Pflegehilfsmittel erleichtern den Alltag

Vom Einmalhandschuh bis zum Pflegebett

Wird ein Angehöriger pflegebedürftig oder kann gewisse Dinge im Alltäglichen nur schwer ohne Hilfe bewältigen, können Pflegehilfsmittel Abhilfe schaffen beziehungsweise zur Minderung der Beschwerden beitragen. Welche Pflegehilfsmittel es gibt und welche die Pflegekasse übernimmt, dazu liefert der folgende Beitrag eine Übersicht.

Manuel Tscherwenka, Abteilungsleiter der Reha im Friedberger Sanitätshaus medrob, demonstriert mit einer Kollegin, wie man Stufen mit dem Treppensteiger mühelos rauf- und runterfährt.

Foto: Lehmkühler

Um an ein Pflegehilfsmittel zu kommen, ist der Weg über den Hausarzt üblich. „Besteht Bedarf nach einem Pflegehilfsmittel, kann der Hausarzt ein Rezept ausstellen. Da dieses Hilfsmittel nicht auf das Budget des Arztes geht, sollte man nicht zögerlich sein, dies in Anspruch zu nehmen. Man hat Anspruch darauf“, rät Manuel Tscherwenka, Abteilungsleiter der Reha im Sanitätshaus med­rob in Friedberg. Da Pflegehilfsmittel, wie zum Beispiel ein Pflegebett oder ein Rollstuhl, häufig sofort benötigt werden, sollte die Zustellung möglichst schnell gehen. Dazu Tscherwenkas Tipp: „Am besten gehen Sie mit der Verordnung direkt in Ihr Sanitätsgeschäft vor Ort. Die Experten haben einen schnellen Draht zur zuständigen Pflegekasse, sodass ein Antrag binnen Kurzem beantwortet sein kann!“

„Wir erleben auch, dass Kinder oder Enkelkinder zu uns ins Sanitätshaus mit der Frage kommen: Mein Vater/meine Großmutter kann nicht mehr richtig laufen oder nicht mehr richtig liegen. Was kann ich tun?“, so Tscherwenka. Infos über passende Rollatoren (mittlerweile in verschiedenen Ausführungen erhältlich) oder auch über Einlegerahmen fürs Bett, „die nicht nach Krankenbett aussehen, aber beispielsweise das Aufstehen erleichtern, können wir dann mitgeben.“ Ãœber die Beratung sei in der Regel der Anstoß gegeben, das passende Pflegehilfsmittel zu finden, das der Arzt dann verordnen kann.

Hilfsmittel – unabhängig von einer Pflegestufe

Viele Pflegehilfsmittel können ohne Pflegestufe verordnet werden. „Unabhängig von der Pflegestufe können wir beispielsweise Standards wie Rollstuhl, Rollator, Toilettensitzerhöhung, Toilettenstuhl, Duschhocker, Duschstuhl, Haltegriff oder Badewannenlifter auf Rezept abgeben. Es gibt dafür eine gesetzliche Zuzahlung für die Versicherten von zehn Prozent, höchstens aber 10 Euro“, erklärt Tscherwenka.

Klar könne man heute auch einen Rollator beim Discounter oder im Internet kaufen, gibt Elke Walther, Assistentin der Geschäftsleitung im Sanitätshaus medrob, zu bedenken. „Aber die Hilfsmittel werden dann oft nicht richtig eingestellt, oder die Patienten kommen damit nicht zurecht“, sind ihre Erfahrungen aus dem Beratungsalltag. Ein paar Mal im Jahr veranstaltet das Sanitätshaus, das fünf Standorte in Hessen hat (www.medrob.de) „Rollator-Tage“, an denen die individuelle Handhabung des Gerätes gezeigt wird.

Hilfsmittel, die Pflegestufe I voraussetzen

  • Pflegebedürftige, die mindestens die Pflegestufe I erhalten, können unter anderem folgende genehmigungspflichtige Pflegehilfsmittel in An­spruch nehmen:
  • Pflegebett Elektrorollstuhl
  • Brems- und Schiebehilfe (dies ist ein Zusatzmotor für den Rollstuhl)
  • Treppensteiger (das Elektrogerät hilft, Treppen zu überwinden; dies gibt es als Einzelgerät, wie auf dem Foto zu sehen, oder als Zusatzgerät, das man mit wenigen Handgriffen am Rollstuhl anbringt)
  • Elektromobil

„Die technischen Pflegehilfsmittel sind in der Regel Mietsachen. Geht mal etwas kaputt, zum Beispiel der Bremszug am Rollator oder die Bereifung beim Rollstuhl, wird dies vom Sanitätshaus kostenlos repariert. Der Service gehört zur Mietpauschale“, erklärt Manuel Tscherwenka. „Kleinere Hilfsmittel und Hygieneartikel sind Eigentum.“ Verstirbt ein Kunde erhält das Sanitätshaus darüber eine Information der Pflegekasse, damit die gemieteten Geräte wieder abgeholt werden. „Die meisten Angehörigen melden sich aber recht früh bei uns, da sie die Pflegehilfsmittel gerne schnell aus dem Haus haben möchten“, ist Tscherwenkas Erfahrung.

Einteilung

Bei den Pflegehilfsmitteln unterteilt man in technische Pflegehilfsmittel (wie Pflegebett oder Lagerungshilfen) und zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel (wie Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel, Hilfsmittel gegen Wundliegen und -sitzen oder Betteinlagen).

Wie die SVLFG auf ihrer Website informiert (www.svlfg.de)sind zu den technischen Pflegehilfsmitteln Zuzahlungen des Pflegebedürftigen vorgesehen. Bei Pflegebedürftigen unter 18 Jahren entfällt diese Zuzahlung. Größere technische Pflegehilfsmittel werden leihweise überlassen, sodass eine Zuzahlung entfällt. Die Kosten für Verbrauchsprodukte werden bis zu 40 Euro pro Monat („40-Euro-Pauschale“) von der Pflegekasse erstattet.

SL

Vom Standard- bis zum Luxusmodell

Die technischen Pflegehilfsmittel werden dem Versicherten in der Regel in der Standardausführung verschrieben. Je nach Situation reicht das auch vollkommen aus, ist sich der Reha-Fachberater sicher. „Benötigen Sie beispielsweise einen Rollator nur, um damit ein paar Schritte über den gepflasterten Hof zu gehen, dann ist das robuste Standardmodell aus Edelstahl genau die richtige Wahl. Sind Sie aber häufiger unterwegs und müssen den Rollator oft verladen, dann raten wir zu einem Zuzahlungsmodell aus Aluminium. Das ist um einige Kilogramm leichter und wendiger. Außerdem lässt es sich mit einem Handgriff zusammenklappen.“ Viele Kunden würden beschreiben, dass sich ein schwergängiger Rollator schnell an den Handgelenken bemerkbar mache. „Der Schmerz ist vermeidbar“, sagt Elke Walther und rät zu individuell angepassten Geräten. Die Zuzahlungsmodelle gibt es in Ausführungen, die von rund 80 bis über 300 Euro reichen. Dabei gilt: Je leichter, desto teurer.

Rollstuhl je nach Situation

Rollstühle lassen sich grundsätzlich in drei Kategorien einteilen, informieren die Reha-Experten. Neben den üblichen Leichtgewichtrollstühlen (auch Schieberollstuhl genannt) gibt es Pflegerollstühle. Sie sind wie ein Sessel gepolstert. Der Pflegebedürftige kann da­rin bis in die Liegeposition gebracht werden. Ein Aktivrollstuhl wird beispielsweise nach einem Unfall benötigt, wenn man die Beine nicht mehr bewegen kann. Manuel Tscherwenka erklärt: „Den Aktivrollstuhl setzt man nicht bei Altersgebrechlichkeit ein. Man benötigt die eigene Armkraft zum Anschub. Die Aktivrollstühle sind daher sehr leicht und wendig.“

Das Rollator-Standardmodell (links) aus Edelstahl ist robuster, dafür aber auch schwerer als das Modell aus Aluminium (rechts). Das Edelstahlmodell wiegt zwischen 10 und 12 kg, das Aluminiummodell rund 6 bis 7 kg.

Foto: Lehmkühler

Elke Walther, Assistentin der Geschäftsleitung im Sanitätshaus med­rob, zeigt, wie der leichtere Rollator mit einem Handgriff zusammengeklappt werden kann. „Wer mit dem Rollator nur über den Hof fährt, für den ist das Standardmodell genau das richtige Hilfsmittel. Wer den Rollator häufig verlädt, kommt vermutlich mit einem leichteren Modell besser zurecht“, erklärt sie.

Foto: Lehmkühler

Gehhilfen sollten anatomisch angepasst sein. Es gibt Stöcke und Krücken für Rechts- sowie für Linkshänder.

Foto: Lehmkühler

Geliehenes Pflegebett

Ãœbliche Pflegebetten werden wiederverwendet. Nach einer Rückgabe werden sie geputzt, komplett desinfiziert und erhalten bei der Vergabe an den nächsten Pflegefall eine neue Matratze. Kopf- und Fußteil lassen sich elektrisch in der Höhe verstellen. Zur Standardausstattung gehört ein Aufrichter über dem Kopfteil (der Triangel-Griff oder auch „Galgen“ genannt). „Einen Beistelltisch erhalten die Versicherten der landwirtschaftlichen Pflegekasse mit einer Extraverordnung“, lautet ein weiterer Tipp der beiden Rehaexperten. Sie weisen außerdem darauf hin, dass es auch bei den Pflegebetten viele Extras gibt, für die zugezahlt werden muss. „Für die einen ist die Farbe des Bettrahmens wichtig, damit sie zur Einrichtung passt, für die anderen ist es wichtig, in keinem gebrauchten Pflegebett zu liegen“, berichtet Manuel Tscherwenka von Kundenwünschen.

Weitere Tipps, die die Pflege erleichtern:

  • Toilettensitzerhöhungen gibt es mit und ohne Armlehnen. „Für das Hinsetzen und Aufstehen ist eine Sitzerhöhung mit Armlehnen viel praktischer. „Die Armlehnen müssen auf dem Rezept mit erwähnt sein, sonst sind sie nicht dabei“, rät Tscherwenka.
  • Es gibt Haltegriffe, die in den Fliesenspiegel im Bad gebohrt werden, und Sauggriffe, die an verschiedenen Stellen genutzt werden können. „Die Sauggriffe müssen laut Gebrauchsanweisung jeden Tag kontrolliert werden, damit die Pflegeperson damit nicht abrutscht. Wer macht das schon? Die angebohrten Griffe kann man zwar nicht mehr an anderen Stellen einsetzen, sie sind jedoch sicherer“, lautet der Tipp.

Der Regenschirm ist keine Alternative zum Stock

„Ich stütze mich am Regenschirm ab!“, hört man gerne insbesondere von trittunsicheren Frauen, die sich genieren, eine professionelle Gehhilfe zu benutzen. Das ist falsche Eitelkeit, denn die Stolper- und Sturzgefahr ist damit nicht beseitigt. „Ein Hinfallen kann Schlimmeres zur Folge haben. Wa­rum daher nicht gleich eine richtige Gehhilfe nutzen?“, gibt Tscherwenka zu bedenken.

Gehstöcke und Krücken sollte man anatomisch angepasst ausleihen oder kaufen. Es gibt sie für Rechts- und für Linkshänder. Grundsätzlich hält der Reha-Fachberater jedoch auch von Gehstöcken bei unsicherem Tritt nicht viel. „Durch die einseitige Belastung kommt es schnell zu Verspannungen. Der Halt ist auch oft nicht ausreichend. Ein Rollator ermöglicht als Hilfsmittel einen viel besseren Halt.“

Wenn die zu pflegende Person Windeln oder Vorlagen aufgrund einer Inkontinenz benötigt, gibt es auch diese auf Rezept, „was viele Versicherte nicht wissen“, so Tscherwenka. Je nach Grad der Inkontinenz steht der Pflegeperson eine Monatsration an Windeln oder Vorlagen zu. Die meisten Krankenkassen haben Exklusivverträge mit bestimmten Lieferanten abgeschlossen. „Die Versicherten sollte deshalb bei ihrer Krankenkasse nachfragen, ob sie an einen bestimmten Lieferanten gebunden sind. Mein Tipp: Frühzeitig bestellen! Die Lieferungen bei Windeln dauern leider meist recht lange.“

40-Euro-Pauschale

Die landwirtschaftliche Pflegekasse übernimmt auch die Aufwendungen für Pflegehilfsmittel, die für die Durchführung der Pflege benötigt werden, wie beispielsweise Desinfektionsmittel, Einmalhandschuhe und Bettschutzeinlagen. Es werden Kosten bis zu einem Betrag von 40 Euro monatlich übernommen. „Der Antrag für diese 40-Euro-Pauschale kann im Santitätshaus ausgefüllt werden. Wir leiten das weiter an die entsprechende Stelle. Das ist eine reine Formsache“, informiert Elke Walther.

Der Bedarf an Pflegehilfsmitteln sei in den letzten Jahren gestiegen, „was unter anderem auch den Druck auf die Kranken- und Pflegekassen erhöht. Fragen Sie daher am besten in Ihrem Sanitätshaus oder bei Ihrem Orthopädietechniker vor Ort nach, worauf Sie Anspruch haben und was auf der Verordnung, die der zuständige Arzt ausstellen kann, stehen sollte“, lautet Walthers Tipp. Viele Pflegehilfsmittel seien den Versicherten zunächst gar nicht bekannt – oder hätten Sie gewusst, dass es auf Verordnung Einlege­bettrahmen und Treppensteiger gibt? Eine professionelle Beratung erleichtert die Suche nach den passenden Hilfsmitteln, die den Pflegealltag erleichtern können.

SL – LW 20/2015