Gute Weizen-Erträge trotz Trockenheit
LSV Winterweizen in Rheinland-Pfalz 2015
Lange Zeit war unklar, wie die Winterweizensorten in den Landessortenversuchen die Trockenheit von Februar bis Juni und die anschließende Hitze verkraften würden. Doch schon nach den ersten Ernteergebnissen deutete sich an, dass die diesjährige Versuchsernte bei Weizen gar nicht mal so schlecht ausfallen würde. Über die Erfahrungen und Ergebnisse aus den diesjährigen Landessortenversuchen berichten Ferdinand Hoffmann, Dr. Albert Anderl und Marko Goetz vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinhessen-Nahe-Hunsrück in Bad Kreuznach.

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Freud und Leid häufig nur wenige Kilometer auseinander
Dass die Bestände trotz meist negativer Wasserbilanz zu solch beachtlichen Leistungen fähig waren, ist nur schwer zu erklären. Voraussetzung dafür waren wohl in erster Linie ein gut entwickelndes Wurzelsystem und eine intakte Bodenstruktur. Nur so konnte die mitunter noch reichlich vorhandene Winterfeuchtigkeit im Verlauf der VegeÂtation genutzt werden. Darüber hinaus haben sich die nicht allzu hohen Frühjahrstemperaturen günstig auf die Ertragsbildung ausgewirkt.
Und noch eines ist zu bedenken: Die wenigen Niederschläge fielen örtlich eng begrenzt, so dass Freud und Leid häufig nur wenige Kilometer auseinander lagen. Denn auch aus der Praxis wird gebietsweise von sehr guten Ergebnissen berichtet. In Regionen, in denen dagegen extrem wenig Niederschläge fielen, die Vorfrüchte stark an den Wasservorräten zehrten oder die Vorjahresernte unter schwierigen Bodenverhältnissen erfolgen musste, sind die Erträge eher heterogen, aber meist doch noch zufriedenstellend.
Winterweizen weiter auf dem Vormarsch?
Die Frage, ob die vielerorts unerwartet guten Erträge dem Winterweizen nun einen weiteren Anbauimpuls verleihen werden, wird je nach Region und Betrieb unterschiedlich ausfallen. Fest steht, dass die konkurrierenden Sommerkulturen in diesem Jahr vielerorts enttäuschten und so die ökonomische Überlegenheit des Weizens eher gefestigt wird. Auf der anderen Seite ist es im Moment auf den Weizenmärkten recht ruhig und die Aussicht auf bessere Preise eher gedämpft. Etwas Hoffnung auf anziehende Erzeugerpreise könnte allerdings in der Erwartung einer kleineren Körnermaisernte aufkommen.
Aus pflanzenbaulicher Sicht ist eine weitere Ausdehnung des Weizenanbaus eher bedenklich. Nach derzeitigen Schätzungen standen zur diesjährigen Ernte über 115 000 ha Winterweizen auf rheinland-pfälzischen Äckern. Dies entspricht einem Anteil von fast 30 Prozent an der hiesigen Ackerfläche. Zum Vergleich: Der Winterraps als zweitwichtigste Ackerkultur kommt gerade mal auf 44 000 ha oder knapp 11 Prozent. Bei allen wirtschaftlichen Vorzügen bringen weiter steigende Weizenanteile zwangsläufig aber auch Fruchtfolge- und Resistenzprobleme mit sich, die es zu bewältigen gilt.
Verrechnungssorten mit Rekorderträgen
Zur Ernte 2015 wurden in Rheinland-Pfalz sechs Landessortenversuche zu Winterweizen angelegt, die alle ausgewertet werden konnten. Üblicherweise erfolgen die Prüfungen in zwei Intensitätsstufen, wobei die Sorten in der ersten Stufe ohne Fungizidbehandlung und ohne beziehungsweise mit reduziertem Wachstumsreglereinsatz geprüft werden. In der zweiten Stufe werden in Abhängigkeit von der Befallssituation Fungizide zur Behandlung von Blattkrankheiten beziehungsweise Wachstumsregler zur Absicherung der Standfestigkeit eingesetzt.
Bei den Verrechnungssorten (VRS) Elixer, Pionier und Rumor wurden in der unbehandelten 93,8 und in der Behandlungsstufe 103,6 dt/ha im Mittel aller Standorte geerntet. Damit wurde in den Versuchen das beste Ergebnis der letzten Jahre erzielt. Dieses enorm hohe Ertragsniveau der Verrechnungssorten gilt es in diesem Jahr bei der Bewertung der Versuchsergebnisse entsprechend zu berücksichtigen. Denn eine Sorte, die beispielsweise in diesem Jahr mit relativ 97 abgeschnitten hat, brachte „immerhin“ noch einen KornÂertrag von 91,0 beziehungsweise 100,5 dt/ha.
Wie bereits in den Vorjahren lagen auch 2015 die Sorten in ihren Leistungen dicht beieinander, so dass sich die Ertragsunterschiede zwischen den führenden Sorten statistisch nicht absichern lassen. So konnten sich in den intensiven Behandlungsstufen im A-Bereich Atomic, Rebell und RGT Reform an die Spitze setzen, bei den B-Sorten Benchmark, Faustus, Rumor, Bonanza, Desamo, Partner und Johnny. Bemerkenswert sind die relativ niedrigen Bestandesdichten von 520 Ähren je m2 im Mittel der Orte, wobei die weite Spanne von 400 bis 670 Ähren auf die unterschiedlichen Witterungsverhältnisse während der Bestockung schließen lässt.
Die gegenüber dem Vorjahr außergewöhnlich hohen Erträge wurden in erster Linie über die hohe KornÂzahl je Ähre (45 Körner) und weniger über das Tausendkorngewicht (45 g) gewonnen. Die Rohproteingehalte erreichten in Anbetracht der hohen Erträge ein nur mäßiges Niveau (im Mittel 12,4 Prozent), wobei es die E-Sorten im Mittel auf 13,8 Prozent, die A-Sorten auf 12,5 Prozent und die B-Sorten auf 12,1 Prozent brachten. Gegenüber den Vorjahren wurden sehr hohe Hektolitergewichte (80 kg) ermittelt. Lager trat kaum auf.
Gelbrost wieder die vorherrschende Krankheit
Das Krankheitsgeschehen war wie im Vorjahr in erster Linie vom Gelbrost dominiert. Dieser trat sortenabhängig an allen Standorten auf und führte bei anfälligen Sorten zum vorzeitigen Absterben der Blätter. Auf solche Weise geschädigte Sorten reagierten mit Ertragseinbußen im Landesmittel von knapp 28 dt/ha, auf Einzelstandorten sogar mit fast 43 dt/ha. Bei gegen Gelbrost wenig anfälligen Sorten wie Mescal, Desamo, Dichter, Alfons oder Elixer brachten Behandlungsmaßnahmen dagegen kaum nennenswerte Ertragszuwächse. Hier wurden selten mehr als 4 dt/ha erzielt.

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Doch letztendlich entscheidend war der Gelbrost. Dieser konnte bei dem wiederum milden Winter bereits frühzeitig die Bestände infizieren und den Blattapparat teilweise schon in der KornÂfüllung zum Absterben bringen.
Bei den Fungizidbehandlungen war die richtige Terminierung enorm wichtig. Schon ein leicht verspäteter Fungizideinsatz brachte keinen durchschlagenden Erfolg. Dann hatten selbst weitere Behandlungen keine Wirkung mehr. Wie wichtig eine gezielte Gelbrostbekämpfung in diesem Jahr war, zeigt der LSV in Mötsch (Eifel). Hier war die KWS Loft die am stärksten befallene Sorte und erzielte dementsprechend in der unbehandelten Stufe nur 53,8 dt/ha. Mit Behandlung kam er auf 96,5 dt/ha. Entsprechend der unterschiedlichen Sortenanfälligkeit gestaltet sich die Wirtschaftlichkeit der Behandlungen äußerst differenziert. Die Spannbreite geht von unwirtÂschaftÂlich bis hin zu hochrentabel.
Mehrjährige Auswertungen belegen die Ertragsstabilität
Eines der wichtigsten Kriterien für die Sortenwahl ist die ErtragsstabiliÂ-tät, also die Leistungsfähigkeit einer Sorte über die Jahre und Orte hinweg. Auskunft darüber geben mehrjährige Ertragsauswertungen. In der entsprechenden Tabelle sind die Mittelwerte der Kornerträge der Jahre 2011 bis 2015 nach Qualitätsgruppen getrennt für Rheinland-Pfalz dargestellt. Bemerkenswert dabei ist, dass sich die B-Sorten leistungsmäßig verbessert haben und nunmehr bei den mehrjährigen Erträgen sogar etwas über den bisher ertragreichen A-Sorten liegen. Dies gilt insbesondere für die extensiv geführten Stufen. Im A-Bereich liegen in den intensiven Stufen RGT Reform, Atomic und Rebell, bei den B-Sorten Faustus, Desamo und Rumor an der Spitze des Sortiments.
Noch aussagekräftiger sind mehrjährige, überregionale Ertragsauswertungen für bestimmte Anbauregionen (Tabelle 3). Hier sind am Beispiel der A- und B-Sorten die mehrjährigen Ergebnisse aus Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz in den jeweiligen Anbaugebieten dargestellt. Das Anbaugebiet „Wärmelagen Südwest“ umfasst in Rheinland-Pfalz Rheinhessen, Teile des Donnersbergkreises und die Vorderpfalz, die „Mittellagen Südwest“ die Voreifel und die Westpfalz und schließlich die „Höhenlagen Südwest“ den Westerwald, den Hunsrück und die Hocheifel. Aus dieser Tabelle wird ersichtlich, dass die führenden, mehrjährig geprüften A-Sorten in den Anbaugebieten Südwestdeutschlands leistungsmäßig denen in Rheinland-Pfalz nahezu identisch sind. Bei den B-Sorten ergibt sich ein etwas verändertes Bild, da hier neuere, ertragreiche Sorten mit allerdings noch geringem Anbauumfang in die Auswertung einbezogen wurden.
Auftreten von Fusarium und Mutterkorn
In diesem Jahr ist scheinbar weder Fusarium noch Mutterkorn aufgetreten, was nach der trockenen Witterung zur Blüte auch zu erwarten war. Dennoch darf gerade das Thema Fusarium nicht aus den Augen verloren werden, zumal bei entsprechenden Befallsbedingungen ganz schnell die gesetzlichen Höchstwerte im Erntegut überschritten werden können. Neben feucht-warmer Witterung zur Blüte verschärfen uneinheitliche, länger als üblich blühende Bestände das Fusariumrisiko. So erklärt sich auch, dass normalerweise fusariumunauffällige Sorten in manchen Jahren höhere DON-Werte aufweisen. Zusätzlich wird das Infektionsrisiko beim Anbau von Weizen nach Mais mit nicht wendender Bodenbearbeitung und bei anfälligen Weizensorten erhöht.
Ein wesentlicher Faktor, das Fusariumrisiko abzumildern, ist und bleibt die Sortenwahl. Das bedeutet, dass bei entsprechend kritischen Bedingungenvorzugsweise solche Sorten zu wählen sind, die vom Bundessortenamt mit den Noten „2“ oder „3“ in der Anfälligkeit für Ährenfusarium eingestuft sind:
- E-Sorten: Bussard, KWS Milaneco, Pilgrim PZO, Axioma (alle Note 3)
- A-Sorten: Toras (2), Ambello, Diskus, Opal, Pamier, Impression (alle Note 3)
- B-Sorten: Alfons, KWS Ferrum (beide Note 3)
- C-Sorten: Anapolis, Hermann (3) Kriterien für die Sortenwahl
Bei kaum einer anderen Kultur ist die Sortenwahl schwieriger und vielschichtiger als bei Winterweizen. Da ist zum einen das riesige Sortenangebot in Deutschland. So sind in der BeschreiÂbenden Sortenliste für das Jahr 2015 knapp 170 Winterweizensorten aufgeführt. Zahlreiche weitere EU-Zulassungen drängen zusätzlich auf den hiesigen Markt und jährlich werden einige Neuzüchtungen zugelassen. Allein diese Fülle macht es schon schwierig, sich hier einen umfassenden Überblick zu verschaffen. Bezieht man nun noch die verschiedenen Anforderungen der Marktpartner und die sich aus dem
jeweiligen Vegetationsverlauf ergebenden Anbauprobleme wie starke Winterfröste, feuchte Erntewitterung (Fallzahlen) oder neu aufgetretene aggresÂsive Erregerrassen bei Krankheiten (Gelbrost) mit ein, erscheint die Wahl der „richtigen“ Sorte noch komplexer, ja schier unmöglich. Solange man die ideale Sorte nur schwerlich finden kann, wird man bei der Sortenwahl immer Kompromisse eingehen müssen.
Das nach wie vor wichtigste Kriterium für die Sortenwahl ist die mehrÂjährig gute, stabile Ertragsleistung. Nach den leidvollen Erfahrungen der vergangenen Jahre kommen eine gute Winterhärte sowie hohe und stabile Fallzahlen hinzu. Bei diesen Faktoren wird man keine Kompromisse eingehen können, da sie vom Landwirt kaum beeinflussbar sind. Dazu zählen auch Reifezeit und mit Abstrichen eine gute Fusariumtoleranz. Ebenso von Bedeutung sind mehrjährig der Qualitätsgruppe entsprechende gute ProteinÂgehalte. Auch dies ein Faktor, der möglicherweise in der novellierten Düngeverordnung eine größere Bedeutung erhalten könnte.
Bei Eigenschaften wie Standfestigkeit, Blattgesundheit oder Pflanzenlänge dagegen bestehen zurzeit noch Möglichkeiten, regulierend eingreifen zu können. Hierbei kann man betriebsindividuelle und standortspezifische Maßstäbe an die Sorteneigenschaften anlegen.
– LW 37/2015