„Landwirtschaft ist Wirtschaft im ländlichen Raum“

In Offstein steht die zweitgrößte Zuckerfabrik Deutschlands

Durch die Reform der Zuckermarktordnung ab 2017 stehen die hessisch-pfälzischen Zuckerrübenanbauer vor großen Herausforderungen. Der Bundestagsabgeordnete Jan Metzler (CDU) informierte sich am vergangenen Freitag in Worms zu den aktuellen Entwicklungen und anstehenden Veränderungen bei der Zuckerrübe.

Jan Metzler, Mitte, fühlt sich als gelernter Winzer aus Rheinhessen der Region verbunden und versprach Unterstützung bei der Bewältigung der Zukunfstsausrichtung des Rübenanbaus in der Region. Links im Bild Verbandsvorsitzender Walter Manz, rechts der Geschäftsführer des Verbandes der hessisch-pfälzischen Zuckerrübenanbauer, Dr. Christian Lang.

Foto: Brammert-Schröder

Der Zuckerrübenanbau in Hessen-Pfalz stellt einen wichtigen Wirtschaftsfaktor nicht nur für die landwirtschaftlichen Betriebe, sondern auch für die gesamte Region dar. Das belegte Ansgar Vielberg von der Südzucker AG eindrucksvoll mit Zahlen aus einer aktuellen WiFOR-Studie: Alleine durch die Zuckerfabrik Offstein werden eine Bruttowertschöpfung von 280 Mio. Euround 5250 Arbeitsplätze in der und für die Region generiert. An jedem direkten Mitarbeiter des Werkes Offstein hängen weitere zwölf indirekte und induzierte Mitarbeiter in der Region.

Das Südzucker-Werk in Offstein sei mit einer Verarbeitungsleistung von 16 000 t die zweitgrößte Zuckerfabrik in Deutschland und zudem hoch innovativ, erklärte Vielberg dem Bundestagsabgeordneten Jan Metzler. Dieser informierte sich am vergangenen Freitag über aktuelle Entwicklungen bei der Zuckerrübe und hörte aufmerksam zu, als Vielberg von den Herausforderungen des künftigen Zuckermarktes sprach.

Rübenzucker ist konkurrenzfähig

Ansgar Vielberg machte deutlich, dass Südzucker und Rübenanbauer bereit sind, sich dem freien Markt zu stellen. „Wir haben in Süddeutschland gute Ausgangsbedingungen für den Rübenanbau“, erklärte er. „Wir gehen davon aus, dass die Rübenzuckerproduktion in der EU ab 2017 auf 19 bis 20 Mio. t ausgeweitet wird, weil alle Fabriken ihre Kapazitäten auslasten werden“, prognostizierte Vielberg. Als Folge gehe die EU-Kommission von hohen Preisschwankungen aus. Die EU-Zuckernachfrage bezifferte er auf 19 Mio. t, die heute zu 80 Prozent durch Rübenzucker, zu 16 Prozent aus Importen und zu 4 Prozent aus in der EU produzierter Isoglucose bedient werden. Nach Vielbergs Einschätzungen werden nach 2017 die Importe nur eine untergeordnete Rolle spielen. „Die größte Unbekannte ist die Isoglucose“, sagte er. Dieser überwiegend aus Mais hergestellte Flüssigzucker unterliegt bisher den Handelsbeschränkungen, könnte aber nach dem Wegfall der Zuckermarktordnung importiert werden. Allerdings steht er im Verdacht, bei den Menschen Fettleibigkeit und Diabetes auszulösen.

Marktverzerrungen bereiten Sorge

Vielberg zeigte auf, dass die süddeutsche Zuckerwirtschaft in einem nicht verzerrten Weltmarkt schon heute mit Brasilien konkurrieren kann. „Aber noch haben wir einen verzerrten Weltmarkt für Zucker, der als Resterampe fungiert“, sagte er. Vor allem Brasilien, Indien und Thailand als wichtigste Zuckererzeuger der Welt regulieren ihre Binnenmärkte. Hinzu kämen Wechselkurseffekte, die zunehmend an Bedeutung gewinnen und für Marktverzerrungen sorgen. Als Beispiel nannte er Brasilien: Zum einen werde hier je nach Marktsituation Zucker oder Ethanol produziert, die Produktion könne sehr schnell umgestellt werden. Zum anderen sorge die Abwertung der Währung dafür, dass der Schuldenberg steigt und es versucht werde, die Schulden durch gewaltige Kreditprogramme einzudämmen. „Der Weltzuckerpreis hängt am Ethanolpreis in Brasilien“, fasste er zusammen. Kritisch sah Vielberg auch die Marktverzerrungen innerhalb der EU durch die Einführung gekoppelter Zahlungen für den Rübenanbau in einigen Mitgliedsstaaten. Dies sei insbesondere für die deutsche Zuckerwirtschaft ein großes Problem, die keine solchen Zahlungen erhält. Zudem werde dieses Vorgehen auch von Amerika kritisch gesehen und könne Probleme mit der WTO geben.

Jan Metzler, gelernter Winzer aus Dittelsheim-Heßloch unweit von Worms, hörte den Ausführungen zum Zuckermarkt aufmerksam zu. Seit zwei Jahren vertritt der 34jährige im Bundestag auch die Belange der Landwirte. Als Landwirtschaft-affiner Politiker habe er das Ohr an der Branche. „Die große Bedeutung der Landwirtschaft müssen wir noch viel stärker in das Bewusstsein von Politik und Bevölkerung rücken“, erklärte Metzler. Landwirte seien nicht nur Landschaftsgärtner, vielmehr müsse Landwirtschaft als „Wirtschaft im ländlichen Raum“ begriffen und anerkannt werden. „Effiziente Strukturen sind das A und O. Aber die Landwirtschaft muss auch proaktiv eingreifen“ stellte der Politiker klar.

Lückenschluss in Worms ist genehmigt

Er positionierte sich klar an der Seite der Rübenanbauer und deren Verarbeitungsstandort und sagte angesichts der anstehenden reformbedingten Veränderungen auch weiterhin seine Unterstützung zu. Erst kürzlich hatte sich Metzler erfolgreich für den B47-Neu-Lückenschluss stark gemacht, der künftig ein Umfahren der Stadt Worms ermöglicht. „Es war gut, dass der Verband Zahlen vorgelegt hat, wieviel die Umleitung und die dadurch längere Anfuhr kostet. Gute Argumente waren nötig, um das Projekt aus Sondermitteln des Verkehrsministeriums zu finanzieren“, lobte Metzler. Die Bewilligung sei nun da, der Lückenschluss könne in Angriff genommen werden.

Der Verbandsvorsitzende Walter Manz dankte dem Bundestagsabgeordneten nochmals ausdrücklich für seinen Einsatz. Es sei nicht selbstverständlich, dass sich die Politiker mit landwirtschaftlichen Themen auseinandersetzen. „Deshalb ist es wichtig, der Politik die Wertschöpfung der Zuckerrübe zu erklären und mit den Politikern zu sprechen“, so Manz. Es sei an der Zeit, die heimische Zuckererzeugung in das Bewusstsein zu holen„ um Vorschläge zu erarbeiten und zu diskutieren. Metzler betonte, dass er sich für die Schaffung fairer Rahmenbedingungen einsetzen möchte. Für die nahe Zukunft regte er ein „Wormser Gespräch zur Rübe“ an, bei dem politische Multiplikatoren an einen Tisch gebracht werden sollen.

ibs – LW 42/2015