Öko-Wintergetreide hat nicht enttäuscht

LSV Wintergerste, Winterroggen und Triticale

Öko-Ackerbauern benötigen Sortenempfehlungen, die unter den Bedingungen des Ökologischen Landbaus gewonnen wurden, denn die Einschätzung der Leistungsfähigkeit von Sorten, wie sie der Beschreibenden Sortenliste zu entnehmen sind, basieren auf Versuchen, die zum Beispiel bei der Düngung der konventionellen Praxis entsprechen. Dr. Thorsten Haase vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen fasst die Ergebnisse der hessischen Öko-Landessortenversuche zu Wintergerste, Wintertriticale und Winterroggen aus den vergangenen drei Jahren zusammen.

Die Öko-Sortenversuche des LLH werden in Alsfeld-Liederbach durchgeführt.

Foto: Dr. Haase

Die Öko-LSV zu Wintergetreide rotieren bei Alsfeld auf den Flächen des seit 1989 biologisch-dynamisch bewirtschafteten Betriebs Kasper und stehen stets im ersten Jahr nach zweijährigem Feldfutterbau. Aufgrund der integrierten Viehhaltung (0,4 GV/ha) ist auf den Versuchsflächen die Grundnährstoffversorgung mit Phosphor, Kalium und Magnesium auf den meisten Schlägen im optimalen Bereich.

Öko-Wintergerste mit zufriedenstellenden Erträgen

Die Erträge der Öko-Wintergerste in Alsfeld liegen 2016 mit durchschnittlich 49,2 dt/ha (Durchschnitt der Bezugsbasis aus den drei Verrechnungssorten) wieder auf einem durchschnittlichen Niveau. Wintergerste galt im Ökolandbau bisher als „eher schwierige Frucht“. Aber viele Praktiker haben in jüngerer Zeit mit dem Anbau von Öko-Wintergerste durchaus positive Erfahrungen gemacht, so dass sie in immer mehr Betrieben einen festen und günstigen Platz in der Fruchtfolge einnimmt. Bei der Sortenwahl sind winterharte, blattgesunde und langstrohige Typen mit zügiger Frühjahrsentwicklung (Unkrautunterdrückung) zu bevorzugen. Standfestigkeit und geringe Neigung zu Halm- und Ährenknicken sind weitere wichtige Auswahlkriterien. In den Öko-Landessortenversuchen zu Wintergerste haben sich bislang mehrzeilige Wintergersten bewährt. Zweizeilige Sorten spielen in der Praxis (noch) keine Rolle.

Als Bezugsbasis zur Berechnung der Relativerträge wurden die bewährten Sorten Semper, Highlight und Lomerit gewählt. Vergleicht man die aus drei Jahren gemittelten Relativerträge dieser Sorten untereinander, sind die Unterschiede marginal. Dies überrascht, weil die Einschätzung des Bundessortenamtes bezüglich des sortenspezifischen Ertragspotenzials durchaus Unterschiede im Kornertrag erwarten ließe.

Wintergerstensorten in der Einzelkritik

Die Sorte Semper hat dieses Jahr im Kornertrag besser abgeschnitten als Highlight und Lomerit. Die Sorte besitzt eine gute Winterfestigkeit, ist halmstabil, standfest und weitestgehend blattgesund. Semper kann für den Anbau empfohlen werden. Highlight hat in diesem Jahr nach zwei sehr guten Jahren weniger gut gedroschen, kommt für den Anbau aber dennoch infrage. Sie fällt durch ihre ausgeprägte Langstrohigkeit auf. Die Anfälligkeit für Pilzkrankheiten ist bei Highlight ausgewogen. Lomerit wird am Standort Alsfeld-Liederbach bereits seit mehreren Jahren geprüft und hat sich als ertragsstabile Sorte bewährt. 2016 bewegte sie sich beim Kornertrag um ihr dreijähriges Mittel. Zu beachten ist die Anfälligkeit für Lager und Halmknicken sowie für Netzflecken und Rhynchosporium.

KWS Meridian hat 2016 in Alsfeld einen überdurchschnittlichen Ertrag eingefahren. Im Durchschnitt der drei Jahre kann sie überzeugen und für den Anbau empfohlen werden. Die pflanzenbaulichen Eigenschaften wie Halmlänge und -stabilität, Pflanzengesundheit und Winterfestigkeit sind bei dieser Sorte ausgewogen. Titus ist langstrohig, standfest und blattgesund, neigt jedoch zum Ährenknicken. Im Vergleich mit der Bezugsbasis lieferte sie 2016, ähnlich wie vergangenes Jahr, ein überdurchschnittliches Ergebnis.

KWS Keeper wurde 2016 im dritten Jahr geprüft und enttäuschte erstmalig. Im Durchschnitt der letzten drei Jahre kann sie dennoch mit den drei Sorten der Bezugsbasis mithalten; beim Rohprotein fällt sie etwas ab. Langstrohig, winterhart und relativ blattgesund kann sie für den Anbau empfohlen werden. Quadriga gilt als ertragsstark und konnte dies in den ersten beiden Prüfjahren auch belegen. Die Sorte weist eine ausgewogene Blattgesundheit auf und ist langstrohig. Eine vielversprechende Sorte, die neugierig auf das dritte Prüfjahr macht.

Die ebenfalls zum zweiten Mal geprüfte Sorte SU Ellen hat nach einem sehr überzeugenden Ergebnis 2015 dieses Jahr einen zufriedenstellenden Ertrag erzielt. Sie ist nur mittellang, weist ansonsten aber – bis auf ihre Anfälligkeit zum Ährenknicken und für Zwergrost – ein ausgewogenes Portfolio bei den wichtigsten Anbaueigenschaften auf. Sorte Tamina stand zum zweiten Mal in der Prüfung. Sie ist recht langstrohig, sehr blattgesund und halmstabil. Nach einem überzeugenden Abschneiden 2015, enttäuschte sie 2016. Die langstrohige, winterharte und blattgesunde Sorte Kaylin blieb im ersten Jahr der Prüfung im Ertrag leider weit unter dem Durchschnitt.

Unkrautunterdrückende und stickstoffliefernde Vorfrucht

Wintergerste hat im Vergleich zu anderen Wintergetreidearten einen früheren Stickstoffbedarf im Herbst aufgrund des frühen Saattermins (Ende September) und im Frühjahr aufgrund der raschen Pflanzenentwicklung zu Vegetationsbeginn. Da die Position nach Kleegras gewöhnlich an deckungsbeitragsstarke Kulturen wie Winterweizen oder Kartoffeln vergeben ist, empfiehlt sich alternativ eine unkrautunterdrückende und stickstoffliefernde Vorfrucht wie zum Beispiel ein Wintererbsen-Triticale-Gemenge. Auch früh geerntete Kartoffelflächen eignen sich. Durch die frühe Saat vermag Wintergerste den Reststickstoff dieser Vorfrüchte im Herbst gut zu konservieren. Je nach Vorfrucht und Verfügbarkeit organischer Dünger im Betrieb kann eine Düngung – beispielsweise mit Gülle – zu Vegetationsbeginn sinnvoll sein.

Neben der Wahl der Vorfrucht muss großes Augenmerk auf die Bereitung eines gleichmäßigen und nicht zu feinen Saatbetts gelegt werden. Ein „Reinschmieren“ ist unbedingt zu vermeiden, weil die Gerste hierauf sehr empfindlich reagiert. Der Saattermin sollte nicht später als die erste Oktoberdekade sein. Ein Vorteil der frühen Saat ist die Abpufferung von Arbeitsspitzen. Dies gilt umso mehr für die ebenfalls frühe Ernte dieser Kultur. Das zeitige Räumen der Wintergerste wie dieses Jahr in Alsfeld-Liederbach (8. Juli) erlaubt eine intensive Stoppelbearbeitung zur Bekämpfung von (Wurzel-) Unkräutern, die Etablierung einer Zwischenfrucht oder die Ansaat von Feldfutter. Die frühe Saat (optimal: Ende September) wird in den meisten Fällen mindestens einen Striegelgang (ab 3-Blatt-Stadium) erforderlich machen. Auch Blindstriegeln ist ratsam, wenn vor Auflaufen der Gerste das Unkraut gerade im sogenannten Fädchenstadium auftritt. Diese Einsätze sollten sehr sorgfältig durchgeführt werden, schon allein deswegen, weil der Striegeleinsatz im folgenden Frühjahr keineswegs immer Erfolg verspricht, da die meisten Unkrautarten dann meist schon ihre empfindlichen Stadien überwunden haben. Der Striegel oder auch eine Sternrollhacke können aber im Frühjahr eine vorteilhafte, weil den Boden belüftende, Wirkung haben. Der Einsatz sollte bei verkrusteten Böden zu Vegetationsbeginn in Betracht gezogen werden.

 – LW 35/2016