. Verletzungen und eitrige Geschwüre im Bereich der Klaue und der Afterklauen sollten daher immer sehr ernst genommen werden (Grafik 2).

 – LW 25/2020