Handwerklich gebrautes Bier aus der Wetterau
Kultland Brauerei in Ockstadt auf Erfolgskurs
Seit 1988 werden auf dem Betrieb von Reiner Weidmann in Friedberg-Ockstadt verschiedene Obstbrände gebrannt. Im Jahr 2016 kam ein neues Einkommensstandbein hinzu: Die Kultland Brauerei wurde gegründet, in der in kleinen Chargen handwerklich gebrautes Bier aus der Wetterauer Gerste des Betriebes hergestellt wird. Das LW hat sich mit Schwiegersohn Norman Groh, dem Geschäftsführenden Gesellschafter der Brauerei, über den Familienbetrieb und das Bierbrauen unterhalten.
Sein Handwerk zum „Staatlich geprüften Brenner“ erlernte Norman Groh in Offenburg. Zweieinhalb Jahre lang fuhr er, parallel zu seinem Job als Radio- und Fernsehtechniker, an drei Abenden in der Woche zum Unterricht. Nach Beendigung der Ausbildung folgte 2008 der Einstieg in den Ockstädter Betrieb und die Gründung der Weidmann & Groh GbR.
Lieblingsbier gebraut
Mit dem Bau einer neuen Brennerei im Jahre 2011 wurde neben den Obstbränden auf dem Betrieb auch Whisky gebrannt. „Und da der Maischprozess für den Whisky fast identisch zu dem des Bierbrauens ist, haben wir 2013 einfach mal ausprobiert, ein eigenes Lieblingsbier zu brauen“, führt Norman Groh die weitere Entwicklung des Betriebes aus. Stück für Stück sei mehr aus der Idee geworden. Zusammen mit seinem Schwiegervater Reiner Weidmann und seinem Bruder Lorenz gründete Groh die eigenständige Kultland Brauerei. Den Namen leitete die Familie davon ab, dass das Brauen ein Stück Kultur ist und in der Wetterau seit Jahrhunderten Landwirtschaft betrieben wird. Aus Kultur und Land entstand „Kultland“. Es werden zwei Craft-Biere angeboten: ein Helles und ein IPA – beide mit dem Slogan: Dein Bier von hier! „IPA ist die Abkürzung für India Pale Ale. Das ist ein helles, stärker eingebrautes Pale Ale“, erklärt Groh. Es sei entstanden, als die Engländer im 19. Jahrhundert ihre englischen Kolonien per Schiff mit Bier versorgen wollten und dieses auf der langen Überfahrt schlecht wurde. Mit stärkerer Hopfung wurde es haltbarer.
Hopfen mit blumigen und fruchtigen Noten
„Uns schmeckt stark gehopftes Bier. Mit den tollen Hopfensorten, die es gibt – mit beispielweise Maracujatönen oder mit Zitrus- und Beerennoten – haben wir daher gerne herumexperimentiert. Wir wollten es einmal auf die Spitze treiben. Heraus kam, dass wir sechs verschiedene Hopfensorten für unser obergäriges IPA einsetzen“, so der junge Brauer. Die Hopfensorten kommen aus Amerika und werden über Importeure eingekauft. Für das Kultland IPA werden beispielsweise die Hopfensorten Chinook (mit Grapefrucht- und Piniennoten) und Centennial (blumige Zitrusnote) eingesetzt. Sie werden als Pellets geliefert. Für das Helle verwenden die Kultlandbrauer Traditionshopfen aus der Hallertau, wie den Hallertauer Mittelfrüh. „Das ist ein Aromahopfen, der einen schönen Duft bringt. Er wird beschrieben als kräuterig, blumig, grasig“, informiert Groh.
Betriebsspiegel
Weidmann & Groh GbR in 61169 Friedberg-Ockstadt
- Größe: 100 ha Ackerbau mit Weizen, Gerste, Raps; 5 ha Obstbau, vor allem Süßkirschen
- Öffnungszeiten des Verkaufsraums: Donnerstag und Freitag von 10 bis 12 Uhr sowie 16 bis 18 Uhr, Samstag von 10 bis 13 Uhr.
- Preisbeispiele: 5-l-Partydose Helles kostet 15 Euro, das IPA 20 Euro.
- Arbeitskräfte in der Brauerei: Alle Familienmitgleider packen da an, wo es nötig ist. Außerdem werden 2 AK für Büroarbeit und zur Abfüllung beschäftigt
- zertifizierter Qualitätsmarkenbetrieb „Geprüfte Qualität – Hessen“; zertifizierter Landmarktbetrieb; Mitglied bei der Hessischen Direktvermarktervereinigung, beim Wetterauer Landgenuss und im Verband Pfälzer Klein- und Obstbrenner
- www.kultland-brauerei.de
- www.weidmann-groh.de
Hopfengestopftes Bier
In der Kultland Brauerei wird nach dem Kalthopfungsverfahren gebraut. „Normalerweise wird der Hopfen nur im Sudkessel mitgekocht. Danach wird das Bier auf Anstelltemperatur gekühlt und vergoren. Wir geben in die Vergärung, ins Kalte, noch einmal Hopfen zu. Der Vorteil ist, dass dieses sogenannte hopfengestopfte Bier ein deutlicheres Hopfenaroma erhält, nicht aber die Bitterstoffe.“ Schließlich macht auch die Hefe das Bier, erklärt Groh. „Wir haben daher auch viele Hefen ausprobiert und hier ebenfalls selektiert, bis der Geschmack für uns passte.“ Die Braugerste vom eigenen Betrieb wird in einem 25-t-Zug in die Rhön gebracht und von der Rhön Malz GmbH vermälzt. Chargenrein wird das Gerstenmalz in 25-kg-Säcke abgefüllt und zurückgekauft. Außer Gerstenmalz, Hopfen und Hefe darf laut deutschem Reinheitsgebot nur noch Wasser ins Kultlandbier. Dazu Groh: „Wir können das gute OckÂstädter Quellwasser so einsetzen, wie es aus der Leitung kommt.“ Das Helle hat einen Alkoholgehalt von 5,3 Prozent und eine Stammwürze von 13 Prozent. Der Alkoholgehalt beim IPA: 5 Prozent, Stammwürze: 12,5 Prozent. Für den Start der Brauerei investierte die Familie zunächst rund 70 000 Euro. „Es kommt dann aber immer noch etwas dazu. So haben wir beispielsweise die Keg-Fässer am Anfang von Hand gespült. Das war viel zu aufwendig. Also haben wir eine Reinigungsanlage für 14 000 EuÂro gekauft.“
Fokus auf Fassbier gesetzt
Der Jungunternehmer sagt: „Unser frisch gebrautes Bier gibt es nur vom Fass. Wir liefern aus unserem Kühlhaus direkt, ohne Zwischenhändler, in die Kühlhäuser der Gastronomien.“ Aufgrund der Nachfrage gibt es für Endkunden zudem die 5-Liter-Partydosenlösung, die man, wie alle anderen Produkte auch, ab Hof in einem kleinen Verkaufsraum kaufen kann. Seit Kurzem wird das Kultland auch im nahegelegenen Supermarkt verkauft. Zapfanlagen und Gläser gibt es im Verleih. „Wichtig ist, dass das Bier kühl gelagert wird, denn es ist unfiltriert, naturbelassen und nicht pasteurisiert. Für die Partydosen gilt: Bei sieben Grad im Kühlschrank sind sie etwa einen Monat lang haltbar.“ Gastronomen in der Region zu finden, die die Biere in den Ausschank nehmen, sei zu Beginn schwer gewesen. „Die meisten haben langjährige Lieferverträge mit den großen Brauerein. Doch es gab auch welche, die neugierig genug auf unser handwerklich gebrautes Bier waren. Wir haben zusammen Nischen gefunden. Mittlerweile rufen uns die Gastronomen an, wenn sie Nachschub brauchen“, berichtet Groh. Neun regionale Gastronomiebetriebe schenken das Kultland-Bier derzeit aus – von Butzbach über Friedberg bis nach Bad Vilbel. Klassische Werbung wird nicht betrieben. „Wir sind im Internet und auf Facebook. Mehr machen wir nicht.“
Craft-Bier
„Craft“ ist das englische Wort für Handwerk. Ein Craft-Bier ist ein Bier, das handwerklich von einer unabhängig tätigen Brauerei erzeugt wurde. Der Trend, Craft-Biere zu produzieren, kommt aus den Vereinigten Staaten, wo er gegen Ende der 1970er Jahre begann.
Blick in die Zukunft
Mit den Räumlichkeiten zum Brauen stößt der Betrieb mittlerweile an seine Grenzen. Im Herbst müssen die Braukessel weggeräumt werden, da der Platz für die Kelterei benötigt wird. Etwa vier Wochen lang wird gepresst. „Dann heißt es wieder: alles säubern und erneut umbauen, damit gebraut werden kann.“ Außerhalb des Ortes werden zwei Maschinenhallen für die Zwischenlagerung der nicht benötigten Geräte genutzt. „Das Hin- und Herfahren und Umbauen ist sehr umständlich, sodass es gut wäre, einen anderen Standort zu finden, wo wir uns vergrößern können“, merkt Groh an. Auf das gute Ockstädter Quellwasser würde er allerdings ungern beim Brauen verzichten. „Es gehört zu unserem regionalen Konzept und spart natürlich auch Kosten“, sagt er. Im Winter ist es in der Brauerei etwas ruhiger. Sobald die ersten warmen Tage kommen, steigt die Nachfrage. April und Mai sind die Hauptproduktionsmonate. Zurzeit ist das Bierbrauen eine Nebensparte des Familienbetriebes. „Wir warten gespannt ab, was da noch geht. Unsere anfangs gesetzten Ziele haben wir schon erreicht“, freut sich Norman Groh. Für 2016 lautete das Ziel 100 Hektoliter Bier zu brauen, 2017 sollten es 200 Hektoliter sein. Ende des Jahres konnten 250 Hektoliter verzeichnet werden. „Es lief gut. Wir haben uns selbst übertroffen“, resümiert der Ockstädter Unternehmer zufrieden.
SL – LW 3/2018