RLP: Bedrohliche Zunahme der Borkenkäferschäden
Das Trockenjahr 2018 fordert seinen Tribut
Im Dürrejahr 2018 war die Waldschutzsituation von immensen Schäden durch Borkenkäfer an Fichten geprägt. Darüber hinaus sind über alle Baumarten in großem Umfang Trockenschäden aufgetreten. So besteht für verstärkt mit Mistel befallene Kiefernwälder der Oberrheinebene eine erhebliche Gefährdung. Der Eichenprozessionsspinner hat beträchtlich zugenommen. Das Eschentriebsterben bleibt weiter auf hohem Niveau. Bei der Douglasie werden zunehmend schüttere Bestände gemeldet, hier sind vor allem pilzliche Erreger bedeutsam geworden.

Foto: John
Außerplanmäßiger Holzeinschlag fünfmal höher als im Vorjahr
Der außerplanmäßige Holzeinschlag aufgrund abiotischer und biotischer Ursachen lag in Rheinland-Pfalz 2018 im Körperschafts- und Landeswald bei insgesamt rund 889 000 Fm und damit mehr als fünfmal höher als im Vorjahr. Infolge des zu Beginn 2018 aufgetretenen Wintersturmtiefs „Burglind“ und „Friedericke“ ist in Rheinland-Pfalz eine Schadholzmenge von 394 000 Fm angefallen, dies entspricht rund 40 Prozent des gesamten außerplanmäßigen Holzeinschlags. Davon waren zu 94 Prozent Fichtenwälder vor allem im Nordteil des Landes betroffen. Die Hauptschadensgebiete lagen in Rheinland-Pfalz im Westerwald und in der Eifel. Dabei handelte sich überwiegend um Einzel- und Nesterwürfe.
Der durch Insekten bedingte außerplanmäßige Holzeinschlag lag bei 523 000 Fm und liegt um das etwa fünffache höher als im Jahr zuvor, davon entfielen nahezu 100 Prozent auf die Baumartengruppe Fichte. Schwerpunkte der insektenbedingten Zwangsnutzungen liegen in den Regionen Westerwald und Eifel.
Biotische Schäden: Die Forstämter in Rheinland-Pfalz meldeten das Vorkommen von Schaderregern auf einer Fläche von knapp über 40 000 ha. Verursacher dabei sind neben den reinen Trockenschäden vor allem die Fichtenborkenkäfer Buchdrucker und Kupferstecher.
Einen Befall durch Buchdrucker meldeten in Rheinland-Pfalz alle Forstämter mit nennenswerten Fichtenanteilen. Dabei war im Vergleich zum Vorjahr mit rund 9 700 ha die nahezu siebenfache Fläche betroffen. Das Niveau des sogenannten „Jahrhundertsommers“ 2003 wurde damit um deutlich mehr als das doppelte überschritten. Auch die dem Jahr 2003 folgende Kulmination der Schadholzmenge im Jahr 2006 wurde bereits übertroffen. Regionale Schwerpunkte befinden sich vor allem im Nordosten des Landes in Westerwald und Taunus, aber auch weiter westlich in der Eifel und im Hunsrück.
Die Käferholzmenge lag im Körperschafts- und Landeswald mit 521 000 Fm um mehr als den Faktor 5 deutlich über dem Niveau des Vorjahres. Dabei ist das Niederschlagsdefizit in Rheinland-Pfalz im Vergleich zu anderen Bundesländern landesweit noch verhältnismäßig gering ausgefallen. Demgegenüber hat sich im Saarland die gemeldete Schadfläche mit 73 ha lediglich auf das 2,5-fache des Vorjahres gesteigert, während die Käferholzmenge mit 39 600 Fm auf das fast doppelte Niveau gestiegen ist.
Schaderreger an Nadelbäumen: Das im vergangenen Frühjahr 2018 prognostizierte Gefahrenpotenzial einer Buchdrucker-Kalamität hat sich mehr als bewahrheitet. Der Schwärmflug der überwinternden Käfer hatte Mitte April begonnen. Nach Anlage der ersten Generation im Mai wurde bereits Mitte Juni die zweite Generation angelegt. Die während der gesamten Vegetationsperiode günstige Witterung ermöglichte eine sehr schnelle Entwicklung des Käfers, was bereits anfangs August in einer dritten Generation mündete. Bis Ende September war bis in mittlere Höhenlagen die Entwicklung der dritten Generation abgeschlossen, in Hochlagen des Landes wurde die dritte Generation zumindest angelegt. Die bis in den Herbst reichenden günstigen Bedingungen haben den Zeitraum für eine Weiterentwicklung der Käfer deutlich verlängert. Somit ist anzunehmen, dass die angelegte dritte Generation sich vielerorts bis in Stadien entwickelte, die den Winter überleben. Die Situation wird angesichts der Tatsache, dass der Kupferstecher infolge der günstigen Verhältnisse ebenso eine Massenvermehrung durchläuft, erheblich verschärft. Dieser befällt auch deutlich schwächere Dimensionen der Fichte.
In Anbetracht des in der Rheinebene aber auch im Pfälzerwald weit verbreiteten Befalls von Kiefern durch Misteln auf jetzt insgesamt rund 4 300 ha ist nach dem Dürrejahr mit großen Schäden zu rechnen. So hat in diesen Regionen die durch Pracht- und Borkenkäfer gemeldete Schadfläche an der Kiefer gegenüber dem Vorjahr um das fast dreifache auf insgesamt 740 ha deutlich zugenommen. Aufgrund der in den Forstämtern Bienwald und Pfälzer Rheinauen auf nahezu gleichen Flächen vorzufindenden hohen Engerlingsdichten des Waldmaikäfers sind diese Wälder im hohen Maße gefährdet. Zusätzlichen Druck auf die Kiefer verübt teilweise auch eine hohe Präsenz von Diplodia pinea, dem Erreger des Diplodia-Triebsterbens.
Gallmücke und Borkenkäfer auch an Douglasien

Foto: Jörg Grüner
Schaderreger an Laubbäumen: In Bezug auf Schmetterlingsraupen an Eichen zeigte sich der Eichenprozessionsspinner 2018 sehr auffällig. Besonders betroffen waren die Forstämter Koblenz und Kaiserslautern, wobei dieser Schmetterling mittlerweile in allen wärmebegünstigten Lagen wieder vorzukommen scheint. Die gemeldete Fläche ist gegenüber dem Vorjahr um das 3,5-fache auf nunmehr 600 ha markant gestiegen. Der Eichenprozessionsspinner tritt nach vorliegenden Informationen derzeit noch nicht waldschädigend in Erscheinung. Im Fokus der Betrachtungen steht deshalb die gesundheitliche Gefährdung im Wald tätiger oder Erholung suchender Personen durch die Brennhaare der Raupen. Vor allem exponierte Eichenvorkommen an Orten mit Vorjahresbefall müssen deshalb sorgfältig kontrolliert werden.
Der Schwammspinner wurde mit 5 ha zwar nur auf geringer Fläche gemeldet. Doch stammt die Meldung im Forstamt Soonwald aus einem der ältesten belegten Waldgebiete, welches in den letzten vierzig Jahren wiederholt für Massenvermehrungen des Schwammspinners bekannt ist. Aus diesem Grund erfolgen dort zur permanenten Überwachung seit dem Ende der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts jährliche Eigelegezählungen. Dies geht auf die Beobachtung zurück, dass der Beginn von Massenvermehrungen offenbar bevorzugt von den gleichen Beständen wie bei vorausgegangen Kalamitäten ausgeht. Deshalb ist der Frage, ob sich angesichts der in den letzten Jahren günstigen Witterungsverhältnisse auch in Rheinland-Pfalz wieder eine Massenvermehrung aufbaut, sorgfältig nachzugehen.
Der Eichenprachtkäfer wurde auf 180 ha beobachtet und ist nach wie vor weit verbreitet. Er befällt als Folgeschädling geschwächte Bäume. Seine Larven entwickeln sich im Rindenbast und beeinträchtigen so die Regeneration der durch biotische und abiotische Stressfaktoren in ihrer Vitalität eingeschränkten Eichen.
Besonders gravierend war der Anstieg der Meldungen eines Stehendbefalls von Kernholzkäfern auf 740 ha. Davon gehen im Forstamt Bienwald alleine 730 ha auf das Konto des gemeinhin als bedroht erachteten und geschützten Heldbocks (Großer Eichenbock, Cerambyx cerdo). Dort wird von einer dramatischen Ausbreitung gesprochen, die zu einer massiven Entwertung der Wertholzeichen mit hohen Vermögensverlusten führt.
Viele Laubholzbestände wiesen bereits im August 2018 verfärbtes Laub oder schon entlaubte Bäume auf. Das Bild zeigte sich in Abhängigkeit von Baumart, Fruchtbehang und Kleinstandort je nach Mischungsanteilen mitunter sehr uneinheitlich. Der frühzeitige Blattfall erfolgte aus Gründen des Eigenschutzes vor Vertrocknung und erfahrungsgemäß in der Regel erst nach Ausbildung der Knospenanlagen für das Folgejahr. So hatte eine eingehende Untersuchung zum Ende des „Jahrhundertsommers“ 2003 in Rheinland-Pfalz ergeben, dass bereits frühzeitig verfärbte und auch vollständig entlaubte Buchen durchaus noch grüne Knospen und unter der Rinde ein intaktes Kambialgewebe aufwiesen. Diese Buchen haben im Folgejahr weitestgehend ohne ersichtliche Mängel wieder ausgetrieben. Auf flachgründigen Extremstandorten oder im Unterstand kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass es auch zu unmittelbaren Trockenschäden gekommen ist.
Nährstoffrückführung blieb oft aus
Bei der im letzten Jahr weit verbreiteten und intensiven Fruchtbildung werden viele Nährstoffe verbraucht, wohingegen ihre Neubildung aufgrund des frühen Verlustes der Blattorgane erheblich reduziert ist. Darüber hinaus erfolgen die Blattverluste des sogenannten „Hitzelaubes“ bei Buchen entgegen dem üblichen Vorgang beim Laubabwurf im Herbst weitgehend ohne Nährstoffrückführung. Aus diesem Grund werden den betroffenen Laubbäumen im nächsten Frühjahr Reservestoffe fehlen. Im Frühjahr 2018 ist zudem der Buchen-Springrüssler mit Blattschäden auf 3 700 ha Waldfläche vor allem im Pfälzerwald in Erscheinung getreten, wenn auch mit abnehmender Tendenz. Durch den Reifungsfraß der Käfer werden die Blätter perforiert, die Larven minieren in den Blättern bis hin zu einem ausgedehnten Platzfraß. Bei starkem Befall werden ganze Baumkronen „braun“.

Foto: Horst Delb
Die Befallsfläche des Eschentriebsterbens liegt in Rheinland-Pfalz mit insgesamt 2 200 ha weiterhin auf einem hohen Niveau. Aus dem Saarland wurden 2 100 ha gemeldet. Damit ist diese Baumart, auf die im Rahmen des Klimawandels große Erwartungen gesetzt wurden, erheblich bedroht. Nach den aus ganz Europa vorliegenden Erfahrungen wird von einer weiteren Zunahme dieser Krankheit ausgegangen. Besonders auf Nass-Standorten entstehen Stammfußnekrosen, die durch Hallimasch und andere holzzerstörende Pilze zu ernsten Probleme für die Arbeits- und Verkehrssicherheit führen sowie eine rasche Holzentwertung verursachen.
Der pilzliche Erreger des Esskastanien-Rindenkrebses stellt am Ostrand des Pfälzerwaldes auf kaum veränderter Fläche weiterhin eine markante Gefahr für die Esskastanienwälder dar. Dies wird verstärkt durch das Auftreten der Japanischen Esskastanien-Gallwespe, deren Verbreitung enorm zugenommen hat und jetzt auf einer Fläche von 1 300 ha vorzufinden ist.
In der Oberrheinebene ist mittlerweile eine Waldfläche von 2 090 ha vom Wurzelfraß der Engerlinge des Waldmaikäfers besonders betroffen. Die dadurch nach wie vor im steigenden Ausmaß entstehenden Schäden werden von den Forstämtern Bienwald und Pfälzer Rheinauen auf 1 910 ha als bestandesbedrohend eingeschätzt. Die Engerlinge im Boden gefährden besonders Jungwüchse, aber auch Dickungen und Stangenhölzer. Ältere Laub- und Nadelbäume können durch den Wurzelfraß ebenfalls vitalitätseinschränkend geschwächt werden. Die fehlende Wurzelmasse wird in Dürrejahren und während des dritten Larvenstadiums anhand der auftretenden Schäden in Form abgestorbener Jungwüchse und schütterer Baum- und Althölzer besonders offenkundig. Es ist zu befürchten, dass in den dadurch aufgelichteten Waldstrukturen Neophyten wie das Japanische Springkraut, Goldrute, Kermesbeere oder die Spätblühende Traubenkirsche in ihrer Ausbreitung maßgeblich begünstigt werden und eine Waldverjüngung wesentlich behindern. Im Frühjahr 2019 wird der nächste Waldmaikäfer-Schwärmflug des sogenannten Südstammes im Bienwald stattfinden, wo bei den letzten Probegrabungen über alle befallenen Waldflächen vielerorts die kritische Populationsdichte deutlich überschritten wurde.
Nicht nachlassen mit den Borkenkäfer-Kontrollen
Der bisherige Witterungsverlauf hat in der ersten Aprilhälfte zu erstem leichten Käferflug geführt, in Monitoringfallen wurden kleinere Mengen an Buchdruckern und Kupferstechern gefangen. An sehr warmen Orten in tieferen Lagen fanden sich zudem erste Einbohrungen von Buchdrucker und Kupferstecher an gebrochenem Holz der letzten Stürme. Frischer Stehendbefall an bisher unbefallenen Fichten wurde bis Mitte April noch nicht gemeldet.
In diesem Jahr wird es ein späterer Start der Fichtenborkenkäfer als im Vorjahr. Dennoch besteht grundsätzlich eine erhöhte Gefahrensituation, denn nach Extremereignissen wie Sturm, Schnee- und Eisbruch sowie insbesondere Dürren steigt das Risiko für Borkenkäferbefall stark an. Durch vorbeugende und bekämpfende Maßnahmen kann eine Massenvermehrung der Käfer oft nicht verhindert werden, doch kann das räumliche und zeitliche Ausmaß des Käferbefalls deutlich reduziert werden. Dank rechtzeitigem Eingreifen kann der Befallsdruck gesenkt und der Folgebefall erheblich verkleinert werden.
Im Jahr 2019 ist es daher dringend angeraten, die Kontrollen auf Vorjahresbefall und Neubefall in den gefährdeten Fichtenbeständen einmal wöchentlich durchzuführen. Die Wahrscheinlichkeit für Stehendbefall dürfte dabei in der Nähe zu noch nicht aufgearbeiteten alten Käfernestern oder Sturmholz am höchsten sein, sie ist aber unbedingt auch in die Bestandestiefe auszuweiten. Dabei muss in älteren Beständen die Kontrolle auf Bohrmehl Baum für Baum erfolgen.
Pflege- und Holzerntemaßnahmen sollten in Kalamitätsjahren mit erhöhtem Borkenkäferrisiko soweit wie möglich ausgesetzt werden. Falls dringend notwendig, empfiehlt es sich, die Arbeiten möglichst im Herbst, nach Beendigung des Käfer-Schwärmfluges durchzuführen. Es muss besondere Sorgfalt auf die Vernichtung aller Resthölzer und allen befallenen Materials verwendet werden (Hacken). Gipfelstücke, Äste und Reisigmatten nach Harvestereinsatz behalten über viele Monate ihre Bruttauglichkeit für den Kupferstecher.
Auch wenn den Hinweisen zur dringenden Sanierung käferbefallener Fichten als Maßnahme zur Reduzierung der Ausgangsdichten überwinternder Borkenkäfer in den letzten Monaten nach Möglichkeit Folge geleistet wurde, ist die Situation weiterhin bedrohlich. Im Analogschluss zur Kalamität nach dem extremen Dürrejahr 2003 muss für die Vegetationsperiode 2019 und darüber hinaus weiter mit einer erheblichen Käfergefahr gerechnet werden.
FVA