Oh je, ins Krankenhaus

Was Eltern tun können, um ihrem Kind im Krankenhaus zu helfen

„Den größten Fehler, den Eltern machen können, wenn ihr Kind ins Krankenhaus muss, ist, es anzuschwindeln.“ Kinderkrankenschwester Almut Akkermann erlebt immer wieder, dass Eltern ihrem kranken Kind sagen: „Ich geh mal eben zur Toilette“, und dann nicht zurück ins Krankenzimmer kommen. Die Angst vor der Angst und den Tränen ihres Kindes lässt Eltern auch in anderen Bereichen zur Notlüge greifen. Gar nicht selten erlebt Almut Akkermann, dass Eltern eine Untersuchung oder Operation verharmlosen. Viel besser wäre es, das Kind auf den Schoß zu nehmen und zu versichern, dass die Behandlung vielleicht sogar weh tun kann, aber dass man sie gemeinsam überstehen wird. Wenn Kinder vorbereitet werden, sind sie sehr stark“, so die Erfahrung der Kinderkrankenschwester.

Das kleine Mädchen hat keine Angst vor der Krankenschwester – vielleicht, weil es schon durch Bilderbücher über das Kranksein und typische Behandlungen informiert wurde.

Foto: imago images

Durch Verharmlosen oder Verschweigen dagegen, so ihre Erfahrung, riskieren Eltern in einer ohnehin für das Kind schwierigen Situation einen Vertrauensverlust.

Das Kind gut informieren

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass sogar schon Säuglinge in Stresssituationen gelassener reagieren, wenn ihnen erklärt wird, was geschehen ist oder geschieht. Wenn ein Kind dagegen „überrumpelt“ wird und erlebt, dass es Vater oder Mutter nicht glauben kann, wie soll es dann Vertrauen zu fremden Ärzten oder zum Pflegepersonal fassen? Mangelnde Transparenz und angeknackstes Vertrauen erschweren womöglich die nötige Therapie.

Beim Abschiednehmen hilft es, ein Kuscheltier oder einen vertrauten Gegenstand zurückzulassen und zu sagen: „Ich muss jetzt gehen, aber ich komme morgen wieder, wenn es Frühstück gibt.“

Gut ist, wenn Eltern sich beim Pflegepersonal nach dem Tagesablauf in der Klinik erkundigen. Dann können genaue Absprachen, die zum Klinikrhythmus passen, getroffen werden. Im Gegenzug sind Schwestern so auch für elterliche Informationen über Eigenheiten, Vorlieben oder Abneigungen des Kindes offen.­

Kinder spüren die Angst ihrer Eltern. Die sollten ihre eigenen Sorgen zwar nicht im Beisein der Kinder mit dem Fachpersonal besprechen, sie aber dem Kind gegenüber auch nicht völlig verschweigen: „Ja, ich finde es auch nicht schön, dass du jetzt krank bist und hier sein musst. Aber ich hoffe sehr, dass die Schwestern und Ärzte dir helfen“, könnte eine ehrliche Aussage sein, die die Situation so akzeptiert wie sie ist und dennoch verhindert, dass das Kind den Eindruck gewinnt, die Eltern selbst verlören den Boden unter den Füßen.

Mitaufnahme einer Bezugsperson

Die Tage, in denen Eltern ihre Kinder nur zu festgelegten Besuchszeiten sehen durften, sind zum Glück vorbei. Im vielen Kinderkliniken sind begleitende Eltern gern gesehen, in Notfällen werden sogar Begleitkinder mit aufgenommen. Ob allerdings die Krankenkasse die Kosten dafür übernimmt und ob berufstätige Eltern den Verdienstausfall erstattet bekommen und sogar Krankengeld beziehen können, das hängt von ihrer jeweiligen Krankenkasse ab. Natürlich kann die Begleitperson, die mit aufgenommen wird, auch eine sons­tige Vertrauensperson sein, wie etwa Oma, Opa, Tante, ein Freund oder eine Freundin der Familie. „Für das Kind, gerade wenn es klein ist, ist eine vertraute Bezugsperson immens wichtig“, sagt Karin Schmidt vom „Aktionskomitee Kind im Krankenhaus“ (AKiK), das sich bundesweit für die Rechte von kranken Kindern einsetzt (siehe www.akik.de).

„Im Regelfall entscheiden die Ärzte, ob die stationäre Mitaufnahme von Beleitpersonen aus medizinischer Sicht nötig ist. Vorgesehen ist eine Bewilligung allerdings meist ohnehin nur bei Kindern bis zu acht Jahren. Eltern müssen einen Antrag einreichen, den wir notfalls vom medizinischen Dienst beurteilen lassen“, so Nadine Kurt von der Techniker Krankenkassen. Almut Akkermann, die bei AKiK ehrenamtlich mitarbeitet, weiß, dass Krankenkassen oft nur bei einer Krebserkrankung oder bei einer nötigen Einweisung der Eltern in den Umgang mit medizinischen Geräten stattgegeben wird. Neben medizinischen Gründen können Ärzte auch psychologische Gründe für die Mitaufnahme eines Elternteils anführen. Almut Akkermann jedenfalls rät Eltern, notfalls „Rabatz“ zu machen und eine Ablehnung nicht kampflos hinzunehmen. Oft scheuen Eltern allerdings diese Auseinandersetzung, da der Krankenhausaufenthalt eines Kindes ohnehin viel Kraft und Aufmerksamkeit erfordert.

Krankenhaus – das bedeutet für Kinder und Eltern gleichermaßen Ausnahmesituation. Das Kind hat Schmerzen oder spürt die Angst und Unsicherheit der Eltern, zudem fehlen die vertraute Umgebung und der gewohnte Tagesablauf. Die Eltern wiederum sind in Sorge um ihr Kind, müssen vielleicht die Versorgung von Geschwisterkindern sicherstellen. Außerdem müssen sie regeln, wie sie ihren Beruf und die Betreuung des Kindes im Krankenhaus „unter einen Hut bekommen“. In jedem Fall sollten Eltern sich beim Arbeitgeber oder der Krankenkasse nach ihrem Recht auf bezahlte Betreuungszeit für ihr krankes Kind erkundigen.

Soziales Netzwerk aktivieren

Eltern sollten sich nicht scheuen, sich Entlastung zu verschaffen, indem sie ihr soziales Netzwerk aktivieren: Gibt es Freunde, bei denen die gesunden Kinder nachmittags spielen können? Können Großeltern einspringen? Ältere, gesunde Geschwis­ter können womöglich Aufgaben im Haushalt übernehmen und haben so auch das Gefühl, nicht ausgeschlossen zu sein. Und wenn zu Hause nicht alles klappt wie am Schnürchen? Dann ist Nachsicht angesagt: Mit sich selbst, mit den anderen Familienangehörigen und womöglich auch mit dem Kind, das im Krankenhaus quengeliger oder empfindlicher ist als zu Hause.

Gut vorbereitet

Jedes zweite Kind muss irgendwann einmal ins Krankenhaus. Da ist es gut, wenn Kinder altersentsprechend vorbeugend mit dem Thema Krankenhaus vertraut gemacht werden. Bilderbücher oder ein Spielzeug-Arztkoffer können genauso helfen, wie ein Besuch im Krankenhaus beim Tag der Offenen Tür. Auf keinen Fall aber sollte mit dem Krankenhaus oder einem Arztbesuch irgendwie gedroht werden. Da ist es gut, wenn etwa die Vorsorgeuntersuchungen in gelöster heiterer Atmosphäre stattfinden, damit Kinder einen Arzt nicht erst kennenlernen, wenn sie durch Schmerzen ohnehin beeinträchtigt sind.

Als besonders hilfreich empfindet Almut Akkermann, dass immer mehr Kindergärten das Thema Krankenhaus vor Ort behandelt: In gesunden Tagen ein Krankenzimmer anzusehen, das Spielzimmer auf der Station in Augenschein zu nehmen und mit dem Pflegepersonal und Ärzten in Kontakt zu kommen, fördert das Vertrauen. Und Vertrauen ist in Sachen Krankenhaus die beste Medizin.

Karin Vorländer – LW 5/2013