Getreide: Mit der Lagerung Geld verdienen

Wann der Monat da ist, die Ernte zu verkaufen

Getreidevermarktung ist nichts für schwache Nerven. Nicht nur die Meldungen zu den Ernte- und Verbrauchsmengenentwicklungen in anderen Teilen der Welt und die davon getriebenen Schwankungen an den Terminmärkten, sondern auch die lokalen kurzfristigen Nachfragen beeinflussen die erfolgreiche Getreidevermarktung. Nachfolgend analysiert Dr. Mathias Schindler von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, ob, wann und wie mit der Lagerung von Getreide Geld verdient werden kann.

Die Erntelogistik rückt angesichts der schnell steigenden Schlagkraft der Mähdrescher und der länger werdenden Transportwege zum Handel immer häufiger in den Vordergrund der Entscheidungen. Dies spricht für die Lagerung von Getreide auf dem eigenen Betrieb.

Foto: Moe

Wer mit Erfolg verkaufen will, muss seine Kosten kennen und in der jährlichen Preisentwicklung, die von einigen Fakten und vielen Gerüchten stark beeinflusst wird, den richtigen Verkaufstermin finden. Hier werden die Kosten der Lagerung den jeweiligen Preisanstiegen im Jahresverlauf gegenüber gestellt. Zu Interventionszeiten war es einfach: Wer lagern konnte, tat dies und verkaufte meist erst am Ende der EU-Lagerzuschlagsphase, wenn sein Zins für Liquidität niedrig war. War der Zins hoch, wurden oft Teilmengen nach Liquiditätsbedarf vermarktet.

Februar und März sind oft gute Monate zum Verkauf

In der Grafik 1 ist die Entwicklung des B-Weizenpreises als wichtigstes Getreide seit der Ernte 1998 dar­gestellt. Für die Analyse der Preisentwicklung wurden ausgewählte Jahre und verschiedene langfristige Durchschnittsphasen herangezogen. An Effekten war (fast) alles dabei:

  • niedriger Startpreis mit moderatem Preisanstieg im Jahresverlauf (Ernten 1998, 1999, 2005),
  • niedriger Startpreis mit starkem Anstieg (Ernte 2006),
  • niedriger Startpreis, zunächst Anstieg und dann Einbruch (Ernten 2000, 2002, 2003),
  • niedriger Startpreis ohne ausreichendem Anstieg (Ernten 2001, 2004, 2009),
  • hoher Startpreis, Seitwärtsbewegung, anschließend Anstieg (Ernte 2011),
  • hoher Startpreis, dann „Achterbahnfahrt“ (2013, 2014),
  • hoher Startpreis mit (starkem) Anstieg und Einbruch (Ernten 2007, 2012),
  • guter Startpreis mit starkem Einbruch (Ernte 2008),
  • hoher Startpreis mit starkem Anstieg, danach „Achterbahn“ der Preise (Ernte 2010).

„Normale“ Jahre mit kontinuierlichem leichten Anstieg? Seit längerem schon Fehlanzeige. Stattdessen ist offensichtlich, dass es nach hohen Startpreisen immer deutlich turbulenter zuging, als wenn der Markt auf niedrigem Niveau begann. Zusätzlich zeigt die Ãœbersicht 1, wie sich die Preise nach der Ernte im jeweiligen Monatsdurchschnitt gegenüber dem Erntepreis des Jahres verändert haben. Die farbige Unterlegung nimmt die Ergebnisse schon vorweg: Die grün unterlegten Monate wären in dem Jahr der jeweils gewinnoptimierte Verkaufszeitpunkt gewesen. Zwischen Einbrüchen um mehr als 43 Euro/t gegenüber dem Erntepreis (Wirtschaftsjahr 2008/09) und Anstiegen um mehr als 74 Euro/t (2010/11) war alles dabei. Interessant ist der Blick auf die durchschnittliche Entwicklung in den letzten 17 Jahren: Wer immer im Februar oder März verkauft hat, hat im Schnitt vermutlich die besten Preise mitnehmen können, was aber zur Deckung der Lagerungskosten (ganz knapp) nicht gereicht hat. Betrachtet man allerdings den Schnitt der letzten zehn Jahre, ergibt sich für die „Februarvermarktung“ ein Aufschlag von 19,28 Euro/t (der zur Deckung der Lagerkosten genügte). Im Durchschnitt der letzten fünf Jahre wird der Vorteil dieses Termins mit 25,72 Euro/t Preisanstieg noch deutlicher.

Getreidelager ermöglichen geschäftliches Handeln

Der Blick auf die jährlichen Daten verrät: Das Ergebnis ist ganz stark vom 2010/11 bestimmt. Deshalb sollte eine eventuelle Investitionsentscheidung eben nicht davon beeinflusst werden. Würde dieses eine Jahr gestrichen, hätten im Mittel der letzten fünf Jahre die „De­zem­ber“-Verkäufer die bessere Strategie verfolgt; bei längerem Rückblick erzielten die „Februar-/März“-Vermarkter die höchsten Preise. Wer noch später und damit erst kurz vor der neuen Ernte vermarktet hatte, bekommt – im Gegensatz zu früher – nicht mehr die höchsten Preise. Offenbar setzen die Verarbeiter nicht mehr auf Risiko und kaufen die Ware für den Anschluss bis zur neuen Ernte rechtzeitig (oder es wird von dieser Frage durch Spekulationsmeldungen elegant und ausreichend abgelenkt). Interessant sind folgende Fragen:

  1. Wird die zukünftige Preisentwicklung ähnlich verlaufen? 2. Und welche Preisaufschläge brauche ich zur Kostendeckung?

Zu Frage 1 gibt es bestimmt genug qualifizierte Propheten, hier nur folgendes: Sobald eine Regelmäßigkeit erkannt wird und genügend Marktteilnehmer danach handeln, hat sie sich selbst erledigt. Gilt dies für die Erkenntnis, dass der Dezember ein guter Verkaufsmonat ist/war? Vermutlich, doch was jetzt? Noch eher verkaufen oder wieder auf Februar/März setzen? Doch was, wenn das diesmal doch nicht stimmt? Die zweite Frage ist einfacher zu beantworten und nachfolgend diskutiert, welche Preisanstiege zur Deckung der Kosten für eine Getreidelagerung erforderlich sind.

Die Gründe dafür, dass die Mehrzahl der Getreideerzeuger auf die Getreidelagerung nicht verzichten kann, sind vielfältig: Einerseits wären die betriebseigenen Transport- und Logistikkapazitäten angesichts der schnell steigenden Schlagkraft der Mähdrescher und der Konzentration im Handel vermutlich mit den immer größeren Transportmengen und den länger werdenden Transportwegen zum Handel überfordert. Dem ließe sich aber vermutlich noch durch kurzfristiges Anmieten von Transportkapazität von (Schüttgut-)Speditionen schnell und wirksam abhelfen.

Doch daraus entsteht dann schnell das nächste Problem: Bei der aufnehmenden Hand ist es während der Ernte schon jetzt ziemlich voll und die Wartezeiten würden sich – sofern der Handel überhaupt so viel zusätzliche Ware annehmen (und selbst lagern) könnte – weiter stark erhöhen. Dadurch wiederum würde noch mehr Transportkapazität benötigt und am Ende würde das Getreide de facto auf Anhängern und Aufliegern „zwischengelagert“. Hauptgrund ist aber die oft diskutierte schlechte Verhandlungsposition, die bei der Anlieferung in der Ernte besteht. Wer hier nicht rechtzeitig Kontrakte in ausreichender Men­ge verhandelt hat, liefert letztendlich nur ab und das meist (aus den erwähnten logistischen Engpässen heraus) an den nächstgelegenen Handel – mit entsprechenden Konsequenzen für den erzielbaren Preis. Auch wenn die Getreide­lagerung unabhängig von ihrer eigenen Wirtschaftlichkeit für den Getreideanbauer oft unverzichtbar ist, gehört sie trotzdem auf den ökonomischen Prüfstand. Zur Ermittlung der durch die Lagerung entstehenden Kosten hilft eine Strukturierung in Kostenbereiche. Fünf Kostenbereiche in zwei Kostengruppen sind abgrenzbar. Dem „Getreidelager“ (1. Kos­tengruppe) sind folgende Kostenpositionen zuzuordnen:

  • Die festen Kosten des Lagers selbst (Abschreibung, Zinsanspruch und Unterhaltung),
  • Die (variablen) Betriebskosten während der Lagerung.
  • Dem Produkt „Getreide“ (2. Kostengruppe) werden folgende Kosten zugeordnet:
  • Die Kosten des Handlings (Ein- und Auslagerung, sowie Transport und Trocknung),
  • Die Zinsverluste aufgrund der späteren Verkaufs- und Zahlungstermine,
  • Die Kosten der Substanzverluste (Schwund durch Reinigung, Trocknung, Lagerung).

Die Unterteilung ist sinnvoll, weil bestimmte Kosten wie Abschreibung, Zinsanspruch und Teile der Unterhaltung immer an­fallen, wenn das Lager erst einmal geschaffen wurde („sind sowieso da“), unabhängig davon, ob überhaupt gelagert wird.

Dr. Mathias Schindler – LW 4/2016