Die Witterung bestimmt die Wirtschaftlichkeit

Fungizid-Strategien im Getreideanbau 2018

Hinsichtlich des Auftretens von Pilzkrankheiten und der Effektivität von Fungizid-Maßnahmen hätten die beiden letzten Jahre 2016 und 2017 nicht unterschiedlicher sein können. In den rheinland-pfälzischen Landessortenversuchen (LSV) erzielten 2016 breit im Anbau vertretene Weizen-Sorten Mehrerträge in der Fungizid-behandelten Stufe 2 von über 40 dt/ha (RAGT Reform), während es im Folgejahr 2017 ohne nennenswerten Pilzdruck etliche Sorten gab, die überhaupt nicht oder gar im Ertrag leicht depressiv auf den Fungizid-Einsatz reagierten.

Ramularia an Wintergerste, Chlorthalonil ist hier Pflicht.

Foto: Heidweiler

Die Witterung bestimmt also jedes Jahr auf Neue, wie intensiv die unterschiedlichen Krankheiten im Getreide auftreten. Sind die Infektionsbedingungen für Pilzkrankheiten ungünstig, können sich diese auch bei hohem Ausgangsbefall nicht ausbreiten. Die Tabelle zeigt den Mehrertrag durch Fungizide in dt/ha aus den Getreide-LSV der Jahre 2015 bis 2017 im Durchschnitt über alle Sorten und weist den um die Fungizid-Kosten (plus) Überfahrt bereinigten Mehrerlös in Euro/ha aus.

Unterschied zwischen Versuch und Praxis

Beim Praktiker vor Ort sieht die Wirtschaftlichkeit allerdings besser aus. Hierfür sind zwei Gründe zu nennen:

Erstens erfolgt in den LSV eine Fungizid Anwendung in Stufe 2, wenn der Schwellenwert einer Krankheit in der empfindlichsten Sorte überschritten wurde. Dann werden alle Sorten mit behandelt. Die krankheitsempfindlichste Sorte bestimmt den Termin Einsatztermin. Um alle Sorten der Stufe 2 möglichst optimal gesund zu erhalten, kommen in der Regel die „Mercedes-Produkte“ und selten günstigere Alternativ-Produkte zur Anwendung. Ziel ist hier nicht die optimale Wirtschaftlichkeit, sondern die unbedingte Gesunderhaltung der Stufe 2. Der Berater vor Ort würde, je nach Sorte und Anbausituation, häufig entweder gar nichts, oder aber eine preiswertere Variante empfehlen.

Zweitens: In den LSV erfolgt in Stufe 2 immer ein Fungizid und ein Wachstumsregler, die Stufe 1 dagegen bleibt immer unbehandelt. In feuchteren Jahren wie 2016 mit vermehrtem Lager in Stufe 1 bei Wintergerste, Winterroggen und Wintertriticale resultieren Ertragsunterschiede zwischen Stufe 1 und 2 dann vermehrt auch durch Lager und nicht nur durch die Bekämpfung von Pilzkrankheiten.

Im Trockenjahr 2017 reagierten einige Weizensorten der Stufe 2 ertraglich schwächer als in Stufe 1, bedingt wahrscheinlich durch den Wachstumsregler Einsatz. Der Einfluss von Fungizid und Wachstumsregler in den LSV kann in Ertragszahlen nur in Summe ermittelt werden. Ertragsunterschiede können keiner dieser beiden Pflanzenschutzmaßnahmen exakt zugeordnet werden.

Es kann keine Standard-Rezepte geben

Jedes Jahr ist anders, was gestern galt muss heute nicht auch richtig sein. Großen Einfluss auf das Befallsgeschehen und die Reaktion unserer Sorten haben deren Krankheitstoleranz (BSA-Einstufung), Fruchtfolge und Vorfrucht, Saattermin, N-Dynamik des Standortes und die Bestandesdichte. Starre Maßnahmen zu festen EC-Terminen entsprechen nicht dem Gedanken eines integrierten Pflanzenschutzes und werden schnell unwirtschaftlich.

Stattdessen gilt: Schlagspezifische Vorgehensweisen sind einem Versicherungsdenken vorzuziehen. Die Offizialberater und Felderbegehungen vor Ort, tägliche Infos per Wetterfax, ISIP und Whatsapp sowie gut erprobte Prognose-Systeme unter ISIP bieten hierbei Unterstützung an.

Was gibt es Neues?

Es gibt nur wenige neue Wirkstoffe, dafür viele neue Produktnamen, hinter denen sich Altbekanntes verbirgt. Wirklich neu ist: Die Firma Bayer bringt Ascra Xpro in den Markt. Ascra Xpro entspricht den Wirkstoffen aus dem alten Aviator Xpro (Prothioconazol plus Bixafen) ergänzt um einen weiteren Carboxamid-Wirkstoff, nämlich Fluopyram. Die Bayer Hauptempfehlung dieses erstmals zwei Carboxamide enthaltenden Produkts ist die Anwendung mit 1,5 l/ha im Winterweizen zum T2 Termin (BBCH 37-55).

Die Diskussionen um den möglichen Wegfall etlicher Azole (Beeinträchtigungen des Hormonsystems = endokrine Disruptoren) veranlasste die BASF, die Produkte Priaxor und Librax auf den Markt zu bringen. Priaxor ist Ceriax ohne das Azol Epoxiconazol. Die Anwendung erfolgt mit bis zu 1,5 l/ha, jedoch immer in Kombination mit einem zugelassenen Azol. Die BASF selber empfiehlt dann Priaxor plus Osiris in 1 plus 1 l/ha Aufwandmengen in Getreide. Librax mit 2 l/ha entspricht Adexar, wobei das Epoxiconazol gegen Metconazol ausgetauscht wurde.

Der Property Start Pack von Belchim besteht aus Opus Top 1,5 l/ha und dem neuen Property mit 0,5 l/ha. Der Property Start Pack ist vergleichbar mit 2,0 l/ha Capalo, jedoch im Vergleich zu Capalo ohne Halmbruch Indikation.

Braunrostbefall in Winterweizen.

Foto: Heidweiler

„Erkenne deinen Gegner“: nichtparasitäre Blattflecken am Qualitätsweizen Patras.

Foto: Heidweiler

Sortenunterschiede hinsichtlich des Krankheitsauftretens bei Winterweizen im Landessortenversuch.

Foto: Heidweiler

Altbekanntes in neuen Kleidern

Alte Bekannte mit neuen Namen und in neuen Kombinationen sind für die einen eine Bereicherung des Marktes, für andere Landwirte Verwirrung stiftend, ob der vielen neuen Namen und Kombinationen. Generika Wirkstoffe von zum Beispiel Amistar (Azoxystrobin) oder Folicur (Tebuconazol) existieren mittlerweile in unzähligen Namen am Markt.

Eine tabellarische Darstellung aller Fungizide mit Wirkungsangaben, Indikationen und Abstandsauflagen erfolgt an dieser Stelle nicht. Zwei Heftseiten würden dazu nicht ausreichen. Diese Produktinformationen und Vergleiche sind detailliert auf den Internet-Informationsseiten der Pflanzenschutzdienste der Länder zu finden. In Printform informiert beispielsweise die in Rheinland-Pfalz herausgegebene DLR Broschüre „Pflanzenschutz im Ackerbau und Grünland 2018“.

Wann sind frühe Maßnahmen zu setzen?

Fungizid Anwendungen im Weizen können zu drei Terminen möglich werden (T1, T2, T3), wobei der T2-Termin zwischen EC 37 und 55 nach wie vor die höchste wirtschaftliche Effektivität aufweist.

Muss bereits früh zum Termin T1 im EC 31/32 behandelt werden, können Halmbruch, Gelbrost und stärkerer Septoria tritici Druck dafür ausschlaggebend sein. Die milde und feuchte Winterwitterung 2017/2018 bis zum Einsetzen der kalten Witterung im Februar und März war für Halmbruch und Septoria tritici enorm günstig. Je früher der Saattermin lag und je empfindlicher die Sorte ist (BSA-Einstufung 5 oder höher), umso stärker werden die Infektionen gewesen sein.

Bei Septoria tritici sah man dies bereits Ende Februar in Form der „schwarzen Pünktchen“ auf den absterbenden bodennahen Blättern. Möglichen Gelbrost werden die tiefen Temperaturen im Februar zurück geworfen haben. Dem Halmbruch machte die Kälte nichts aus, bei dieser Halmbasis-Krankheit hilft der Blick im April ins ISIP. Dort ist mit „SIMCERC“ eine recht gut validierte individuelle Entscheidungshilfe erhältlich, ob zu behandeln ist oder nicht.

Bei Halmbruch Gefahr muss dieser früh im EC 31/33 angegangen werden. Bei späteren Maßnahmen zum EC 37 gelangen nur noch unzureichende Wirkstoffmengen an die entscheidende Halmbasis. Champion, Unix, Input Classic oder Proline sind gegen Halmbruch zum T1-Termin die potentesten Mittel.

T1-Behandlungen gegen Septoria tritici sind nur bei früher Saat, empfindlicher Sorte und ausreichenden (mehr als 30 Stunden Blattnässe) bis anhaltenden Niederschlägen im EC 31/33 notwendig. Verläuft diese Phase trocken, stehen die Chancen gut, bis zu einer Anwendung ab EC 37 zuwarten zu können. Bei Niederschlägen und hohem Infektionsdruck kann ein Azol-haltiges Mittel (Epoxiconazol, Prothioconazol) gespritzt werden, eventuell in Kombination mit 2 kg/ha Dithane Neotec. Dithane plus ein Azol sollten allerdings nie in Kombination mit einem Wachstumsregler gegeben werden, denn das führt schnell zu verstopften Filtern.

Tritt Gelbrost früh und massiv auf, wird dieser mit preiswertem Tebuconazol ausreichend sicher erfasst. Mehltau ist züchtungsbedingt schon lange keine dominierende Krankheit mehr, Behandlungen zum T1 beschränken sich auf nur wenige Einzelfälle.

T2 nur in vollen Aufwandmengen

Um den ab EC 37/49 voll ausgebildeten Blattapparat möglichst lange zu schützen, sind zu diesem T2-Termin Azol-Carboxamid, Azol-Strobilurin oder Azol-Carboxamid-Strobilurin Produkte in voller Aufwandmenge angesagt. Das Erscheinen der Ähre abzuwarten, ist nicht notwendig. Zu Mittelkosten von 60 bis 85 Euro/ha kann eine Wirkungsdauer von vier bis fünf Wochen erzielt werden. Reduktionen der Aufwandmenge um ein Drittel sollten nur dann erfolgen, wenn zur Blüte die Wahrscheinlichkeit einer Fusarium-Maßnahme hoch erscheint. Waren die sieben bis zehn Tage vor dem Behandlungstermin feucht und es erfolgten anhaltende Infektionen, bieten die Produkte Adexar, Ascar Xpro, Ceriax und Elatus Era die beste Kurativleistung.

Gesunde Ähren, gesundes Korn

Blattmaßnahmen schützen den Blattapparat, sind die Ähren jedoch geschoben, findet kaum eine Verlagerung der Wirkstoff-Depots dorthin statt. Je nach Sorte, Vorfrucht und Bodenbearbeitung muss bei regenfeuchter Witterung zum T3-Termin eine Absicherung gegen Fusarium und drohende DON-Überschreitung erfolgen. Osiris solo mit 2,5 bis 3,0 l/ha oder Osiris mit 1,0 bis 1,5 l/ha plus einem Partnerazol sind Varianten, die nun schon seit Jahren in Versuchen die spürbarste Wirkung und DON-Reduktion aufweisen.

Nur kurze Regenschauer verbunden mit schnellem Ährenabtrocknen stellen kein Problem dar. Bleibt die Ähre jedoch bei hohen Temperaturen ein oder zwei Tage nass, findet Fusarium optimale Infektionsbedingungen vor. Verläuft die Blüte trocken, ist selbst empfindlicher Durumweizen nicht durch Fusarium gefährdet, so die Erfahrungen aus der Südpfalz.

Ährenfusarien imn Winterweizen.

Foto: Heidweiler

Mischbefall von Zwergrost und Rhynchosporium an Gerste.

Foto: Heidweiler

Halmbruch in einem Winterrrogen-Bestand.

Foto: Heidweiler

Problemkinder der Gerste: Netzflecken und Ramularia

Bei Netzflecken haben die Vertreter aus jeder Wirkstoffgruppe an Leistung eingebüßt und Resistenzen sind mittlerweile breit nachgewiesen. Bei Ramularia wirken Strobilurine schon seit Jahren nicht mehr, gegenüber den Carboxamiden findet man zunehmend neue Resistenz-Mutanten und auch die Azole shiften deutlich.

Muss bereits zum T1-Termin behandelt werden, sind die Auslöser oft Mehltau, Netzflecken, Zwergrost oder starker Druck mit Rhynchosporium. In Fungizidversuchen sind diese frühen Anwendungen jedoch selten wirtschaftlich. Unix 0,7 l/ha plus Input 0,6 l/ha, aber auch preiswerteres Gladio mit 0,8 l/ha sind probate Varianten in diesem frühen Bereich.

Zum wichtigen T2-Termin im EC 49/51 ist bei allen Firmen der Wirkstoff Chlorthalonil als unterstützende Waffe gegenüber Ramularia gesetzt. Amistar Opti mit 1,5 l/ha oder Credo (nur wenn noch verfügbar) enthalten Chlorthalonil und kommen dann in Kombination mit Azol, Azol plus Strobilurin, Azol plus Carboxamid, oder Azol plus Carboxamid plus Strobilurin in einer Vielzahl von Produkten von 50 bis 80 Euro/ha zum Einsatz.

Lagergefahr in Roggen und Triticale

Der Halmbruch kann sowohl in Roggen als auch in Tritcale zu beträchtlichem Lager führen. Die Notwendigkeit einer Maßnahme entscheidet sich zum EC 31/32. Auch hier kann das SIMCERC-Modell als Entscheidungshilfe genutzt werden – wie bei Weizen auch. Die unter Weizen aufgeführten Beispielsvarianten gegen Halmbruch erfassen in Triticale auch den Gelbrost, der in Befallsjahren oft früh und massiv auftreten kann. Auch stärkerer Mehltau kann zu diesem frühen T1-Termin in Triticale bereits vorkommen. In diesem Fall ist auch auf die Mehltau-Einstufung des geplanten Fungizids zu achten.

Kommt man in Triticale in den meisten Fällen mit dieser einen Maßnahme aus, muss in Winterroggen ab EC 37/49 auf Braunrost geachtet werden. In warmen Befallslagen mit Rostbefall schon in der ersten Maiwoche kann unter Umständen eine Doppelmaßnahme mit zum Beispiel Tebuconazol wirtschaftlich sinnvoll sein. Einzelmaßnahmen aus Azol plus Strobilurin, zum Beispiel Priori Xtra bieten ab Mitte Mai eine Dauerwirkung von rund vier Wochen und sind ausreichend stark.

Abstände einhalten

Neben biologischer Leistung, Erreger-Spektrum und Preis ist unbedingt auf die Einstufung der Abstände zu Gewässern, Saumstrukturen und Hangauflagen zu achten. Selbst beim Einsatz von 90 Prozent Abdrift-reduzierender Düsen müssen bei etlichen Produkten Abstände zu Gewässern von 5 bis 20 Metern eingehalten werden.

Hangauflagen betreffen noch deutlich mehr Mittel, nur etwa 25 Prozent der Fungizide sind bei 0 Meter, die Mehrzahl zwischen 10 und 20 Metern eingestuft. Die entsprechenden Abstands-Listen sind im Internet bei den Pflanzenschutzdiensten zu finden.

Hermann Heidweiler, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinhessen-Nahe-Hunsrück, Neustadt/Weinstrasse – LW 15/2018