Fungizideinsätze bleiben „Versicherungsmaßnahme“

Wachstumsregulatoren und Fungizide im Winterraps

Blickt man auf das letzte Rapsanbaujahr zurück, so wird deutlich, wie wenig planbar Erträge und deren „Input“ sind. Wer hätte in dem extrem trockenen Jahr 2015 mit solchen Rapserträgen gerechnet – sie lagen vielerorts über den betrieblichen Erwartungen. Das zeigt wiederum, wie die Witterung das Tun und Handeln bestimmt.

Winterraps mit Wuchsregulierung im Herbst.

Foto: Kirchmer

Die Auswertung der Wetterdaten über den Dienstbezirk des Dienstleistungszentrums ländlicher Raum (DLR) Westpfalz zeigt für 2015 fehlende Niederschläge zwischen 220 mm und 280 mm – verglichen mit dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Genauso lagen Luftfeuchte und Blattnässe weit unter den Durchschnittswerten, was insgesamt zu geringeren Pilzerkrankungen und dem Vertrocknen von Sporen führte.

Nimmt man die Prognosen des Kompetenzzentrums für Klimawandelfolgen in Rheinland-Pfalz ernst, so werden künftig häufiger trockene Bedingungen mitten in der Vegetationsperiode herrschen. Die Tendenz geht zu einer Erwärmung um 2 bis 4 °C bis zum Ende des 21. Jahrhunderts. Verschiedene Klimaprojektionen deuten an, dass die durchschnittlichen jährlichen Niederschlagsmengen meist fast unverändert bleiben, jedoch die Sommermonate tendenziell trockener und die Wintermonate tendenziell feuchter werden. Projiziert man diese Aussage auf die Vegetationsperiode 2015, so können die vielerorts erstaunlichen Erträge der Winterungen wohl nur aufgrund von ausreichend Wasservorrat im Boden entstanden sein, in Verbindung mit optimal terminierten Niederschlägen in der Trockenphase.

Aktuelle Entwicklung der Bestände

Die aktuellen Rapsbestände haben bis dato eine andere Ausgangsbasis. Die Aussaatbedingungen 2015 waren nicht optimal und häufig zu trocken. Mancher Raps kam gar erst bis Mitte September in den Boden – die Aussaat wurde immer wieder verschoben, da man auf Regen wartete. Ein Teil der Landwirte strich die Planung zur Rapsaussaat – zu groß war die Angst vor dem Nichtauflaufen mangels Wasser. Die gesäten Bestände differenzierten im Herbst 2015 sehr stark. Ganz früh gesäte Flächen (Mitte August), die nach einem verhaltenen Niederschlag ganz gut aufliefen, blieben infolge fehlender Niederschläge fast auf der Strecke. Die ein oder andere Fläche wurde auch von einem gewittrigen Starkregen heimgesucht und verkrustete anschließend. Bestände, die bis Ende August gesät wurden, lagen teils länger ungekeimt im Boden. Flächen, die Anfang September bestellt wurden, liefen zögerlich auf, je nach regionalem Niederschlagsereignis. Alle Bestände hatten jedoch gemeinsam, dass mit einem hohen Anteil an Ausfallgetreide zu rechnen war – mangels Niederschlag nach der Ernte beziehungsweise bei den Erntevorbereitungen. Entsprechend dieser Differenzierung der Bestände waren auch die Anfragen im Herbst 2015 zur Wuchsregulierung und Winterfestigkeit unterschiedlich und erstreckten sich über einen längeren Zeitraum als in der Vergangenheit. Dazu bei trug die andauernd milde Herbstwitterung – selbst der Dezember kam im Durchschnitt der Wetteraufzeichnungen im Bezirk des DLR Westpfalz auf 22 Vegetationstage (Tage mit einer Durchschnittstemperatur höher ab 5°C). Aktuell sind die Bestände zwischen dem Entwicklungsstadium BBCH 27 und 39.

Pilzkrankheiten schwer abzuschätzen

Bei den Pilzkrankheiten kann laut Literatur und Beobachtungen in den Beständen von einer erfolgten Wurzelhals- und Stängelfäule-Infektion ( Phoma lingam) in unterschiedlichem Ausmaß ausgegangen werden. Eine lange und warme Herbstwitterung begünstigt die Bildung von Pyknidien. Jedoch war im Vorfeld die Witterung sehr trocken, sodass unklar ist, wie viele Sporen aus dem Zyklus überleben konnten. Bei Befall erscheinen dann im Herbst, meist auf den älteren Blättern, gelbliche Flecken, die sich im Innern weißgrau verfärben. In der Regel sind darin winzig schwarze Pünktchen zu sehen. Später reißen die weißgrauen Flecken häufig in der Mitte ein. Bei stärkerem Befall sterben die Blätter vor Winter noch ab. Am Wurzelhals treten ebenfalls schon im Herbst Flecken auf, die aber eher dunkelbraun bis schwarz sind. Im Frühjahr sind stark befallene Blätter meist nicht mehr vorhanden, da bereits abgestorben. Die Pilzsporen sind jedoch noch vorhanden. Falls Herbstinfektionen am Wurzelhals stattfanden, sind diese im Frühjahr an Stängelgrund und weiter aufwärts zu sehen. Das Gewebe zeigt sich dunkelbraun rissig und vermorscht zunehmend. Von daher sind im Frühjahr zugelassene Fungizide mit der Indikation Wurzelhals- und Stängelfäule (Phoma lingam) zur „Abmilderung“ denkbar, jedoch wurde die Infektion bereits im Herbst gesetzt. Unter den genannten Umständen ist es in der Praxis weit verbreitet, Herbstapplikationen zur Wuchsregulierung durchzuführen und den fungiziden Effekt des Mittels mit zu nutzen.

Geringe Lagerneigung bei neuen Sorten

In den letzten drei Jahren sind neue Sorten mit höherem Ertragspotenzial am Markt vorhanden. Zudem sind alle in der BSA-Liste (Bundessortenamt) aufgeführten Sorten nur mit einer geringen Neigung zu Lager (BSA-Note 3 bis 4) eingestuft. Daher sind spezielle Behandlungen zur Verbesserung der Standfestigkeit fachlich gesehen vom Sortenspektrum ausgehend nicht absolut notwendig. Bei den Krankheiten Wurzelhals- und Stängelfäule ( Phoma lingam) und Weißstängeligkeit (Sclerotinia sclerotiorum) sind nur sehr schwer Sortenunterschiede zu bestimmen, so dass in den BSA-Listen keine Einstufungen mehr vorgenommen werden. Hingegen wird der Effekt Reifeverzögerung des Strohs laut Bundessortenamt künftig mehr bewertet. Sind nämlich die Schoten bereits reif und die Stängel noch grün, ergeben sich für die Ernte Nachteile wie Druschverluste, feuchteres Erntegut und höherer Treibstoffverbrauch.

Versuchsergebnisse und Bewertung

In wie weit Wuchsregulierungsmaßnahmen mit fungizider Wirkung wirtschaftlich sind, soll die mehrjährige Auswertung der Landessortenversuche (LSV) Rheinland-Pfalz 2011 bis 2015 zeigen. In fünf Jahren wurden an 18 Standorten im Durchschnitt 26 Winterrapssorten auf ihre Leistungsfähigkeit geprüft. Da in den LSV das Prinzip gilt, dass die Sorten sowohl mit als auch ohne Fungizid/Wachstumsregler zu testen sind, erhält man einen guten Ãœberblick über die „Erforderlichkeit“ deren Einsatzes. Im Durchschnitt der fünf Jahre wurden über alle Versuchsstandorte 2,6 Behandlungen in der Stufe 2 appliziert. Am DLR Westpfalz wird selten eine Herbstbehandlung durchgeführt – visuelle Beobachtungen geben keinen Rückschluss auf eine Notwendigkeit.

Betrachtet man die Einsatztermine der Wachstumsregulierung/Fungizide in den LSV so ist im Herbst eine Spanne in den Entwicklungsstadien zwischen BBCH 13-23 zu sehen. Im Frühjahr ist die Spanne wesentlich größer und liegt zwischen BBCH 32-60. Die Blütenbehandlungs-Spanne liegt relativ eng zwischen BBCH 60-65. Im Durchschnitt aller geprüften Sorten in den LSV von 2011 bis 2015 zeigt sich eine Ertragsdifferenz von Stufe 1 (unbehandelt) zu Stufe 2 (behandelt) von 2,96 dt/ha. Da Auswertungen aus LSV aber auf Verrechnungssorten (VRS) basieren, ergibt sich bei deren Ergebnis eine geringere Ertragsdifferenz zwischen Stufe 1 und Stufe 2 von nur noch 2,6 dt/ha. Legt man Mittelkosten von 75 bis 90 Euro/ha bei zweimaliger Behandlung und 90 bis 120 Euro/ha bei dreimaliger Behandlung plus 10 Euro/Überfahrt zu Grunde, wird schnell deutlich, welchen Mehrertrag man erzielen muss, um wirtschaftlich zu sein.

Die Ausgangssituation ist differenziert

Auch in diesem Frühjahr ist die Ausgangssituation differenziert, wie beschrieben. Bestände mit Wuchsregulierung im Herbst sind zwischen BBCH 25-29, andere Bestände zeigen bereits Ende Februar BBCH 39 (Knospenansätze sind tief zu sehen in den Blättern der Hauptinfloreszenz). Neben der Saatzeit, Saatstärke, Bodenart und Standort, einer Wuchsregulierung im Herbst, spielt die Sorte (Linie/Hybride) und deren Wüchsigkeit eine immense Rolle in der Saison 2015/2016. Aufgrund der unterschiedlichen Bestandesentwicklungen wird es kein „pauschales Rezept“ geben. Alleine die Auswertung der LSV zeigt, welches Zeitfenster in den letzten fünf Jahren für Wachstumsreglereinsätze/Fungizidmaßnahmen im Frühjahr besteht.

Weitere mehrjährig durchgeführte Versuche speziell zur Wachstumsregulierung/Fungizideinsatz von 2009 bis 2011 in Rheinland-Pfalz zeigen tendenziell ähnliche Erkenntnisse wie die Auswertungen der LSV. Im Durchschnitt der Jahre 2009 bis 2011 wurde im Mittel aller Behandlungen ein Mehrertrag von 3,5 dt/ha erzielt. Hin und wieder kann aber unter gewissen Umständen der Einsatz eines Wachstumsregulators/Fungizids auch zu Ertragseinbußen gegenüber unbehandelt führen. Wertet man mehrjährige Beobachtungen aus den LSV hinsichtlich des Sclerotiniabefalls (Weißstängeligkeit) aus, so erhält man einen sehr geringen durchschnittlichen Befallswert, der über alle Sorten und alle Standorte verrechnet ist.

Blütenbehandlung Erträgen gegenüberstellen

Die Kosten der Blütenbehandlung sollten den Ertragsparametern gegenübergestellt werden, um so eine wirtschaftliche Behandlung abzuwägen. Aktuell ist SkleroPro das einzige praxisreife Prognosemodell, das die Entscheidungsunterstützung zur Blütenbehandlung in Verbindung mit schlagspezifischen Praxisdaten ermöglicht. SkleroPro wird in der Beratungsarbeit der Offizialberatung vieler Bundesländer als Ergänzung zu den langjährigen Erfahrungen sinnvoll eingesetzt. Es bietet auch dem Landwirt die Chance seine ebenfalls vielfältigen und langjährigen Erfahrungswerte zu ergänzen und steht unter www.isip.de im Rahmen eines Abovertrages zur Verfügung. Das sehr kostengünstige Angebot mit nur 49 Euro/Jahr beinhaltet neben dem Internetzugang auch die jährlich erscheinenden Sorten- und Pflanzenschutzinformationen der Pflanzenbauberatung in Rheinland-Pfalz. Nähere Information unter www.dlr.rlp.de/Rubrik Warndienst. Gerne sind aber auch Beratungsanfragen bzgl. Schlagspezifischer Prognosen an die Offizialberater der DLR´s möglich.

Ertragspotenzial des Standortes abschätzen

Es kann festgehalten werden: Der Landwirt sollte das Ertragspotenzial seiner Standorte aufgrund seiner langjährigen Erfahrung objektiv einschätzen und die Bestände fortlaufend genau beobachten. Vitale Pflanzen in gesunder Fruchtfolge mit genügend Standraum sind in der Lage, gut zu kompensieren und bei geringem bis mittlerem Pilzbefall auch ohne Fungizideinsatz auszukommen. Zur abschließenden Kalkulation sind entweder bereits festgelegte Vertragspreise oder die zu erwartenden Erlöse in der Ernte laut Börsennotierungen hinzuzuziehen.

Eine Wirtschaftlichkeit von wachstumsregulierenden Maßnahmen ist nach Auswertung rheinland-pfälzischer Versuche kaum gegeben. Als Absicherung des eigenen Handelns sind solche Einsätze jedoch in der Praxis häufig anzutreffen. Genauso sieht es bei Blütenbehandlungen aus. Von den zugelassen Fungiziden im Raps ist der überwiegende Teil auf Azolbasis aufgebaut. Daneben ergänzen Wirkstoffe wie Boscalid, Prochloraz, Mepiquat und Strobilurine die Mittel und entscheiden über den Einsatzschwerpunkt. Mit dem neuen Produkt Efilor, eine Mischung aus Metconazol und Boscalid kann, wie auch mittels Folicur, jede Indikation abgedeckt werden – von Winter- über Standfestigkeit bis hin zu Wurzelhals- und Stängel­fäule einschließlich Sclerotinia und Rapsschwärze. Da die Versuchsauswertungen über die Jahre nur selten wirtschaftliche Effekte einer Fungi­zid­maßnahme zeigen, bleibt sie eine „Versicherungsmaßnahme“.

Wer eine Behandlung durchführt ohne genau deren Erfolg zu kennen, sollte jedoch für sich und die Beratung ein „Spritzfenster“ anlegen. Nur so ist es möglich unter eigenen Bedingungen ein „Gespür“ zu bekommen – auch über Jahre hinweg. Die Basis für standortangepasste Rapserträge ist nämlich die Optimierung von Aussaat, Aussaatstärke in Verbindung mit Düngung, Druschtechnik und den nötigen Niederschlägen zum richtigen Zeitpunkt.

Bettina Kirchmer, DLR Westpfalz – LW 13/2016