Hessen: Extreme Gefährdung durch Borkenkäfer bleibt

Was kann aus der Waldschutzsituation 2018 geschlossen werden?

Auch in Hessen war das Jahr 2018 eines der wärmsten und sonnigsten seit Beginn der Aufzeichnungen. In Verbindung mit der extrem lange andauernden Trockenheit, starken lokalen Gewittern und den Winterstürmen Burglind und Friederike kann es sicherlich als Extremjahr bezeichnet werden. Das große Brutraumangebot aus dem Winter konnten die Borkenkäfer bei für sie idealen Witterungsbedingungen nutzen, um in eine Massenvermehrung einzutreten. Dies führte in der Folge bei den geschwächten Bäumen auch im Stehenden zu einem außergewöhnlichen Schadensausmaß. Aber auch die Eichenfraßgesellschaft sowie Pilze profitierten von den extremen Bedingungen und verursachten in steigendem Ausmaß Schäden.

Starker Diplodia-Befall findet sich an Kiefern.

Foto: Archiv NW FVA

Die Waldböden in Hessen waren zu Beginn des Jahres 2018 meist gut wassergesättigt. Der Januar war ungewöhnlich mild und sehr niederschlagsreich. Durch die Stürme Burglind und Friederike kam es zu einem Schadholzanfall von über zwei Millionen Festmetern. Die folgenden Monate des Jahres waren mit Ausnahme des Aprils (regional) und Dezembers nahezu überall deutlich zu trocken und ab April auch zu warm. Im Sommer brachte zunächst ein ausgeprägter Hochdruckeinfluss aus östlichen Richtungen sehr warme, kontinental-trockene Luft nach Deutschland.

Ende Juli führte feuchte Luft aus Südwesteuropa zu gebietsweise heftigen Gewittern mit unwetterartigem Stark­regen und teilweise Hagelschlag. Diese Niederschläge führten aber nur regional zu einer Entspannung der schon seit Monaten anhaltenden extremen Trockenheit, verursachten aber auch starke Unwetterschäden. Insgesamt gesehen war der Sommer 2018 in Hessen und bundesweit außergewöhnlich warm, trocken und sonnig mit vielen regionalen Witterungsrekorden. Dadurch haben sich erhebliche Niederschlagsdefizite aufgebaut.

Wälder weiterhin auf Borkenkäferbefall kontrollieren

Borkenkäfer: Das frische Windwurfholz des Januars 2018 konnte in Gebieten mit Vorjahresbefall durch Borkenkäfer überwinternde Käfer zunächst aufnehmen. Vor dem Ende der Brutentwicklung sollte dieses dann rechtzeitig unschädlich gemacht werden. Da die Abfuhrkapazitäten aber vielerorts schnell erschöpft waren, mussten große Mengen des befallenen Windwurfholzes an Wegerändern gepoltert werden und durch begrenzte Aufarbeitungskapazitäten in einigen Betrieben konnte besiedeltes Wind­wurf­holz nicht immer rechtzeitig unschädlich gemacht werden.

Aufgrund der ab April und Mai trockenen und sehr warmen Witterung verlief die Brutentwicklung meist sehr gut, sodass vielerorts ab etwa Ende Juni sehr starker Stehendbefall durch Jungkäfer einsetzte. Auch in Bereichen, die nicht durch die Sturmschäden des letzten Herbstes und Winters betroffen waren, kam es im Sommer zunehmend zu Stehendbefall aufgrund der weiterhin sehr trockenen und heißen Witterung.

Auch der Lärchenborkenkäfer hat sich ausgebreitet

Neben Befall durch den Buchdrucker war auch der Kupferstecher verstärkt am Schadensausmaß beteiligt. Er trat sowohl vergesellschaftet als auch ohne Beteiligung des Buchdruckers auf. Ab etwa Ende Juni kam teilweise sehr starker Befall durch den Lärchenborkenkäfer dazu, sodass in vielen Regionen und Betrieben der Lärchenanteil deutlich reduziert wurde.

Aufgrund der überaus günstigen Entwicklungsbedingungen mit oftmals drei Generationen konnten sehr große Mengen an Borkenkäfern in die Überwinterung entkommen bevor sie unschädlich gemacht werden konnten. Für das Frühjahr 2019 ist daher von einer extremen Gefährdung auszugehen.

Waldmaikäfer: 2018 war wieder ein Hauptflugjahr des Waldmaikäfers im Hessischen Ried. Die Maikäferdichten lagen in vielen Regionen des Hessischen Rieds zwar nach den Grabungsergebnissen 2017 deutlich unter den hohen Werten von 2009, doch wurde in mehreren Bereichen, wie nördlicher Lampertheimer Raum, Darmstadt, Pfungstadt und Groß-Gerau, starker Maikäferflug beobachtet. An 14 repräsentativen Standorten wurde von April bis Juni 2018 der Schlupf der Waldmaikäfer aus dem Boden mittels Schlupfnetzen erfasst, um genauere Informationen über die Maikäferdichten zu erhalten. Die Schlupfzahlen bestätigten die Grabungsergebnisse aus dem Jahr 2017. Die mittlere Anzahl geschlüpfter Maikäfer je Netzstandort lag zwischen 1,9 und 45,6 Stück pro Quadratmeter. Die Zahl der geschlüpften Maikäfer pro Quadratmeter nahm von Süden (Bereich Lampertheim) nach Norden hin (Bereich Walldorf) deutlich zu. Künftige Probegrabungen müssen zeigen, inwieweit die günstigen Witterungsbedingungen während der Schwärmflüge und des Reifungsfraßes einen positiven Effekt auf die Reproduktion der Maikäfer hatten, oder ob auf Grund der extremen Trockenheit die Eientwicklung im Boden beeinträchtigt wurde.

2019 steht für das zweite hessische Maikäferverbreitungsgebiet im Bereich des Forstamtes Hanau-Wolfgang turnusgemäß die Probegrabung nach den Maikäferengerlingen aus.

Eichenfraßgesellschaft: Lokale Schäden durch die Eichenfraßgesellschaft wurden auf insgesamt 569 ha gemeldet. Damit stieg der Umfang der gemeldeten Schäden im Vergleich zum Vorjahr an. Ein Großteil wurde durch die Raupen des Eichen-Prozessionsspinners verursacht (526 ha), der zwar noch nicht in bestandesgefährdenden Dichten auftritt, aber wegen der allergenen Wirkung seiner Brennhaare örtlich schon ein hygienisches Problem darstellt. Kleiner und Großer Frostspanner befinden sich weiterhin in der Latenz. Bei der Leimringüberwachung im Herbst und Winter ergab sich nur eine Warnschwellenüberschreitung im Forstamt Wehretal.

Waldbesitzer hoffen auf weiterhin kühles und regnerisches Wetter, das würde die erste Generation der Borkenkäfer bereits dezimieren.

Foto: Setzepfand

Die Überwachungsergebnisse des Schwammspinners mit Hilfe von Pheromonfallen weisen auf eine ansteigende Population (Progradation) in Südhessen hin. In den Forstämtern Darmstadt, Groß-Gerau, Königstein, Lampertheim und Nidda wurde die Warnschwelle an mehreren Fallen­standorten überschritten. Die höchsten Fangzahlen und Kahlfraß auf einer Fläche von rund 31 ha wurden im FA Nidda gemeldet. Bei der Suche nach den Eispiegeln dieses Schmetterlings wurde die Warnschwelle in den Forstämtern Nidda und Lampertheim überschritten.

Mäuse: Die Dichten der oberirdisch fressenden Kurzschwanzmäuse waren im Jahr 2018 niedrig. Die im Herbst 2018 durchgeführten Probefänge der NW-FVA ergaben einen mittleren bereinigten Index von 7,2 je 100 Fallennächte für Erd- und Feldmäuse und 4,3 je 100 Fallennächte für Rötelmäuse. Auch die parallel dazu durchgeführte Überwachung mit Apfelsteckreisern ergab geringe Annahmeraten. Schäden wurden nur auf wenigen Hektar gemeldet.

Buchenkomplexkrankheit: Bei der Buche wurden ab Juli örtlich vorzeitige Blattverfärbungen und Blattfall verzeichnet, was als eine Folge der extremen Witterungsverhältnisse anzusehen ist. Außerdem zeigte sich eine Zunahme der Buchenvitalitätsschwäche und ein deutlicher Anstieg von Absterbeerscheinungen, Sonnenbrand und Rindenpilzerkrankungen bei Altbuchen in freigestellten, sonnenexponierten Lagen. In Verbindung mit (sekundärem) Befall durch den Kleinen Buchenborkenkäfer oder den Buchenprachtkäfer traten oftmals Schleimflussflecken auf. 2019 muss mit weiteren Spätfolgen der Hitze und Trockenheit gerechnet werden. Im Spätherbst und Winter 2018 starben regional bereits ältere Buchen ab. Dabei wurde häufig ein Befall durch Hallimasch oder pilzlichen Rindbranderreger festgestellt, was zu einer raschen Holzentwertung und der Gefährdung der Stabilität der Bäume führt. Besonders betroffen waren Buchen, die unter der sogenannten Buchen-Vitalitätsschwäche leiden. Letztere ist mit Absterbeerscheinungen in der Oberkrone und Schäden infolge sekundären Befalls mit Holzfäulepilzen und Insekten verbunden.

Eschentriebsterben wird über den Wind verbreitet

Eschentriebsterben: Das Eschentriebsterben durch den Erreger Hymenoscyphus fraxineus wird in Europa auf großer Fläche beobachtet. H. fraxineus ist ein aggressives und höchst erfolgreiches, invasives Pathogen, das sich nach seiner Einschleppung in Mitteleuropa schnell verbreitete und schwerwiegende Folgen für die heimischen Eschen-Populationen hervorgerufen hat. Es führte auch im Zuständigkeitsbereich der NW-FVA örtlich zur Auflösung von Bestandesteilen und zum Absterben von Eschen.

Direkte Gegenmaßnahmen gegen das Eschentriebsterben kann und wird es in Zukunft nach derzeitigem Kenntnisstand nicht geben, da der Erreger über Sporenflug (Ascosporen) mit dem Wind auch über große Entfernungen verbreitet wird und Bäume infiziert. Diese Art der Verbreitung lässt sich nicht verhindern oder aufhalten.

Diplodia-Triebsterben: Zu vermehrten Schadensfällen an Kiefern durch das Diplodia-Triebsterben kam es wie auch 2017 im Jahr 2018. Vor allem im Bereich Frankfurt, Langen und Lampertheim wurden massive, Bestandes bedrohende Absterbeerscheinungen beobachtet.

Insbesondere der milde Winter 2017/18 und der Wassermangel im Frühjahr und Sommer 2018 schwächten die Kiefern und machten sie auf zahlreichen Standorten für das Diplodia-Triebsterben angreifbar. Ende Juni wurden in Südhessen erste Triebverkrümmungen des aktuellen Austriebs und Absterbeerscheinungen bei jungen Waldkiefern beobachtet. Im Verlauf des Jahres wurde das Diplodia-Triebsterben teilweise durch Schadsymptome überlagert, die ebenfalls auf die extremen Witterungsbedingungen zurückzuführen waren.

Douglasien-Gallmücke erstmals in Hessen aufgetreten

Sonstige Schäden: Ende Februar und Anfang März löste ein Barfrostereignis mit Temperaturen unter -10 °C in Douglasien-Kulturen unterschiedlichen Alters eine auffällige Nadelverfärbung und massive Schütte (Rußige Douglasienschütte) bei Douglasie aus.

Im Bereich des Forstamts Beerfelden wurde im Oktober 2018 erstmals in Hessen in einer Douglasienkultur ein Befall durch Douglasien-Gallmücken der Gattung Contarinia spp. festgestellt. Diese Art stammt aus Nordamerika und verursacht Gallen an Knospen und Nadeln ihrer Wirtspflanzen. In Europa sind diese Gallmücken als gebietsfremde und invasive Arten eingestuft. In den Forstämtern Fulda und Frankfurt wurden im Januar 2019 weitere befallene Douglasien gefunden.

Die Rußrindenerkrankung an Ahorn trat im Jahr 2018 besonders auffällig in Erscheinung. Die Erkrankung wird durch den ursprünglich in Nordamerika beheimateten, invasiven Schlauchpilz Cryptostroma corticale ausgelöst. Besonders betroffen ist der Bergahorn, sowohl als Wald- als auch als Parkbaum. Ursächlich sind Trockenstress, Wassermangel und große Hitze. Besonders starker Befall wurde in den Bereichen der Forstämter und Kommunen Kassel, Gießen, Lich, Schotten, Grünberg, Wettenberg, Limburg, Nidda, Bad Nauheim, Groß-Gerau, Darmstadt, Pfungstadt und Lampertheim beobachtet.

Dr. Martin Rohde – LW 20/2019